Laut britischen Medienberichten will der britische Premierminister Boris Johnson in den nächsten Tagen seine Pläne für eine Überarbeitung des EU-Austrittsabkommens präsentieren. Dieses Abkommen war von seiner Vorgängerin Theresa May mit den verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten ausgehandelt worden. Die Verabschiedung scheiterte jedoch drei Mal am Wiederstand des britischen Parlaments. Einer der Hauptgründe für die Ablehnung war der sogenannte Backstop, der Großbritannien unbefristet den EU-Zoll- und Handelsregeln unterwerfen würde – für viele konservative Parlamentarier eine inakzeptable Vorstellung.
Laut „Times“ hat Johnson bereits Mitte letzten Monats unverbindliche Alternativvorschläge für den Backstop an Brüssel übermittelt. Er wolle die EU dazu bringen, eine Zolltarif-Grenze zwischen der unabhängigen Republik Irland und der britischen Provinz Nordirland zu akzeptieren. Berichte, nach denen er plane, in der Nähe der inneririschen Grenze Zollabfertigungszonen einzurichten, hat Johnson nach Angaben der „Times“ am Dienstag zurückgewiesen.
Egal, wie die endgültigen Vorschläge Johnsons aussehen, sie werden, wie der May-Deal, vielen Abgeordneten wohl nicht gefallen. Der Premier könnte jedoch versuchen, das Parlament mit dem Szenario eines EU-Austritts ohne Abkommen (sogenannter „No-Deal“-Brexit) unter Druck zu setzten, schreibt die „Times“. Nach Angaben der Zeitung hat Johnson in privaten Gesprächen klargestellt, dass jedes überarbeitete Abkommen eine Verpflichtung der verbleibenden Mitgliedsstaaten enthalten müsste, die Austrittsfrist nicht noch einmal zu verlängern.
Eine solches überarbeitetes Abkommen würde die Abgeordneten vor zwei Wahlmöglichkeiten stellen. Sie könnten dem Deal zustimmen oder faktisch garantieren, dass Großbritannien am 31. Oktober ohne einen Deal die EU verlässt. Einen solchen „Chaos-Brexit“ hatten die Abgeordneten eigentlich mit dem sogenannten „Benn-Gesetz“ vom 9. September verhindern wollen, das dem Premier vorschreibt, bei der EU eine Verlängerung der Austrittsfrist zu beantragen, sollte er sich bis zum 19. Oktober nicht mit der EU auf ein Austrittsabkommen geeinigt haben. Sollte Johnsons Plan aufgehen, wäre das Gesetz faktisch außer Kraft gesetzt.
Ob die verbleibenden EU-Mitglieder den Vorschlägen Johnsons zustimmen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Nach Angaben der „Times“ könnte vor allem Frankreich offen dafür sein. Der französische Präsident Emmanuel Macron habe im März einen ähnlichen Vorschlag gemacht, der jedoch von den anderen europäischen Regierungschefs abgelehnt worden sei. Boris Johnson hat wiederholt angekündigt, dass er sein Land am 31. Oktober aus der EU-führen will, „komme was wolle“. Um das Benn-Gesetz zu umgehen, hat er neben der hier dargelegten Möglichkeit noch mindestens drei weitere Optionen, die – zumindest nach Auffassung einiger Experten – rechtlich zulässig sind (Achgut.com berichtete).