Roger Letsch / 21.10.2021 / 06:15 / Foto: Hungryogrephotos / 122 / Seite ausdrucken

Stromlos glücklich – energetische Märchenspiele beim SWR

So schön wird der Blackout! In einem TV-Experiment schaut ein Filmteam einer Familie zwölf Tage beim Bewältigen des Alltags ohne Strom zu. Sehr realistisch ist die Simulation allerdings nicht.

Nach dem Notfallkochbuch, für welches das Bundesamt für Bevölkerungsschutz die Bürger um Rezepte bat (DLF: „So schlimm wie es klingt, ist es nicht“), versucht der SWR nun mit einer weiteren Mitmachgelegenheit, die Zuschauer auf einen zur Campinggelegenheit verklärten Blackout vorzubereiten. Man stellt einer Familie im Schwäbischen für zwölf Tage den Strom ab und hält die Kamera drauf. „Wir wollten mit diesem Experiment herausfinden, wie abhängig sind wir eigentlich von Strom“, begründet der SWR seine Doku „Eine Familie zieht den Stecker“. Deshalb parken nun stromfressende Übertragungswagen vor dem Haus und der mit Stabfeuerzeug bewaffnete Moderator gibt den Startschuss für das Experiment. Ein Zug an der Hauptsicherung, und schon ist die hellste Kerze in der Szene tatsächlich eine Kerze.

Falls sie durchhält, winkt der Familie ein „satter Bonus“ für die energetische Sanierung des Hauses. Das Format ist angesichts von Lage und Aussichten bei Strom, Gas und Öl ausbaufähig. Alle 16 Bundesländer könnten ihre Tribute zu den alljährlichen Energiehungerspielen entsenden und der überlebende Sieger… aber überlassen wir die Programmgestaltung ab 2022 oder 2023 dem SWR und schauen der ausgewählten Familie bei der Rückkehr ins 18. Jahrhundert zu. Warum das 18. Jahrhundert? Weil das 19. Jahrhundert zumindest den Einzug der energiereichen Kohle in die Privathaushalte bereithielt, während vorher mit Holz oder Torf geheizt werden musste. Seit der Zähmung des Feuers brachte die Nutzung von Kohle die erste energetische Revolution, die den Massen zugute kam und so die kärglichen Restbestände europäischer Wälder rettete.

Zu ihrem Glück kann Familie SWR-Blackout in Haus und Garten Feuer machen, und zum Glück weiß die Großmutter auch noch, wie man Wäsche von Hand wäscht und wie der alte, unbeachtete und mit Holz zu betreibende Küchenherd funktioniert. Ein Luxus, wenn man es von der Seite der im fünften Stock in der Großstadt hausenden Altbaubewohner betrachtet, die in einem Blackout von mehreren Tagen feststecken und außer Kerzen nichts anzünden können.

Den meisten Haushalten in diesem Land steht die Möglichkeit, Holz zur Energiegewinnung einzusetzen, gar nicht zur Verfügung. Induktionsherd und Mikrowelle lassen sich im Gegensatz zu Verbrennungsöfen auch nicht mit Holzpaletten oder grünen Parteiprogrammen betreiben. Schon an dieser Stelle ist das SWR-Experiment also unrealistisch, denn über Teelicht und Campingkocher ist es kaum möglich, die nun in Kühlschrank und Tiefkühler zum Verderb erwachenden Lebensmittel schnell noch zu verarbeiten. Auch der hastig angelegte Erdkühlschrank im Vorgarten rettet nicht, weil er vollkommen anders funktioniert als die nun unbrauchbaren Kühlgeräte und auch für gänzlich andere Lebensmittel gedacht ist. Das hastig aus der Kühltruhe geholte Wildfleisch hält in einem Erdloch von einem Meter Tiefe auch nicht länger, als wenn man die stromlose Kühltruhe einfach zulassen würde. Falls es anders wäre, müsste der Erdkühlschrank im Ernstfall vor allem eine verschließbare Tür haben, denn im Fall eines Blackouts ist der Hunger in der Nachbarschaft der beste Koch.

Strom weg, Wasser weg

Alles das sind jedoch Kleinigkeiten angesichts des größten Fehlers im Experiment. Kalt duschen? Wäsche von Hand waschen? Toilette benutzen? Suppe kochen auf dem alten Holzofen der Oma? Das Handy mit einem kleinen Generator aufladen (wo kam der auf einmal her), den man mit einem Wasserschlauch in Gang setzt? All das braucht vor allem eins: Wasser! Und das kam auch im Experiment immer zuverlässig aus der Leitung. Wollte man einen richtigen Blackout simulieren, müsste man jedoch sehr rasch den Druck in der Wasserleitung verringern und nach etwa zwei Tagen diese Quelle ganz versiegen lassen. Adieu, kalte Dusche, auf Nimmerwiedersehen, „Candy Crush“ auf dem Mobiltelefon, willkommen, Notbrunnen. Wissen Sie, wo der Ihnen am nächsten liegende dieser Notbrunnen ist, liebe Leser? Aber Achtung: Nur 15 Liter stehen jedem Bürger pro Tag zu, das muss für alle Geschäfte reichen, die großen wie die kleinen.

Das Experiment fand im Herbst statt. Nicht kalt genug also, um sich nur noch in der Küche aufhalten zu können, wo knisternd brennende Holzsscheite im Herd die Jahreszeit erträglich und Jörg Kachelmann wütend machen. Die Beschaffung von Brennmaterial und Lebensmitteln würde schnell den größten Teil des Tages einnehmen und nach spätestens drei Wochen ganz enden. Mangels elektrischen Lichts wären die Tage auch wieder das, was sie früher einmal waren. Nicht mehr die gleichlangen Zeitinterwalle von 24 Stunden, sondern die mal lange, mal kurze Abwesenheit der Nacht.

Das gewonnene Preisgeld will die Familie nun in einen klimagerechten Anbau investieren. Doch wette ich zehn Kilo Braunkohlebrikett Marke „Record“ darauf, dass man nach der Erfahrung den alten Küchenherd stehen lassen wird. Denn angesichts der verfehlten Energiepolitik in diesem Land ist das Schlagwort „energetische Sanierung“ eher Drohung als Verheißung. Ich würde ja schauen, ob das Geld vom SWR für einen Dieselgenerator, einen Netztrennschalter und eine Schrotflinte reicht.

Falls Sie wissen wollen, was bei einem Blackot wirklich passiert können Sie das hier lesen:

Blackout (1) – Eine Serie aus aktuellem Anlass

Blackout (2) – ein Sieben-Tage-Szenario

Blackout (3) – Kann ich mich vorbereiten?

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.

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Leserpost

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Hans-Peter Dollhopf / 21.10.2021

Schwachsinn! Was da zum Blackout gefaked wurde, war ja nix anderes als eine Stromabschaltung, wie sie jährlich Hunderttausende von Haushalten erleben, die ihre Rechnung nicht bezahlen.

Ottmar Zittlau / 21.10.2021

Trotz aller “Unannehmlichkeiten”, die bei diesem schlecht inszenierten Blackout auftreten, so bleibt doch letztendlich etwas Gutes, wenn es zu einem wirklichen Blackout kommt: 12 Tage kein Internet 12 Tage kein Radio 12 Tage kein ÖR-Fernsehen und somit 12 erholsame Tage ohne Baerbock, Lauterbach, Scholz…....und den anderen Dummschwätzern! P.S Sollten es batteriebetriebene Geräte sein, wären es vielleicht nur 10 oder 11 Tage!

Peter Holschke / 21.10.2021

Hier lâuft ein Kampange. Fällt nicht darauf rein. Es wird mir dem Chaos eines Blackout gedroht, um die Wunsch nach einer beliebigen staatlichen Ordnung aufrecht zu erhalten. (So einenTrick wandte Hitler schon 1933 an). Außerdem wird die Erwartungshaltung der Bevölkerungen in eine stabile Stromversorger abtrainiert, was utopische Energiepreise akzeptabel machen soll, nach den Motto: ‘Sauteuerer Strom ist besser als gar keiner’.

Wolfgang Schüler / 21.10.2021

Und bitte nicht vergessen, die Leichen der Erschossenen mindestens 1 Meter tief zu bergraben - wegen den Wildtieren. Oder gleich auswaiden und in Weinsauce mit Trüffeln à la Pühpühpüüh servieren. Dazu eine frische Augen - Maß - HMMM! Das schmeckt fein!! Warum kann nicht immer Blackout sein?! Beim Kauen auf Schrotkugeln achten! So mancher Zahnarzt wird die Gelegenheit zu einem kleinen Urlaub nutzen - warum auch nicht… Bon appetit!

Thomas Mueller / 21.10.2021

Ach, ein Handy haben sie und fliessendes Wasser? Und Lebensmittel? Lächerlich!! Allein die Tatsache, dass sie sich physisch und psychisch vorbereiten konnten, macht das zur Witzveranstaltung!

Heiko Stadler / 21.10.2021

Als es noch keinen Strom gab und keine fossilen Brennstoffe zur Verfügung standen, war die Bevölkerungsdichte um ein Vielfaches kleiner als heute. Man war nicht auf intensive Landwirtschaft mit Dünger und Traktoren zum Pflügen angewiesen. Trotzdem verhungerte in jedem Frühjahr ein Teil der Bevölkerung. Der Verzicht auf Dünger und Dieseltraktoren und andere landwirtschaftliche Maschinen würde heute ein Massensterben unvorstellbaren Ausmaßes verursachen.

Steffen Schwarz / 21.10.2021

Das meine ich auch,  weg mit dem Strom in den hippen Grünen Gegenden in BW,  Freiburg, Stuttgart, Karlsruhe—usw. Aber so total wie man es sich gar nicht vorstellen kann.

Nico Schmidt / 21.10.2021

Sehr geehrter Herr Letsch, offensichtlich geht Berlin davon aus, dass die Deutschen in der nächsten Zeit an Dummheit sterben. Kein Strom und Spaß dabei! Na, dann mal los und viel Spaß dabei. MfG Nico Schmidt

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