Man soll sich mit der Obrigkeit nicht anlegen und – wenn es dem Miteinander dient – ruhig dummes, unverdautes Zeug labern, damit die Hand, die einen füttert, sich nicht in eine Faust verwandelt, die einen Mores lehrt.
Nach den Beiträgen über No-Go-Areas in Stuttgart, die Juden "vermeiden" sollten, obwohl es sie nicht gibt – siehe hier und hier – bekamen wir Anfragen von Lesern, die wissen wollten, was in der Stuttgarter jüdischen Gemeinde los wäre, warum man dort das Offensichtliche nicht sehen will und die Wirklichkeit leugnet. Wir können uns darauf auch keinen Reim machenn. Eine mögliche Erklärung wäre das Klima in Stuttgart. Die Stadt liegt in einer Senke, in der die Luft buchstäblich "steht" und die Smog-Werte, vor allem im Sommer, zu den höchsten bundesweit gehören. Weswegen Menschen mit Atemwegsproblemen geraten wird, Reisen in die Stadt zu vermeiden.
Ein Leser der Achse, der sich an die Leitung der jüdischen Gemeinde mit der Bitte gewandt hatte, ihm zu erklären, warum sie den Eindruck vermittelt, dass es keine Gefahr gebe, während sie auf ihrer Homepage und per Info informiert, dass man bestimmte Bereiche anl. Kundgebungen meiden soll, schickte uns die Antwort des Vorstandsreferenten, Herrn Neuberger. Wir geben sie im Original wieder:
Herzlichen Dank für Ihre Nachfrage. Es ist klar, dass anti-israelische Demon-strationen mitunter hoch emotionalisiert sind und unsere Mitglieder wissen mit der Problematik umzugehen und es gehört (leider) zur jüdischen Exis-tenz hinzu, sich immer wieder die Frage zu stellen, ob es sicher ist, sich als jüdisch zu erkennen zu geben, oder eher nicht.
In Stuttgart finden als Landeshauptstadt Baden-Württembergs jedoch überproportional viele Kundgebungen statt. Daher veröffentlichen wir ja möglichst präzise Infos, wann / wo Demos stattfinden. Damit erreichen wir grundsätzlich Erwartungssicherheit: Die Leute wissen, wann / wo eine Demo stattfindet und können – wenn sie wollen – einfach einen Bogen darum machen. Das trägt nach unserer Erfahrung positiv zum Sicherheits-gefühl bei. Von „No-Go-Areas“ kann aber sicher nicht die Rede sein.
Die aktuelle Berichterstattung fußt auf einem Schmarrn, der auf einem neu-rechten Blog veröffentlicht wurde. Daher ist uns wichtig, dass unsere Mit-glieder verstehen, dass diese eher den Erkenntnisprozess in einer Redak-tion widerspiegelt, sich an der tatsächlichen Sicherheitslage jedoch nichts geändert hat.
Ich hoffe, dass Ihnen diese Auskunft weiterhilft und verbleibe
mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für ein
gutes, gesundes und gesegnetes 2025!
Was soll man dazu sagen? Im Englischen gibt es dafür den schönen Ausdruck "Dhimmitude". Die Übersetzung ist etwas länger. "Es ist leichter, einen Juden aus dem Ghetto zu holen als das Ghetto aus dem Juden." Man soll sich mit der Obrigkeit nicht anlegen und – wenn es dem Miteinander dient – ruhig dummes, unverdautes Zeug labern, damit die Hand, die einen füttert, sich nicht in eine Faust verwandelt, die einen Mores lehrt.
Und so warten wir gespannt auf die nächste Info des Vorstandsreferenten, Herrn Neuberger, mit der Empfehlung an die Gemeindemitglieder, bestimmte Bereiche der Innenstadt zu vermeiden, verbunden mit der Versicherung, dass es keine No-Go-Areas für Juden gibt. Logisch ist das nicht, aber unter den gegebenen Umständen durchaus hilfreich.
Henryk M. Broder ist einer Der Herausgeber von Achgut.com