Volker Seitz / 27.09.2019 / 10:00 / Foto: Pixabay / 20 / Seite ausdrucken

Südafrika: Rassismus unter Afrikanern?

In der Printausgabe der Schweizer Wochenzeitung Weltwoche ist am Donnerstag, den 26. September 2019 ein bemerkenswerter Artikel über die Rassenspannungen in Südafrika und Ausschreitungen zwischen lokalen Südafrikanern und eingewanderten Afrikanern erschienen. Wolfgang Drechsler lebt seit 1985 in Südafrika. Hier einige wenige Auszüge aus seinem Artikel „Schwarz gegen Schwarz“: 

Die vom Westen gepriesene Rassenharmonie in Südafrika entpuppt sich als trügerischer Versöhnungskitsch aus der Mandela-Ära. Brutal wenden sich Arme am Kap nun gegen Zuwanderer aus dem übrigen Kontinent. Befeuert von einer entgleisten Politik wächst der Hass auf die Brüder und Schwestern aus Afrika ...

Die Gewaltausbrüche sind auf den ersten Blick schwer zu verstehen, weil Nelson Mandela, der grosse Versöhner des Landes, zeitlebens Farbenblindheit und ein friedliches Miteinander postuliert hatte, um den am Kap lange auch gesetzlich verankerten Rassismus zu überwinden. Spätestens mit den Pogromen im Mai 2008 wurde jedoch deutlich, dass die jahrelang vom Westen gepriesene Rassenharmonie am Kap wenig mehr als trügerischer Versöhnungskitsch war – und sehr stark mit der Ausnahmegestalt Mandela zu tun hatte ...

Rassismus unter Afrikanern? Das ist für viele Europäer schwer vorstellbar. Schwarze werden dort bis heute gewohnheitsbedingt ausschließlich als Opfer und Statisten gesehen ...

Moral braucht keine Argumente

Vielen Afrikanern geht es heute schlechter als vor der Unabhängigkeit und daran sind nicht etwa die Nachfahren der Kolonialherren schuld, sondern Regierungen, die große Teile der eigenen (schwarzen) Bevölkerung durch Korruption oder Misswirtschaft in noch grössere Armut gestürzt haben. Um von den eigenen Verfehlungen abzulenken, werden nun die erfolgreichen Minderheiten, egal ob schwarz oder weiss, in die Schusslinie gerückt. Denn nirgends ist die Kluft zwischen Arm und Reich so gross wie in Afrika. Und nirgendwo sonst auf der Welt lässt sich der Wohlstand so leicht an der anderen Hautfarbe beziehungsweise der Physiognomie des Anderen ablesen."

Ich empfehle die Lektüre des Artikels (die Wochenzeitung ist üblicherweise in Deutschland am Freitag oder Samstag in den Bahnhofsbuchhandlungen erhältlich), weil deutsche Medien in einer anderen Wirklichkeit als ihre Leser und Hörer leben. Deshalb könnte dieser Text vermutlich wie leider immer öfter nicht in deutschen Zeitungen erscheinen. Die Schweizer Medien werden zum "Westfernsehen". Die politische Auseinandersetzung wird durch die Einforderung von moralischen Bewertungen und Gefühlen wie Schuldbewusstsein ersetzt oder verhindert. Die Moralisierung der Afrikapolitik hat große Vorteile, sie erspart die Auseinandersetzung. Wer sich auf der Seite des Guten wähnt, muss nicht mehr argumentieren. Es genügt, sich über diejenigen zu entrüsten, die sich dem Guten widersetzen. Aber spätestens beim Einsatz massiver Gewalt gegen Fremde wird eine Grenze überschritten, die dann nicht mehr mit der gewöhnlichen menschlichen Skepsis gegenüber allem Fremden erklärbar ist. Es triumphiert in Deutschland der politische Geist der Naivität, der Vertrauensseligkeit sowie der Apathie und des Desinteresses an den realen politischen Verhältnissen in den meisten afrikanischen Staaten.

Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“. Die aktualisierte und erweiterte Taschenbuchausgabe erschien im September 2018. Die insgesamt 9. und 10. Auflage folgte 2019. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Foto: Pixabay

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Walter Stein / 27.09.2019

Um der deutschen Presse einigermaßen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: über genau dieses Problem kam letztens was beim Deutschlandfunk.

Heinz Lucht / 27.09.2019

Ich war 1971 am Kap und 1986 in Johannesburg. In den Bergbauregionen war ein scharf geschliffener Spaten als Argumentationshilfe durchaus ueblich. Er wurde gegen die aus den noerdlichen Nachbarstaaten einwandernden Arbeitskonkurrenten und auch gegen schon laenger dort lebende Angehoerige anderer Bevoelkerungsgruppen eingesetzt. Gummistiefel, zum Schutz der Fuesse und Unterschenkel, wiesen darauf hin, dass man sich im “Arbeitskampf ” befand. Und heute? Es braucht keinen Blick in die Kristallkugel. Die Aera Nelson Mandela war ein Zwischenspiel nach der Apartheit, und dieses schoene Land ist dem Verfall preisgegeben. Wie viele andere afrikanische Laender auch, hatten sie die Chance und haben sie nicht nutzen koennen. Ich warte auf den Moment, wo Frau Merkel und die Gutmenschen Zulu, Xhosa, Sotho - um nur einige Ethnien zu nennen - ” Klimafluechtlinge ” aus Suedafrika begruessen koennen.  

Wolfgang Kaufmann / 27.09.2019

Erstens dürfen wir keinen Generalverdacht hegen. Zweitens sind immer die weißen Männer schuld. – Es genügt also weiblich oder nichtweiß zu sein, um unantastbar zu sein. Am besten beides, so wie Fauxcahontas oder The Squad.

Frank Stricker / 27.09.2019

Die stereotype Berichterstattung über Hautfarbe in den deutschen Medien ,Schwarz ist immer Opfer und auf der richtigen Seite , Weiß ist immer böse und meistens noch Rassist. Das auch Schwarze ein rassistisches Verhalten an den Tag legen können, das haben unsere GEZ-Empfänger noch nicht begriffen , bzw. paßt nicht in ihr eindimensionales Weltbild. Kann sich jemand ernsthaft vorstellen , dass Claus Kleber mit Tränen in den Augen (wie beim Flüchtlings-Busfahrer) auf die Morde an weißen Farmern durch einen schwarzen Mob hinweisen würde ? Eher würde Claudia Roth zur Wahl der AFD aufrufen………...

Stefan Hofmeister / 27.09.2019

Nur mal so aus dem Nähkästchen geplaudert: Ich habe höchstpersönlich krassesten Rassismus unter Asiaten erlebt und auch mir selbst gegenüber als Europäer. Für mich hieß es dann: Aufstehen, Krönchen richten, weitermachen. Mitunter deswegen sind mir die Reaktionen der ganzen Snowflakes allein auf die Frage z. B., woher man denn stamme, völlig unverständlich. Für mich ist das “Fishing for Racism”.

Robert Jankowski / 27.09.2019

Die Forderung an die Entwicklungspolitik muss in einer kompletten Abkehr von der Stammespolitik liegen. Staaten, die weiter die korrupten Tribe System pflegen müssen in Gänze von den Geldhähnen ausgeschlossen werden. Entwicklungspolitik darf nur nachhaltig und langfristig angelegt sein. Zumindest hier hat Obama mal ein halbwegs richtiges Zeichen gesetzt, indem er Ghana als ersten afrikanischen Staat besucht hat. Die älteste und halbwegs funktionierende Demokratie Afrikas. Wieso wird dort von Deutschland und der EU keine stärkere Förderung betrieben?!?!

Rolf Mainz / 27.09.2019

Vorbehalte gegenüber anderen Ethnien sind weltweit sehr stark verbreitet, sogar die Regel - auch wenn dies bestimmten westeuropäischen und nordamerikanischen Ideologen unbekannt zu sein scheint, sofern sie diese Erkenntnis nicht sogar bewusst verdrängen. Mancher sogenannte Experte diesbezüglich würde sich wundern, wenn er/sie denn einmal den heimischen Elfenbeinturm verliessen (aber Vorsicht: CO2-relevant!) und sich international vor Ort umhörten. Aber solange hierzulande weiterhin stattdessen an den “edlen Wilden” geglaubt wird, dürfte die Chance auf betreffenden Erkenntnisgewinn minimal sein. Ist ja auch viel bequemer so, denn ansonsten könnten womöglich unangenehme Fragen aufkommen, deren Beantwortung so gar nicht in das rosarote (gern auch “bunt” oder “grün” dekorierte) Denkschema passen würden.

Wilfried Cremer / 27.09.2019

Schön, dass es die Schweiz gibt. Nur da ist auch nicht alles Rösti, was in der Pfanne glänzt. Die robusten Merkelkerle nagen jede Grenze löchrig, wie - ach, es gibt so viele Käsesorten.

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