Von Lucy Mai.
Neulich sprachen wir im Religionsunterricht über Gottesbilder. Nach einiger Zeit kamen wir auf die Tatsache zu sprechen, dass Gott meist mit männlichen Bildern beschrieben wird. Es schien so, als hätte mein Religionslehrer nur auf diese Situation gewartet. Urplötzlich zog er eine Bibel in gerechter Sprache aus der Tasche. Diese gendergerechte Übersetzung der Bibel wurde von feministischen Theologen geschrieben, um "männliche und weibliche Gottesbilder gerecht in der Bibel zu verteilen", so mein Religionslehrer zumindest.
Für meine Mitschüler und mich war diese Situation ziemlich verwunderlich: Wir besuchen eine katholische Klosterschule. Unsere Schule ist nicht für feministische Ansätze bekannt. Das Letzte, was uns hier passieren könnte, wäre ein weiblicher Schulleiter. Außerdem leben wir in einer urkonservativen Region, in der die meisten Menschen nicht einmal wissen, was Gendersprache überhaupt ist. Und diejenigen, die es wissen, halten es für Schwachsinn.
Von so etwas Exotischem wie einer Genderbibel haben wohl nur die wenigsten etwas gehört. Hinzu kommt noch, dass mein Religionslehrer nicht etwa ein Zugezogener aus Berlin-Kreuzberg, sondern Ordensmann im Kloster neben unserer Schule ist. Im Religionsunterricht lässt er keine Meinungen zu, die den Glauben und die Kirche irgendwie kritisieren. Seine Antwort auf Kritik ist immer dieselbe: "Das ist so nicht richtig. Denk nochmal drüber nach!". Ich habe noch nie davon gehört, dass er je zu spät zum Unterricht erschienen ist oder gar krank war. Die meisten Mitschüler nennen ihn schlicht einen Spießer. Dementsprechend groß ist unsere Verwunderung: Ein katholischer Priester tischt uns hier eine gendergerechte Bibel auf?
Schließlich gab er einer Mitschülerin das Buch, welche sich vorher noch nie gemeldet hatte. Sie sollte die Geschichte vom brennenden Dornbusch vorlesen. Diese Mitschülerin ist durchaus des Lesens mächtig. Eigentlich. Die feministische Bibel war nämlich eine ziemliche Herausforderung. Unser Religionslehrer hatte uns nicht zu viel versprochen: Bei jeder Gelegenheit wurde ein -innen angehängt oder sogar gleich das Wort Frauen quasi aus dem Nichts eingefügt.
Langsam wurden aus den ratlosen Blicken genervte
So wurde aus den Israeliten die Israelitinnen und Israeliten. Aus Gott wurde die Gottheit oder die Göttin. Sie stotterte mehr vor sich hin, als dass sie den Text vorlas. So langsam blickten sich meine Mitschüler ratlos an. (Im Religionsunterricht müssen wir die Tische immer so hinstellen, dass sich jeder gegenseitig anschauen kann.) Bei mehr als einer gegenderten „-innen“ Form in einem Satz sind die meisten von uns schon überfordert. Hier fanden sich immer neue Genderformen, sie tummelten sich in den Bibelversen. Viele von uns wussten vorher gar nicht, dass man so viele Formen mit -innen in einem Satz verwenden kann. Für die geübten Feministen wahrscheinlich kein Problem, für uns undurchdringbar.
Langsam wurden aus den ratlosen Blicken genervte. Uns wurde klar, dass unser Religionslehrer diese feministische Protestbibel total verharmlost hatte. Die Theologen sind weit über ihr Ziel hinausgeschossen: Es blieb nicht nur bei einer "gerechten" Aufteilung der weiblichen und männlichen Gottesbilder. Es wurde dem Genderwahn freier Lauf gelassen, Wörter wurden verdreht und ausgetauscht, die nicht ins feministische Weltbild passen. Am Ende grienten wir nur noch, zu lächerlich war die Situation.
Mein Religionslehrer lobte abschließend noch das Buch: "Ein zeitgemäßes Buch, wie ich finde. Vielleicht an einigen Stellen etwas schwer zu verstehen." "Etwas schwer" ist gut, "undurchdringbar" hätte es wohl eher getroffen. Von uns kam nix mehr.
Ich hatte ja vieles erwartet. Aber nicht, dass mein urkonservativer Religionslehrer plötzlich Feminist ist. Wie er als katholischer Priester eine feministische Protestbibel unterstützen kann, ist mir schon ein Rätsel.
Überhaupt ist die Idee einer gendergerechten Bibel lächerlich. In der Entstehungszeit der Bibel war die Frau einfach noch nicht emanzipiert, für die Verfasser war die Frau oft einfach nicht wichtig genug. So ist es auch kaum verwunderlich, dass es weniger weibliche Gottesbilder gibt als männliche und Frauen oft keine Rolle spielen. Von Gendermainstreaming und Gendersprache hatten die Verfasser wohl auch noch nichts gehört.
Wer mit der Bibel begründet, dass Gott ein Mann ist oder die Männer über Frauen herrschen sollen, darf das tun. Meist sind es jedoch nicht irgendwelche Patriarchen, sondern Feministen, die so etwas in der Bibel begründet sehen. Wieso sind Feministen nicht fähig, die Bibel in ihrem historischen Kontext zu verstehen? Lieber wird gegendert, was das Zeug hält und Jesus zu einem Feministen gemacht. Und die Kirche, allem voran mein Religionslehrer, ist munter auf diesen Zug mit aufgesprungen.
Bei jeder Gelegenheit die Klimaproblematik
Kaum hatten wir uns von diesem feministischen Encounter erholt, wurden wir Zeugen einer denkwürdigen Ansage. Der Mann am Pult sagte, dass "sich die Kirche in Politik und Staat einmischen muss. Schließlich ist es Gottes Schöpfung, der durch den Klimawandel Schaden zugefügt wird." Ich glaube, dass die meisten nicht verstanden haben, was er da gesagt hatte. Viele zeigten keine Reaktion, andere guckten ein wenig genervt. In der Schule ist es heutzutage ja längst die Regel, dass bei jeder Gelegenheit die Klimaproblematik angesprochen wird. Da ist diese genervte Reaktion verständlich. Bei dem Wort Klima schalten die meisten ab.
Nur seine Begründung für den Klimaschutz war neu: Wir müssen die Schöpfung Gottes bewahren. Die Kirche soll sich aktiv in die Politik und den Staat einmischen? Was war das nochmal mit dem säkularen Staat? Diese Fragen haben sich wohl die wenigsten gestellt, die Dimension des Gesagten ist ziemlich untergegangen.
Wenn unser Religionslehrer will, darf er die Rettung des Klimas mit seinem Glauben begründen. Aber ich habe kein Verständnis dafür, dass er den säkularen Staat abschaffen will – des Klimas wegen. Weder sollte der Staat in die Angelegenheiten der Kirche eingreifen, noch die Kirche in den Staat. Soll die Kirche wieder Leitlinie der Politik sein? Zählen in einer Demokratie nicht der Wählerwille und Werte wie Freiheit und Gleichheit? Sollen wir diese demokratischen Werte aufgeben und ins Mittelalter zurückkehren? Und das alles für den Klimawandel?
Dieser Artikel ist im Rahmen des Projekts „Achgut U25: Heute schreibt hier die Jugend“ in Zusammenarbeit mit der Friedrich A. von Hayek Gesellschaft und dem Schülerblog „Apollo-News“ entstanden.
Lucy Mai ist 17 Jahre alt und Schülerin.