Von Sebastian Biehl.
In Südafrika ist „loadshedding“ oder „beurtkrag“ schon ein geflügeltes Wort. Es bedeutet, dass es nicht genug Strom für alle gibt und deswegen jeder Haushalt (und jede Firma) mal eine Weile ohne Strom zurechtkommen muss. Im März war es wieder besonders schlimm, wo auch tagsüber, zur besten Arbeitszeit, stundenlang der Strom ausfiel – und damit natürlich auch die elektronischen Kommunikationsnetzwerke. Der Schaden für die Wirtschaft ist kaum zu ermessen und ist ein weiterer Sargnagel für das ohnehin schon taumelnde Land.
Solche Stromunterbrechungen kennt man eigentlich aus Ländern der Dritten Welt, vor allem aus sozialistischen Staaten wie Kuba, Zimbabwe oder Venezuela . Es ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, das Eskom eine Topfirma war, als der ANC Südafrika übernahm. Eskom ist der zentrale, staatliche Stromversorger, und Südafrika produzierte mehr Strom als der Rest von Afrika zusammen und führte diesen aus. Eskom-Strom war auch mit der billigste weltweit und befeuerte das kleine Wirtschaftswunder in den späten 1990er Jahren.
Eskom wurde eines des ersten Opfer des ANC-Kaderbeschäftigungssystems. Leute, die politisch einflussreich waren, wurden zu Direktoren und Abteilungsleitern von Eskom, ohne Erfahrung von der Wirtschaft, ganz zu schweigen von der Elektrizitätsversorgung. Bis auf die unterste Ebene wurde Eskom transformiert, das heißt, weiße Techniker und Verwaltungsangestellte wurden durch Schwarze ersetzt. Da Eskom von Anfang an eine Staatsfirma war, war dies recht einfach. Die Milliarden innerhalb Eskoms wurden nun gnadenlos verteilt: fette Einkommen, Bonusse ohne Gegenleistung, luxuriöse Betriebsfeiern und „work shops“, bei denen alles andere als gearbeitet wurde, Vollversorgung der Angestellten und dergleichen.
Da die ANC-nahen Gewerkschaften sehr stark innerhalb von Eskom organisiert sind, gab es auch niemanden, der Interesse am Sparen und Investieren hatte. Es wurde so gut wie nichts am Stromangebot getan, wogegen die Nachfrage durch gratis Häuser und Strom für die Armen (wovon viele aus afrikanischen Nachbarländern kommen) gewaltig stieg. Schulden von Gemeiden wurden wegen des politischen Zündstoffs, den Demonstrationen bieten, nicht eingetrieben.
Auf gute alte sozialistische Art keine Konkurrenz
Eskoms Probleme sind nicht neu. Schon Anfang der 2000er Jahre gab es Probleme mit nicht-funktionierenden Kraftwerken. Wie immer wurde die Schuld auf Andere geschoben, üblicherweise das „alte Regime“, das nicht genug getan hätte für die Stromversorgung der Armen. Es wurde von der ANC-Regierung kaum etwas getan, um die Probleme anzusprechen, etwa durch den Bau neuer Kraftwerke, Einsparungen, Eintreibung der Schuden, Instandhaltung und stärkere Förderung von individuellen Stromanbietern. Der privat generierte Solarstrom bietet im Sonnenland Südafrika riesige Möglichkeiten, wird aber kaum gefördert. Auch eine Privatisierung von Eskom wäre eine Lösung gewesen. Aber im Gegenteil, der Staat will auf gute alte sozialistische Art bloß keine Konkurenz haben.
Die Regierung versprach immer wieder Besserung und tat hier und da etwas Halbes. 2014, zur Regierungszeit Jacob Zumas, wurde der damalige Vizepräsident Cyril Ramaphosa beauftragt, sich um Eskom zu kümmern. Wenig ist passiert, wie die heutigen Probleme zeigen. Auf gebräuchliche ANC-Art macht Ramaphosa sein Versagen und das des ANC zu „einer Herausforderung für uns alle und etwas, das wir alle zusammen lösen müssen“, so als ob der Verbraucher schuld ist, weil er regelmäßig Strom verbraucht und seine Rechung pünktlich bezahlt.
Es gehört zum Standardrepertoire des ANC, dass alle hausgemachten Probleme zu so etwas wie Naturkatastrophen erklärt werden (oder etwas, was eigentlich die Schuld der weißen Regierung ist), wo dann alle brüderlich zusamenstehen und sich helfen müssen. Ein Eingeständnis des eigenen Versäumens kommt so gut wie nie vor. Der Geist von „Nation building“ und „Ubuntu“ kommt immer noch bei den ANC-Anhängern an. Meinungsumfragen zur Wahl im Mai zeigen, das der ANC kaum für seine zahlreichen Fehler und Versäumnisse verantwortlich gemacht wird. Es ist auch Teil der schwarzen Kultur, nicht Individuen, sondern „Systeme“ und „Strukturen“, die man kollektiv bekämpft, für alles verantwortlich zu machen.
Sebastian Biehl lebt in Südafrika