Manfred Haferburg / 12.09.2020 / 06:15 / Foto: Rene Schwietzke / 117 / Seite ausdrucken

Strompreis verdoppelt, Zukunft verbaut

In der DDR galt: „Überholen ohne einzuholen“. Die DDR wollte den Westen in einer Art Hase-und-Igel-Spiel überholen, ohne auch nur die geringste Chance zu haben, den westlichen Lebensstandard zu erreichen. 

Für die Energiewende gilt heute etwas Ähnliches, nämlich „Aussteigen ohne einzusteigen“. Die Energiewender schalten auf Teufel komm raus grundlastfähige Kraftwerke ab, ohne eine belastbare Ahnung davon zu haben, wie diese ersetzt werden sollen. Die MINT-Abwähler der Medien jubeln den Lesern eine Wunderwaffe nach der anderen zur Rettung der Energiewende unter, je skurriler, desto enthusiastischer. Ob Wasserstoffwirtschaft oder Batteriespeicher, ob Solarschusterkugeln oder Raschelfassaden, nichts von dem Angepriesenen funktioniert wirtschaftlich – Schilda lässt grüßen.

Trotzdem wird munter weiter ausgestiegen, aus Kernenergie und Fossilenergie gleichzeitig. Wie sagte Altmaier doch sehr richtig? Wir machen eine doppelte Wende.

Im Jahre 2022 werden die letzten Kernkraftwerke vom Netz gehen. Wir haben jetzt gemeinsam beschlossen, dass wir bis spätestens 2038, vielleicht schon bis 2035, ebenfalls aus der Kohleverstromung aussteigen. Auch das macht kein anderes vergleichbares Industrieland“. 

Stimmt. Altmaier hat auf sämtlichen Fahrspuren gewendet. Nun kommen hunderte Geisterfahrer entgegen.

Der Faden ist nicht nur gerissen

Wer ist der größte Nutznießer der verhunzten Energiewende? Sie werden es nicht glauben – es sind Putin und der russische Konzern Gazprom. Da es bis 2038 keine bezahlbaren großtechnischen Energiespeicher geben wird, setzt die deutsche Regierung darauf, die abgeschalteten Kern- und Kohlekraftwerke sukzessive durch staatlich gebaute Gaskraftwerke zu ersetzen. Und woher kommt das Gas für die Gaskraftwerke? Wer ist der Eigentümer der größten Gasspeicher in Deutschland? Bingo. Dass sich Angela Merkel mit der Gasleitung Nordstream von Putin abhängig macht, den sie gleichzeitig mit Wirtschaftssanktionen behängt, gehört zu den vielen Rätseln der Merkelschen Logik.

Da drängt sich doch die Frage auf, ob Deutschland nicht wieder in die Kernenergie einsteigen könnte? Mehren sich solche Stimmen gar im internationalen grünen Lager. Nicht im Land der Vorreiter und der Guten. Beim Kernenergieausstieg setzt die deutsche Politik umgehend alles daran, den „Fadenriss“ in der Kernenergie herbeizuführen. Ich muss gestehen, dies ist komplett gelungen. Der Faden ist nicht nur gerissen, er ist rückwärts aufgewickelt.

Deutschland, das einst die besten Kernkraftwerke der Welt konstruierte, baute und betrieb, kann heute noch nicht mal mehr die erforderlichen Komponenten bauen, geschweige denn einen Reaktor. Schon vor 2022 hat sich Deutschland für einen längeren Zeitraum von der Kernenergie verabschiedet und sich den Technologien des Mittelalters Wind und Sonne zugewendet. 

Deutschland bietet heute noch nicht einmal mehr die Grundvoraussetzungen, um Kernkraftwerke sicher zu betreiben. Um nämlich Kernkraft sicher betreiben zu können, wird vor allem eines benötigt: Stabilität. Damit meine ich: politische, ökonomische und soziale Stabilität.

Politische Stabilität gibt es schon lange nicht mehr. Die Schieflage fing mit dem politisch motivierten Missbrauch der behördlichen Genehmigungsverfahren an, ich erinnere nur an das Totgenehmigen von Kalkar, ein Vorgang, der als „Kalkarisierung“ in den Sprachgebrauch einging und das Verhindern politisch ungeliebter Projekte durch immer größere bürokratische Hürden meint. Für die Kernenergie war es mit der politischen Stabilität endgültig vorbei, als die Kanzlerin die verfassungswidrige Enteignung von acht Kernkraftwerken im Jahre 2011 verfügte.

Keine Studienrichtungen mehr, keine Lehrstühle und Professoren

Ökonomische Stabilität ist für die Kernenergie im EEG Subventionsgestrüpp nicht mehr gegeben. Die Stromerzeugung aus Kernenergie als Lückenbüßer von Wind und Sonne lohnt sich kaum noch. Die EVUs gehen finanziell am Stock, ein Sparprogramm jagt das andere. Die Versorgeraktienkurse – einst eine sichere Bank – sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. 

Die soziale Stabilität leidet unter dem katastrophalen Image der Kernenergie in der veröffentlichten Meinung. Ein Kollege musste seinen Zweitklässler in eine andere Schule umschulen – ein Lehrer hatte mitbekommen, dass der Vater für die Kernenergie arbeitete und mobbte den Kleinen. Die Mitarbeiter der Kernkraftwerke trauen sich kaum mehr zu erzählen, wo sie arbeiten. In den Chefetagen der Stromwirtschaft hat sich Duckmäusertum breitgemacht. Die Konzernchefs der Energieversorger klingen heutzutage manchmal eher wie Greenpeace-Direktoren.

Und selbst wenn durch ein Wunder der große Meinungswechsel käme, gäbe es für Deutschland keinen kurzen Weg zurück in die Kernenergie. Der Faden ist gerissen und aufgewickelt. 

Es gibt keine Studienrichtungen für Kernenergetiker mehr, keine Lehrstühle und Professoren. Die einstigen Fachleute sind in Rente oder haben das Land verlassen. Viele deutsche Fachleute arbeiten heute in der Schweiz oder in Barakah. Selbst in schwedischen Kernkraftwerken trifft man auf Fachleute aus Deutschland. 

In Deutschland geht in eineinhalb Jahren das letzte Kernkraftwerk vom Netz. Mache sich keiner die Illusion, dass die noch laufenden KKW einfach weiter betrieben werden könnten. Ihre Stilllegung ist geplant und schon weit vorbereitet, was nicht so ohne Weiteres rückgängig gemacht werden kann.

Der Strompreis hat sich verdoppelt

Zerstören ist viel einfacher, als aufzubauen. Das alles, was von Ideologen in 10 Jahren eingerissen wurde, wieder aufzubauen, würde 20 Jahre und mehr dauern. Welcher junge Mensch wäre heute in Deutschland so verrückt, sich eine berufliche Zukunft in der Kernenergie aufbauen zu wollen und dafür im Ausland zu studieren? Welcher Konzernchef wäre so verrückt, die Produktion von Groß-Komponenten für eventuelle Kernkraftwerke zu puschen? Welcher Investor würde in Kraftwerke investieren, die morgen vielleicht schon auf irgendeiner grünen Abschussliste stehen? In den nächsten 20 Jahren wird wohl in Deutschland kein Kernkraftwerk in Betrieb gehen. Vielleicht übernehmen das ja die netten Nachbarn für uns.

Als noch die vielgescholtenen „Strom-Monopolisten“ die Stromkunden „ausplünderten“, betrug der Strompreis 15 Cent/kWh. Heute hat sich der Preis verdoppelt, nämlich auf 30 Cent/kWh – Tendenz steigend. Das ist so, seit die Politik in die Stromversorgung eingegriffen hat. Und am 10. September 2020 hat man folgerichtig eine andere Seite der Energiewende erprobt, die immer fragiler werdende Versorgungssicherheit.

Am „Bundeswarntag“ sollten eigentlich die Sirenen heulen. Die unterschwellige Botschaft: „Bürger, bereitet Euch auf die verheerende Katastrophe eines großflächigen Blackouts besser vor“. Nur waren offenbar leider viele Sirenen auf „vibrieren“ geschaltet, und die App funktionierte nicht richtig. Und so wurde, passend zur Energiewende, auch der Bundeswarntag ein veritabler Flop

Herkömmliche Sirenen haben im Blackout-Fall eher keine Notstromversorgung. Und was würde es auch nützen, wenn der Strom ausfällt, die gesamte Infrastruktur zusammenbricht und irgendwo heult eine Sirene los.

 

Manfred Haferburg ist der Autor des autobiografischen Romans „Wohn-Haft“. Als Schichtleiter im Kernkraftwerk kämpft er gegen Macht und Dummheit der Bonzen. Es macht ihn verdächtig, weil er sich der Einheitsbreipartei verweigert. Hexenprobe der Stasi ist eine erfolglose Anwerbung als Spitzel. Bald steht er auf allen schwarzen Listen seines Heimatlandes. Eine Flucht misslingt und eine Odyssee durch die Gefängnisse des „sozialistischen Lagers“ beginnt. Der Mauerfall rettet ihm das Leben und ein neues Leben in Paris wird aufgebaut, während sich in Deutschland die Spitzel im Bundestag breitmachen und die ehemaligen Genossen sich gegenseitig ums SED-Erbe den Schädel einschlagen. Ein Buch, das den Leser schier atemlos umblättern lässt. (103 Kundenbewertungen, 4,8 von 5 Sternen)

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Dr. Inge Frigge-Hagemann / 12.09.2020

Die ganze sog. Energiewende ist eine Folge der grassierenden Dummheit in diesem Land. Von Physik, Chemie und Mathematik keinen Schimmer, dafür aber groß und aktiv im Sprüche klopfen, Ideologiewahn und Hypermoral. Studiert werden lieber Geschwätzwissenschaften mit anschließender Arbeitslosigkeit. Damit wird es dann keine konkreten Änderungen im Energiebereich geben. Dumm nur, dass der durch das Abschalten von Atom- und Kohlekraftwerken zu erwartende Blackout ALLE trifft, nicht nur die schlauen Verursacher. Offensichtlich gefällt den ‘Energiewendern’ die Vorstellung, ‘gemütlich’ wie im Mittelalter vor sich hin zu leben.

Jean Vernier / 12.09.2020

Mein Versuch, die Fülle an Mosaikstein-Informationen supranational-vergleichend zu ordnen und zusammenzufügen: Z e r s e t z u n g ,  das ist allem Anschein nach der Leitgedanke und die Auswirkung “rot-rot-grün-DDR-geprägter” und (wem ?) “höriger” deutscher Politiker-Tätigkeit. “Umbau” Deutschlands und der deutschen Bevölkerung verschleiert als beschreibender Begriff die Motive und Auswirkungen m. E. . Die dominierende Volkswirtschaft (und Bevölkerung ...) in Europa (seit ...) wird nicht nur geschwächt, sie wird “integriert”/europäisiert (...). Friedliche Nutzung der Kernenergie? Niemals in Dt.!  Rat an Herrn Haferburg: Pferd(e) wechseln.

beat schaller / 12.09.2020

@Leo Hohensee Danke Herr Hohensee. Ihrem Kommentar schliesse ich mich voll und ganz an.  Es braucht wohl wirklich einen grossflächigen und mehrtägigen Blackout um etwas lernen zu können. b.schaller

Hein Noog / 12.09.2020

Erst wenn die Glotze dunkel bleibt raffen einige es viele, dass sie einer grün/schwarz/roten Propaganda auf gesessen sind. Propaganda ist ja dafür da, schwache Geister in die genehme ideologische Richtung zu schieben. Ist ja viel einfacher, wenn man einfach nur nachplappern muss, was andere sich ausgedacht haben.

Matthias Thiermann / 12.09.2020

Der Wunschtraum vom Ersatz mit Gaskrafzrwerken wird sich ebenfalls in Gas, äh, Luft auflösen. Weder die Speicherkapazitäten sind dafür da, noch die nötigen Leitungen. Für Bayern weiß ich, die Regierung kann sich noch sooft im Kreis drehen, Gas wird hier niemals die Konventionellen Kraftwerke ersetzen können. Hier hat man sich längst mit dem Tausch, sichere Stromversorgung gegen sicheren Blackout abgefunden.

Richard Loewe / 12.09.2020

macht die Partei ueberall: Wehrpflicht ist nicht abgeschafft, sondern ‘ausgesetzt’. Und dann werden alle Kasernen geraeumt und verkauft und man sagt, wir koennen die Wehrpflicht nicht wieder einfuehren, sorry. Die setzen den Morgenthau-Plan eisenhart um. Die Verfassung ist nicht abgeschafft, nur ausgesetzt. Ups! da ist ja schon ein Virus! leider koennen wir die Verfassung nicht wieder einsetzen. Spaeter!

Sabine Schönfelder / 12.09.2020

Verehrter Autor, die Kernenergie wird, genauso wie der Impfwahn, abermals in die Köpfe der globalen Bevölkerung implantiert werden. Gasprom wird nur eine Zwischenlösung sein. Billy-the-Boy-of -the -whole-wide- world-Gates erachtet Kernenergie zu den zehn wichtigsten Technologien, die die Welt positiv beeinflussen. Terra Power (geiler Name!), Gates Firma, verfügt über ein Forschungszentrum, in welches the Godfather bereits läppische 500 Millionen Dollar investierte. Es handelt sich um Flüssigsalz- und Laufwellenreaktoren. Man ist schon weit vorangekommen, trotz anfänglicher Unsicherheiten. Und wo wird getestet?? Dreimal dürfen Sie raten. Genau dort, wo das Coronavirus seinen Anfang nahm, IN CHINA. Und wer funkte dazwischen mit seinen ewigen Handelskriegen? Ja, Donald der Trump! Könnte mir vorstellen, daß diese neuen Kernenergie-Formen zukünftig in den USA gebaut werden. Für das BRAIN-INFLUENZING sorgt Pappa Gates. Freue mich heute schon auf den Tag, an dem die GRÜNE EINFALT für Atomkraft wirbt. Natürlich unter einem neu geframten Namen, der das Wort „Kern“ ökologisch überschattet. Wie wäre es mit einem „Nachhaltigen- Salz-für die Erde-ENERGIEZENTRUM“?

Georg-Michael Mathes / 12.09.2020

@H.Wess Gegen eine Woche Blackout hätte ich auch nichts, damit die Schlafschafe aufwachen. Effektiver wärs aber kurz vor den nächsten Bundestagswahl. Alle Kraftwerke europaweit auf Null, wahlweise ein Kollaps der Leitungen. Dazu kein Wind und jeden Tag durchgehend Nebel in Deutschland, bei nur wenigen Grad über Null.

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