Beeinflussen falsche Nachrichten in sozialen Netzwerken, wen Menschen wählen? Nach der US-Präsidentschaftswahl 2016 entspann sich eine zuweilen schrille Debatte um sogenannte „Fake News“. Deutsche Politiker überboten sich mit autoritär anmutenden Vorschlägen wie einem staatlichen „Abwehrzentrum gegen Desinformation“ oder einer Quote für die Verbreitung öffentlich-rechtlicher Inhalte. Mittlerweile deuten jedoch mehrere Studien auf eine eher geringe Wirkung bewusst verbreiteter Lügengeschichten hin.
2017 kam eine Studie der Stanford-Ökonomen Hunt Allcott und Matthew Gentzkow zu dem Schluss, dass Amerikaner im Vorfeld der Trump-Wahl im Schnitt drei gefälschte Meldungen gelesen hatten, wovon nur 1,14 langfristig in Erinnerung blieben. Laut einer ähnlichen, 2018 veröffentlichten Analyse der Politologen Andrew Guess, Brendan Nyhan und Jason Reifler wurden 60 Prozent der Besuche auf „Fake-News“-Seiten von den zehn Prozent der Nutzer mit den konservativsten News-Präferenzen getätigt, also von Menschen, die bereits in ihren politischen Ansichten gefestigt waren.
Eine aktuelle amerikanische Studie weckt nun weitere Zweifel an der Erzählung vom Wähler als „Fake-News“-Opfer. Das Team von Grinberg et al. wählte für seine Analyse 16.000 Twitter-Konten aus, die zwischen August und Dezember 2016 aktiv waren und wahlberechtigten US-Bürgern zugeordnet werden konnten. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Falschmeldungen sechs Prozent des Nachrichtenkonsums auf Twitter ausmachten. „Fake-News“-Seiten wurden jedoch insgesamt nur von einem sehr kleinen Anteil der Nutzer verlinkt und gelesen: 0,1 Prozent der Twitterer posteten fast 80 Prozent der falschen Nachrichten, und nur ein Prozent der Nutzer konsumierte fast 80 Prozent aller „Fake-News“-Quellen.