Chaim Noll / 20.01.2024 / 06:00 / Foto: Achgut.com / 46 / Seite ausdrucken

Südafrika-Klage gegen Israel: Wer im Glashaus sitzt…

Vor dem Hintergrund des massenhaften Mordens im eigenen Land ist die Klage Südafrikas vor dem Gerichtshof in Den Haag nichts als eine Farce.

Für viele ist Südafrika heilig. Eine Bastion schwer errungener Gerechtigkeit, ein Symbol des Fortschritts. Seit dort 1994 ein Regime weißer alter Männer gestürzt und die junge, bunte Republik des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) errichtet wurde, ließ allein die Nennung dieses Landes jedes linke Herz in der Welt höher schlagen. Die „Apartheid“-Politik der weißen Minderheit des Landes war ohne Frage unmenschlich, doch wie menschlich ist das Land heute, wie gerecht, demokratisch und progressiv nach rund drei Jahrzehnten Herrschaft des ANC?

Neuerdings beklagen gerade Medien, die sich als links verstehen, dass sich Südafrika ganz anders entwickelt hätte als erhofft, dass die „Regenbogennation“, wie Desmond Tutu sie nannte, durch Korruption und Kriminalität, durch Gewalt und Bandenkämpfe zerrüttet sei, und nun anstelle einer bornierten, auf Rassen-Segregation setzenden weißen Oberschicht eine ausbeuterische, ebenso unmenschliche schwarze Oberschicht das Land beherrsche.

Das Schicksal der bitterarmen schwarzen Mehrheit gilt nach wie vor als hoffnungslos. „Wie Südafrika kaputtgeht“, titelte etwa das deutsche Magazin Spiegel am 2.9.2023. Um dann festzustellen: „Seit dem Sieg über die Apartheid hofften die Menschen auf ein besseres Leben. Doch der dauerregierende ANC, die einstige Partei der Befreier, hat das Land drei Jahrzehnte lang systematisch heruntergewirtschaftet.“

Ebenso deprimierend sind die Berichte in der linken Berliner Tageszeitung taz. Dort wird der Polizeiminister Südafrikas zitiert: „‚Südafrika ist brutal und gefährlich für Frauen und Kinder.‘ Er spricht über die jüngste Kriminalstatistik: In nur drei Monaten, von April bis Juni (2022) sind 855 Frauen und 243 Kinder getötet worden.“ (Lutz van Dijk, taz, 30.10.2022) Ein, zwei Jahrzehnte lang ließ sich die Misere des Landes noch als „Erbe der Apartheid“ verkaufen und alle Schuld den Weißen zuschieben.

Die höchste Mordrate der Welt

Heute geht die Gewalt zu einem nicht unerheblichen Teil vom regierenden ANC selbst aus, der unliebsame Zeugen und Whistleblower seiner unzähligen Korruptionsskandale durch Killer-Kommandos beseitigen lässt. Im kürzlich erschienenen Buch des südafrikanischen Autors Mpumelelo Mkhabela The Enemy Within werden Verbrechen führender Politiker des ANC aufgezählt wie “theft, abuse of power, robbing of the elderly, and even murder” (Seite 63) Mehr noch: „Anyone who threatens to expose tender corruption risks being eliminated by hired hitmen.“ (Seite 67) 

Dazu kommt die unvorstellbare Gewalt in den Townships, den Siedlungen der Armen. An ihrer Lage hat sich seit Ende der Apartheid wenig geändert: Unter den 15- bis 24- Jährigen liegt die Arbeitslosigkeit landesweit bei 64 Prozent, in Townships und armen ländlichen Gebieten bei bis zu 85 Prozent.“ (taz, 30.10.2022) Die Generation der „Born Free“, der nach 1994 Geborenen, habe so gut wie „keine Perspektive“, stellte das Magazin Spiegel am 16.8. 2020 fest. 

Inzwischen hat Südafrika die höchste Mordrate der Welt, noch vor den südamerikanischen Drogenländern: „Die Zahl der „polizeilich erfassten Morde in Südafrika in den Jahren von 2006 bis 2022 gestiegen, allein im letzten Jahr nochmal um über 20%“ (von 19 000 auf 25 000)“. Nach der Statistik der UN sind es sogar 27.700 Opfer von „Tötungsdelikten“, mit der Mordrate von 46,6 pro 100.000 Einwohner, in dieser Statistik der zweithöchsten in der Welt (nach Jamaica). Selbst eine die Lage eher beschönigende Touristik-Website wie Kapstadt.de/reise muss eingestehen: „Das Land hat eine der höchsten Verbrechensraten weltweit (…) Nach einer Studie der Vereinten Nationen für die Jahre 1998 – 2000 ist Südafrika trauriger Spitzenreiter in den Bereichen Mord durch Feuerwaffen, Totschlag, Vergewaltigung und Körperverletzung.“ 

„Schattenpandemie von Gewalt gegen Frauen und Kinder“

Dabei handelt es sich nur um die Zahl der „polizeilich erfassten“ Verbrechen. Die südafrikanische Ministerin für Frauen, Jugend und Behinderte, Maite Nkoana-Mashabane, deutet an, dass dahinter eine weitaus größere Dunkelziffer steht. Sie „nennt diese Zahlen „die Spitze des Eisbergs. Noch viel mehr Menschen würden unbemerkt leiden. ‚Wir sind mit einer Schattenpandemie von Gewalt gegen Frauen und Kinder konfrontiert‘.“ (taz, 9.6.2022)

Diese Zahlen übertreffen deutlich die von der Hamas-geführten Gesundheitsbehörde in Gaza angegebene Zahl der Todesopfer im jetzigen Krieg von etwa 22.000 (eine Zahl, die, obwohl nicht nachprüfbar und aller Erfahrung nach falsch, von den Medien der westlichen Welt in seltsamer Naivität übernommen wird – der italienische Korrespondent Lorenzo Cremonesi, ein eher Israel-kritischer Journalist, hatte im Gaza-Krieg 2012 eigene Recherchen in den Krankhäusern Gazas angestellt und war auf nur halb so viele Opfer gekommen wie von der Hamas-Behörde angegeben).

Nie war die Brutalität vor allem gegenüber Frauen und Kindern in Südafrika so hoch wie heute“, schrieb die Berliner taz am 9.6.2022 über das alltägliche Morden und die Gewalt gegenüber Schwächeren. „Morde an Frauen haben gegenüber 2021 um 70,5 Prozent zugenommen, an Kindern um 37,2 Prozent. Meist sind Familienstreits, selbsternannte Wachdienste, Racheakte und Raub die Gründe. Getötet wird auf Brachflächen, in Hütten, an Bars und Bushaltestellen.“ 

Man könnte also die südafrikanische ANC-Regierung mit Fug und Recht vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag des Genozids anklagen, des Genozids an der eigenen Bevölkerung. Ein solches Land, sollte man meinen, beschäftigt sich besser mit seinen eigenen Problemen, bemüht sich um Eindämmung seiner Gewalttätigkeit, um Aufklärung der eigenen Verbrechen. Um den Aufbau einer eigenen Wirtschaft, damit es eines Tages mehr sein kann als Billigland und Rohstofflieferant für das unersättliche China, das sich dort, wie auch anderswo, immer fester einnistet. 

Klage gegen Israel wegen Völkermordes

Doch das ruinöse südafrikanische Regime tritt stattdessen in internationalen Gremien als Ankläger auf. Während meiner Zeit in der internationalen Schriftstellervereinigung PEN (ich war von 2004 bis 2008 Sekretär eines PEN-Zentrums) habe ich erlebt, wie routiniert die südafrikanische Delegation dort als moralische Instanz in Erscheinung trat. Keine Delegation trat so selbstgerecht auf, so überzeugt von ihrem Recht, andere der Unmenschlichkeit zu beschuldigen. So wie dieser Tage, da das ANC-Regime vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag Klage gegen Israel wegen Völkermordes erhebt.

Der grandiose Auftritt gründet sich auf den moralischen Kredit, den der ANC einst als „Partei der Befreier“ im Kampf gegen die Apartheid genossen hat. Dieser Kredit ist längst verspielt. Wer im Glashaus sitzt, sagt ein altes Sprichwort, soll nicht mit Steinen werfen. Vor dem Hintergrund des massenhaften Mordens im eigenen Land ist die Klage Südafrikas vor dem Gerichtshof in Den Haag nichts als eine Farce.

 

Chaim Noll wurde 1954 unter dem Namen Hans Noll in Ostberlin geboren. Seit 1995 lebt er in Israel, in der Wüste Negev. Chaim Noll unterrichtet neben seiner schriftstellerischen Tätigkeit an der Universität Be’er Sheva und reist regelmäßig zu Lesungen und Vorträgen nach Deutschland. In der Achgut-Edition ist von ihm erschienenDer Rufer aus der Wüste – Wie 16 Merkel-Jahre Deutschland ramponiert haben. Eine Ansage aus dem Exil in Israel“.

 

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Markus Viktor / 20.01.2024

@Afid Golman: wieso schickt Israel dann in dieser Causa einen Richter an den ICC? Statista (kennzahlen-zum-internationalen-strafgerichtshof-in-den-haag 03.01.2024) “Gemäß des Statuts darf der Internationale Strafgerichtshof bei den folgenden Verbrechen ermitteln: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und das Verbrechen der Aggression. In solchen Fällen darf der ICC über Individuen, nicht aber über Staaten richten. Viele Staaten erkennen den UN-Strafgerichtshof jedoch nicht an, darunter Israel, Russland, China, Indien und die USA.” Trotzdem hat der IGH einen Haftbefehl gegen Putin erlassen, mit gewissen Folgen für seine Reisen in andere Länder.

Birgit Hofmann / 20.01.2024

Etwas anderes, und somit offtopic : Wie geht es ihrer Familie und Freunden in Israel, werter Herr Noll ? Vielleicht mal ein kleiner Artikel darüber ?

Angela Voß / 20.01.2024

@Hans-Peter Dollhopf: “Die Weltunordnung spiegelt nicht göttliche Vernunft, entspricht aber deren Absicht.” > Nur ein Satz. So trefflich, so wahr. Danke! Und ich möchte noch ein AMEN anschließen, denn die Gemeinde Jesu Christi weiß bereits durch die Heilige Schrift, was auf sie und die ganze Menschheit zukommt. Dieses ganze Durcheinander und Falsche ist Bestandteil des Heilsplans Gottes, so paradox es jedem noch unerlösten Mitmenschen auch erscheinen mag. Sogar das von Pontius Pilatus über Jesus Christus gesprochene weltliche Todesurteil ist so zu verstehen (Luther 1912: Joh. 19 (11) Jesus antwortete: Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht wäre von obenherab gegeben;)

Josef Katz / 20.01.2024

Die Berichterstattung in deutschen Medien, aber nicht nur in deutschen, über Südafrika, war schon immer völlig einseitig links und tendenziell. Viele Aspekte hat man überhaupt nicht zur Kenntnis genommen und sie schlichtweg verschwiegen. So zum Beispiel die Rolle der Inder in Südafrika. Sie haben das gleiche Niveau in Bildung und Wirtschaft wie die weißen, das wird aber nicht gewürdigt, weil es nicht in das linke ideologische Narrativ passt. Genauso wurde nie berichtet, dass Millionen von schwarzen Afrikanern nach Südafrika emigriert sind, um dort Arbeit zu finden und das unter dem so genannten Apartheidsregime. Das führte zu Spannungen Zwischen den verschiedenen schwarzen Ethnien und schuld waren natürlich die weißen. Ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung in Südafrika hat einen Zweit Wohnsitz in Tel Aviv oder Jerusalem, um im Falle eines noch rabiateren Antisemitismus ein sicheres zu Hause zu haben. Ich selbst kenne deren doch einige Personen und Familien. Die Medien, von wenigen Ausnahmen abgesehen zeichnen uns ein Bild von Südafrika, das der Wirklichkeit nicht entspricht. Die derzeitige Regierung ist extrem korrupt, voller Hass gegen alle nicht weißen Ethnien, darunter auch die Inder und Malayen , wenn man all diese Ethnien vertreibt oder gar umbringt, dann wird aus Südafrika das neue Simbabwe. Einen Robert Mugabe wird man schon finden und er wird von den Europäern und den USA nicht getadelt werden. Weder Südafrika noch der Rest des Kontinents werden unter rassistisch schwarzen Regierungen eine nennenswerte Zukunft haben. Ian Smith hat das schon vor Jahrzehnten vorausgesagt und ist deshalb von den Linken und ihren Medien dem Nationalsozialismus zugeordnet worden. Lieber Herr Noll, ihr Artikel ist großartig, aber er wird nur wenig bewirken. Sehr schade.

A. Kaltenhauser / 20.01.2024

Aber, aber, Herr Noll! Sie meinen mit Südafrika doch nicht etwa den “Bacon of Hope” unserer AußenMini (360 Grad, 100.000e Km entfernt)? Hätte die Trampolinspringerin ihre Make-Up Artisten gefragt, könnten die ihr womöglich erklärt, dass in Südafrika Rassismus nicht nur gegen weiße Farmer, sondern auch Ausländerfeindlichkeit gegen “overstayer” aus Anrainerstaaten, oft mit dem plötzlichen Ableben derselben endet. Allerdings betreibt man dort auch eine offene, erfolgreiche Remigration in bedeutender Größenordnung und redet nicht verschwörerisch in (Wannsee-)Konferenzen darüber! Die kleptomanen ANC Mitglieder (ebenso wenig Befreier, wie die Palästineser Flüchtlinge) und ihre Nutznießer werden das Land noch soweit in den Abgrund stürzen, bis letztendlich ein Simbabwe 2.0 entsteht. Keine aparte Vorstellung.

Chris Kuhn / 20.01.2024

Tja, zur Apartheidszeit waren die Beziehungen halt besser. Man war sogar dabei, Kernwaffen-Knowhow zu teilen.

Bettina Landmesser / 20.01.2024

Süd Afrika war schon 1992 ein Hort des Verbrechens. Da gab es die ANC-Regierung noch gar nicht. Ich reiste dort privat durchs Land und ich war froh, als ich wieder im Flieger saß, lebend. Schöne Landschaft, schöne Naturschutzgebiete und Safaris, aber die Unsicherheit reiste einfach immer mit.

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