Thilo Schneider / 12.06.2025 / 16:00 / Foto: Imago / 6 / Seite ausdrucken

Surf’s up, Brian Wilson

Brian Wilson von den Beach Boys starb am 11. Juni 2025 im Alter von 82 Jahren. Danke für den in Musik gegossenen Californian Dream.

Ich war etwa zwölf Jahre alt, als ich das erste Mal bewusst ein Lied der Beach Boys hörte: „Help me Rhonda“. Ich erinnere mich deswegen so genau, weil ich damals wie elektrisiert war. Was war das denn bitte? Rhythmus, eine tolle Line und dieser fünfstimmige Harmoniegesang. So etwas hatte ich ja noch nie gehört, in Zeiten von Abba und Boney M. und diesen seltsamen ACDC mit ihrem Geschrei und ihren aggressiven Gitarrenriffs. Sicher, meine Schulkameraden mit den älteren Geschwistern ritzen, wo sie standen und saßen, mit dem Ende ihres Zirkels oder Filzstiften „KISS“ oder „ABBA“ oder eben „ACDC“ überall dahin, wo noch eine Fläche frei war – aber die Musik fand zumindest ich damals Kacke. Kann ich nicht anders sagen. Was mich natürlich zum Außenseiter in meiner Schulklasse machte, in deren präpubertärer Zeit wir keinen Peter Alexander und keine Marianne Rosenberg mehr hören mochten – einfach, weil unsere Eltern im orangenen 70-Jahre Einfamilienhaus mit den unsäglichen Prilblumen an den Küchenfliesen die gut fanden.

„Help me Rhonda“ war meine „Initialzündung“, was englische Musik anging. Ich verstand zwar kein Wort, aber die Harmonien, die verstand ich. Das schmeckte nach Sonne, nach Meer, nach Palmen und nach Autos mit Heckflossen. Ich entdeckte meine Sammlerleidenschaft. Bei meinem Onkel im Schrank gab es zwei interessante Alben: „Revolver“ von den Beatles und „Pet Sounds“ von den Beach Boys. Während mir „Revolver“ zu laut, zu schnell, zu verkaspert war, konnte ich mit „Good Vibrations“ oder „Caroline No“ etwas anfangen. Ich verstand zwar immer noch nicht den Text und übersetzte mir diesen mühsam mit einem Englisch-Lexikon (ja, liebe Kinder, so war das damals, bevor es den Google-Übersetzer gab – auch so konnte man Englisch lernen), aber die Musik ließ in mir eine Saite erklingen.

Und so sammelte ich im Laufe der Monate die Hits von Brian Wilson und seinen Brüdern und Schulkameraden. „California Girls“ war eine Offenbarung, „Barbara Ann“, das auf jeder Party gegrölt wurde, sowieso und „Sloop John B.“ tauchte später bei der Bundeswehr wieder auf („Wir haben die Schnauze voll und wir wollen nach Haus“) und so wären viele Lieder und Hits zu erwähnen, die der kongeniale Brian Wilson seinen Beach Boys schrieb. Und sie alle klangen nach Pazifik, Regen auf warmem Asphalt, Diesel von „Hot Rods“, nach Wellen, Mädchen im Bikini, Cola und Softeis und auch diesen stillen Momenten, in denen man auf einer Sanddüne sitzt und die sinkende Sonne im Meer – Richtung Japan – betrachtet. Die Beach Boys und Kalifornien – das war eins und es gibt wohl kaum eine amerikanischere Band als die fünf Jungs, die sich in der Garage der Wilsons zusammenfanden, um Musik zu machen, die zwischen Los Angeles und Nowosibirsk verstanden wurde.

Enges Rennen zwischen Beatles und Beach Boys

Erst später erfuhr ich, wer die Beach Boys waren, verstand die Seitenhiebe, die sie beispielsweise in „Finders Keepers“ gegen die Ostküstenkonkurrenz „Four Seasons“, die anfangs der Sechziger einen Riesen-Hit mit „Walk like man“ austeilten, indem sie am Ende des Lieds den Chorus nachahmen oder auch die Rache der Beatles mit „Back in the USSR“, die wiederum über die „California Girls“ der Beach Boys spotteten. Es war ein enges Rennen zwischen den Beatles und den Beach Boys, Ende der Sechziger, wer wohl die bessere Band und die besseren und innovativeren Komponisten waren. Brian Wilson legte mit dem ersten Konzept-Album der Geschichte, den „Pet Sounds“ vor, die Beatles legten mit „Sgt. Pepper´s Lonely Hearts Club Band“ noch besser nach. Brian Wilsons Lebenswerk und Höhepunkt hätte darauf das Album „Smile“ werden sollen, aber die Beach Boys waren zu verkifft und zu sehr im Drogensumpf versunken und so kam nur das traurige Ergebnis „Smiley Smile“ zustande, das der absolute Tiefpunkt des Bandmatches war.

Die 60er gingen zu Ende, es war Flower-Power-Zeit und die Beach Boys verpassten musikalisch den Anschluss. Harmoniegesang und gestreifte Kurzarmhemden waren nicht mehr gefragt und wer das Monterey-Festival absagt, wird zu Woodstock nicht eingeladen. So einfach. Das wars. Die Hoch-Zeit der Beach Boys war vorbei. Gewonnen haben den ungleichen Kampf zwischen dem auf einem Ohr stocktauben Brian Wilson auf der einen und John Lennon und Paul McCartney auf der anderen Seite übrigens Mick Jagger und seine Rolling Stones, die heute noch Stadien füllen, wenngleich die Hälfte der Plätze mittlerweile von Rollatoren und Pflegepersonal eingenommen wird.

Anfang der 80er kamen die Neue Deutsche Welle und New Wave auf und mein Musikgeschmack änderte sich wieder. Das war wirklich geiler Shice und die Beach Boys machten im Plattenregal (die Älteren erinnern sich: Große schwarze Scheiben auf Vinyl, die wie ein Augapfel gehegt und gepflegt werden wollten und die lustige Formen annahmen, wenn man sie nicht wegräumte und in der prallen Sonne unter dem Dachfenster liegen ließ) Depeche Mode und OMD Platz. Das gestreifte Hemd und die weiße Leinenhose machten dem schwarzen Rock und dem Nietengürtel Platz und dem Kajalstift und dem schwarzen Lippenstift – wo war ich?

Ach ja, die Beach Boys. Ich war dann Ende der 90er tatsächlich in Los Angeles und speziell da in Santa Monica und Pasadena, Star Trek Conventions. Ich mietete mir ein Auto und fuhr auf den Boulevards entlang oder sah mir die Marinas dort an. Und es roch nach Pazifik, Palmen, Strand, Wellen, Sonnencreme und Surfen und es war genau so, wie es Brian Wilson und die Beach Boys beschrieben und besungen hatten.

Brian Wilson war der letzte der drei Brüder. Dennis Wilson (der Einzige der Band, der tatsächlich surfte und Beau der Gruppe war) ertrank 1983 bei einem Unfall (so they say…), Carl, der jüngste der Brüder, starb 1998 an der üblichen Mischung aus Lungenkarzinom und Hirntumor. Geblieben war Brian, der Kopf und das musikalische Genie, das er war, aber das nie seine Vollendung fand. Er starb am Mittwoch, dem 11. Juni 2025 im Alter von 82 Jahren. Surf´s up, Brian Wilson – und danke für den in Musik gegossenen Californian Dream.

(Weitere Hits des Autors unter http://www.politticker.de

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten

Foto: Imago

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T.S. Schmidt / 12.06.2025

Ich habe heute meinen Neffen auf den Tod von Wilson angesprochen. Natürlich wußte er (25) nicht, wer das war. “Beach Boys” klang eigentlich schon für meine Generation X lächerlich. Und die Musik(der 50er) passt wirklich nicht mehr in die heutige Zeit, schon ganz lange nicht mehr. Da hatten andere einfach mehr Tiefe und/oder den innovativen Girarrensound. Die Hormonien und Melodien sind trotzdem Klassiker, für den Einsatz in der Werbung oder unter der Dusche.

Rolf Menzen / 12.06.2025

Mir gefällt beides, sowohl AC/DC als auch die zuckersüßen Harmonien der Strandjungs, je nach Stimmung.  Mein Favourite Tune ist allerdings “I can hear music”

Mo von Polocars / 12.06.2025

Auch die Songs, die nicht unmittelbar mit Sommer, Sonne, Surfen und das damals noch wunderschöne Californien zu tun hatten, waren genial. So auch “Only God Knows”. Wilson schrieb den Song zusammen mit seinem Kollegen Tony Asher in weniger als einer Stunde. Paul McCartney bezeichnete „God Only Knows“ als seinen absoluten Lieblingssong und „den großartigsten Song aller Zeiten“. Der Song wird oft als Inspiration für den Beatles -Revolver -Track „Here, There, and Everywhere“ sowie für andere Songs von McCartney genannt. Das Album PET SOUNDS ist zweifelsfrei eines der besten der jüngeren Musikgeschichte.

Sam Lowry / 12.06.2025

Oh je, jetzt habe die mit den Bee Gees verwechselt… Schande über mein Haupt…

Sam Lowry / 12.06.2025

Noch zur Info: ” In der Komödie “Eine Uni voller Affen” von 1964 singen die Beach Boys (Brian Wilson ist der 3. v. l.)  zusammen mit der Hauptdarstellerin Annette Funicello den Titelsong. Er war der kreative Kopf der Beach Boys und schuf unvergessliche Sommer-Hymnen. Brian Wilson machte Popmusik zur Kunst. Brian Wilson stand nie auf einem Surfbrett – ein Detail, das immer wieder über ihn geschrieben wurde in den vielen Jahren seiner Karriere seit den frühen 1960er-Jahren. In das Lebensgefühl hineindenken und daraus Songs machen, die zu Hymnen dieses Sports wurden, das schaffte er mit seiner Band The Beach Boys dennoch problemlos – “Surfin’ USA”, “Surfer Girl”, “Catch a wave”. 1942 kam Wilson im kalifornischen Inglewood als ältester von drei Söhnen zur Welt. Mit seinen Brüdern Dennis und Carl wuchs er in einem Vorort von Los Angeles auf. Später gründete er mit den beiden die Beach Boys. Nach einem Unfall in der Kindheit, den Wilson später in seiner Autobiografie beschrieb, war er auf dem rechten Ohr taub – was nichts an seinem musikalischen Genie änderte. Brian Wilson Mastermind der Beach Boys Brian Wilson erlebte nicht nur “Fun, Fun, Fun”, doch er kämpfte sich zurück. Brian Wilson war ein Visionär, bis heute beeinflusst sein Schaffen die Popmusik. Das Beach-Boys-Album “Pet Sounds” gilt als eines der einflussreichsten der Musikgeschichte, es prägte unter anderem die Beatles.” (keine Ahnung, wer das von wem oder wo kopiert und nochmals beim STERN ins Net geschmiert hat)

L. Luhmann / 12.06.2025

Manche der Lieder der Beach Boys sind doch so sehr nett, dass man sie gar nicht nicht mögen kann. Und wenn man sie sich anhört, dann muss man doch einfach an Sommer, Sonne und Beach denken ...!———> Wer weiß, wie viele schöne Sommer wir noch erleben werden? Der Islam wird uns jedenfalls alles, alles, alles, was schön und gut ist, kaputtmachen!

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