Strom auf Lager: Die böse Realität

Auf dem Schlachtfeld der Energiewende, wo die jungen grünen Recken „Wind und Solar“ die alten Kämpen „Atom und Kohle“ vom Ross stoßen, ist ein weißer Ritter erschienen, siegesgewiss und frei von Makeln. Sein Name ist Wasserstoff. Er soll die vollmundigen Versprechungen wahr machen, welche Politiker dem Volk gegeben haben. Wird er unser Klima retten? Ist er die ideale Energiequelle?

Vorsicht, Wasserstoff ist keine Energiequelle – ebenso wenig, wie ein Bankkonto eine Geldquelle ist. Von dem können wir auch nur das abheben, was wir zuvor deponiert haben. Und so müssen wir auch bei Wasserstoff erst Energie einzahlen, bevor wir sie abheben können. Und nicht nur das, wir müssen wesentlich mehr einzahlen, als wir schließlich zurückbekommen.

Wasserstoff ist also keine Quelle für Energie, sondern bestenfalls ein Speicher – und noch dazu ein ganz erbärmlicher. Aber wer würde so etwas wollen? Eine komplizierte Vorrichtung bauen, in die man vorne mehr Strom reinstecken muss, als man hinten rausbekommt?

Strom auf Lager, wenn die „Erneuerbaren" nicht liefern

Nun, der Vorteil ist, dass man Strom in Form von Wasserstoff „lagern“ kann. Man kann ihn dann einsetzen, wenn die eigentliche Stromquelle, der Wind beispielsweise, gerade nichts liefert. Und solchen Vorrat braucht man, wenn man sich zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen versorgen will – denn die richten sich ja mit ihrem Lebensrhythmus keineswegs nach unserem Strombedarf.

Deutschlands durchschnittlicher Bedarf an elektrischer Leistung ist ca. 60 Gigawatt (GW). Im Verlauf von 24 Stunden (h) werden also 60 GW x 24 h = 1.440 GWh elektrischer Energie verbraucht (zur Erinnerung: Energie = Leistung x Zeit. Eine Glühbirne von 40 W Leistung verbraucht am Tag 40 W x 24 h = 960 Wh Energie oder etwa 1 kWh; und das kostet Sie 30 Cent…. und das große G steht für die große Zahl Giga = 1 Mrd. 1 GW ist also 1.000 MW oder 1.000.000 kW)

Die 1.440 GWh sind Deutschlands durchschnittlicher „Tagesbedarf“ an Energie, abgekürzt „DTB“.

Der durchschnittliche Tagesbedarf

Stellen wir uns nun ein utopisches, „energiegewendetes“ Deutschland vor. Der Einfachheit halber soll in diesem Land aller Strom aus Windkraft kommen. Die Erfahrung zeigt, dass solche Anlagen in der Realität ein Drittel der installierten Leitung bringen. Wie viele solche Windturbinen bräuchten wir, wenn Deutschland kontinuierlich mit Strom versorgt, wenn also täglich ein DTB zur Verfügung stehen sollte?

Die real erbrachte Leistung der Windkraft kann man so darstellen, als würden die Anlagen am Tag eins 24 Stunden lang ihre volle, installierte Leistung ins Netz liefern, an den Tagen zwei und drei jedoch nichts.

Am Tag eins also, dem einzigen Tag, an dem wir Wind haben, und noch dazu 24 Stunden lang mit optimaler Stärke, muss jetzt also das DTB für Tag eins produziert werden, aber auch die beiden DTBs für die Tage zwei und drei. Die beiden letzteren DTBs werden nun in einem Wasserstoffspeicher auf Vorrat gelegt. Die eine Turbine müsste an diesem Tag also eine Herkulesarbeit verrichten.

Ein Leck im Speicher

Aber warten Sie, es kommt noch schlimmer: Der Wasserstoff ist ja ein miserabler Speicher. Da gehen mehr als 50 Prozent der eingespeisten Energie bei den diversen Umwandlungen verloren, als hätte der Speicher ein Leck. Um also für die Tage zwei und drei dennoch ein volles DTB zur Verfügung zu haben, muss man für diese beiden Tage das Doppelte auf Vorrat legen: DTB + DTBLeck!

Am Tag eins müssen also

DTB1 + DTB2 + DTB2Leck + DTB3 + DTB3Leck = 5 DTB erzeugt werden.

Erinnern Sie sich: Unsere Windkraft würde bei 60 GW installierter Leistung und bei optimalem Wind in 24 Stunden genau ein DTB produzieren. Jetzt verlangen wir ihm aber 5 DTBs ab! Wir bräuchten also 5 x 60 GW = 300 GW installierter Leistung.

Aktuell hat Deutschland ca. 30.000 Windgeneratoren mit insgesamt 55 GW = 55.000 MW „installierter“ Leistung; jede Windmühle hat also durchschnittlich 1,8 MW. Wie viele Turbinen dieses Typs bräuchte ein energiegewendetes Deutschland also?

Die böse Realität

Für die erforderlichen 300 GW = 300.000 MW bräuchte es also 300.000 / 1,8 = 166.666 Windmühlen, d.h. fünf- bis sechsmal so viele wie heute. So ein Vorhaben zu verfolgen, wäre natürlich der blanke Wahnsinn. Und wenn schon die politische Vernunft oder eine aufbegehrende Bevölkerung es nicht verhindern würden, dann würde doch früher oder später die normative Kraft des Faktischen einsetzen. Die Investitionen wären so gigantisch, dass die deutsche Volkswirtschaft lange vor Erreichen dieses größenwahnsinnigen Ziels zusammenbräche.

Bleibt also zu hoffen, dass in der Politik Vernunft einkehrt oder die Bevölkerung aufbegehrt. Wie stehen die Chancen für das eine oder das andere?

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Wolfgang Flamme / 09.10.2021

“Die Erfahrung zeigt, dass solche Anlagen in der Realität ein Drittel der installierten Leitung bringen.” Nein, knapp ein Viertel in 2020, incl. Offshore. Wo liegt das Problem? Recherche in offiziellen Quellen?Physikalische Einheiten kürzen?  Dreisatz?

RMPetersen / 09.10.2021

AGORA und Greenpeace hatten vor ca. 5 Jahren schon kaltschnäuzig mitgeteilt (- in einer “Studie”) dass die Kapazität der Anlagen zur Erzeugung der “erneuerbaren Energie” um das Fünf- bis Siebenfache erweitert werden müssten. Es ist nun mit der Erzeugung von 1.440 GWh täglichem Strombedarf nicht getan, vielmehr wird und soll der Strombedarf steigen: Autofahren, Heizen, alle Industrieprozesse sollen aus Strom basieren - mit dem bisschen Biogas kommt man nicht weit. Aber weil die erhöhten Strom-Bedarfe für zukünftiges elektrisches Autofahren, Heizen etc nicht mit “Erneuerbaren” zu decken ist (- es reicht ja, wie im Artikel dargestellt, nicht einmal für die Deckung des heutigen), muss “der Bedarf reduziert”, vulgo gespart werden. Wie das geht, kennt man aus Entwicklungsländern: Da wird der Strom stundenweise abgeschaltet, und man geht die 12 Etagen zu Fuß. Oder es fehlt plötzlich der Strom für die Metro. Und Und Und ...

Elmar Hofmann / 09.10.2021

Ich bin dafür, bei Windstille Atomstrom aus Frankreich zum Antrieb unserer Windmühlen zu nutzen. Grünen Strom nennt man das. Herzliche Grüße Annalena Baerbock (Kernphysikerin, Energiespezialistin, Rechenkünstlerin, Doktorantin in spe, Spezialistin für Copy & Paste, ....)

G. Böhm / 09.10.2021

Nachtrag 3 - @ Stefan Lehnhoff: Die Frage der Prozeßwärme wird regelmäßig unter den Teppich gekehrt, sie ist also irrelevant. Ich meine nicht nur die des angedachten Wasserstoff-Umwandlungs-Prozesses, sondern die Energieumwandlungsprozesse der Menschheit generell, die darauf hinauslaufen, daß aller Energieumsatz letztlich, bis auf wenige Ausnahmen, in Wärmeenergie endigt. Da wurde mir vor Jahren erklärt, daß dieser Energieumsatz in Hinblick auf mögliche Klimaauswirkungen völlig unbedeutend sei, weil viel zu klein (Strahlungsbilanz der Erde). Dabei weiß man ja, daß Wärmetransport nicht ausschließlich durch Wärmestrahlung erfolgt. Wenn es eine Quelle gibt, heizt diese auch ihre Umgebung mit auf. Stellt man hundert kleine brennende Kerzen auf dem Fußboden des Kölner Doms, wird man in 50 Meter Höhe kaum eine Temperaturveränderung messen können, brennen dort aber Milliarden von dicken Altarkerzen ab, wird das Geschehen ein anderes sein, man wird ∆T auch am Gemäuer messen können.

Lucius De Geer / 09.10.2021

@Max Hauser: Sie wissen ganz genau, dass mit Sonne und Wind null Prozent Grundlast garantierbar sind - also hören Sie auf, hier Märchen zu erzählen. Die windhöffigen Standorte hierzulande sind längst zugestellt mit Windrädern - da geht einfach nichts mehr, daher auch kaum noch Zubau außer in der Nordsee. Doch Deutschland ist ebenso unfähig, den dort produzierten Strom dorthin zu transportieren, wo er gebraucht wird (oder ihn in gigantischem Stil in Wasserstoff zu speichern und wieder in Strom zurückzuverwandeln) wie es unfähig ist, irgendein anderes Großprojekt zu stemmen (siehe Anschluss an den Gotthard-Basistunnel). Ein Land, das sechs Jahre braucht, um ein Segelschiff (die Gorch Fock) wieder flott zu machen, dass 1956 in elf Monaten gebaut wurde, ist zu keinerlei technologischen Sprüngen mehr imstande (sonst hätten wir längst den Fusionsreaktor…).

Reinhold R. Schmidt / 09.10.2021

Dass nachts keine Sonne scheint, haben ja auch Grüne, Rot-Grüne und Schwarz-Grüne nach langer Zeit endlich kapiert. Damit manche kapieren, dass auch tagsüber oft keine Sonne scheint, sollten sie einfach derzeit manchmal aus dem Fenster schauen. Wenn kein Wind weht, ist es auch egal, ob ich 10 oder 100 000 Windräder habe, es gibt kein einziges Watt Strom, auch für diese Erkenntnis reicht im Winterhalbjahr ein Blick aus dem Fenster (November: oft tagelange Dunkelflaute in ganz DEU). Ob nun Wasserstoff, Batteriespeicher oder was auch immer: Pippifax für eine moderne Industriegesellschaft. Zum Leben, zur Freiheit und dem Streben nach Glück gehört vor allem eines: Energie! Und zwar preiswerte Energie für alle und in allen Ländern. Die kann heute und erst recht in der Zukunft nur die Kernenergie klimaschonend bereitstellen. Also auch die, die “Energiewende”, “Verkehrswende”,  Klimawende” und was auch immer an Wenden wollen, sollten am besten bereits heute für den massiven Ausbau der Kernenergie auf die Straße gehen. Eine andere technisch-physikalisch Lösung für den wachsenden Energiebedarf der Weltbevölkerung gibt es nicht,

Eugen Richter / 09.10.2021

Klima retten? Schwachsinn hoch drei. Betrügerische Geschäftsleute und Politiker füllen sich mit den irren Maßnahmen ihre Taschen.

A. Herrmann / 09.10.2021

@Max Hauser: Ihre Einwände in allen Ehren,  aber der Vorteil von grundlastfähigen Kraftwerken ist, das eben keine aufwändige und verlustbehaftete Speicherung notwendig ist. Es wären daher auch keine 300GW Leistung zu erbringen (sowie zeitweise zu verteilen und zu verbrauchen) sondern eben nur 60GW! Und das sind eben nur ~50 Kraftwerke, wenn man von der klassischen Größe ausgeht. Diese Größenordnung ist problemlos zu handhaben. Darüber hinaus ist die Kernenergie die einzige Erzeugungsart, die derart skalierbar ist, dass man ggf. wirklich ernsthaft über eine Substitution von Erdöl oder über geschlossene Stoffkreisläufe nachdenken kann. Man kann und sollte die Erneuerbaren durchaus weiter entwickeln und einsetzen, die Musik wird aber mit der Kernenergie gespielt.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 22.04.2024 / 14:00 / 16

Atomkraft: Das tote Pferd ist sehr lebendig

Vergangene Woche hat die Internationale Atomenergie Behörde (IAEA) Vertreter von Industrie und Politik aus interessierten Nationen zu einer Konferenz nach Peking eingeladen.  Themen waren die…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 29.03.2024 / 14:00 / 22

Nukleargipfel: Na dann eben ohne Deutschland

Kürzlich fand in Brüssel der erste Nuclear Energy Summit, das erste globale Gipfeltreffen zum Thema Kernenergie statt. Repräsentanten aus 34 Ländern nahmen teil, darunter alle wichtigen…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 09.03.2024 / 12:00 / 21

Tschernobyls Wölfe: Krebsresistenter dank Strahlung?

Im Sperrgebiet um den Reaktor von Tschernobyl entwickelte sich eine Wolfspopulation mit erhöhter Resistenz gegen die Auswirkungen von Krebs. Im Sperrgebiet um den Reaktor von…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 18.12.2023 / 14:00 / 36

Wahnhafte Störungen nationaler Tragweite

Die deutsche Politik zeigt seit Jahren deutliche Symptome wahnhafter Störungen. Entscheidungen entspringen illusorischen Vorstellungen, die jeder sachlichen Beobachtung widersprechen, an denen man dennoch eisern festhält.…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 16.12.2023 / 16:00 / 29

Physik und Klimawandel: Die Angst vor der Wahrheit

Ein Physiker, der nichts von Klimawissenschaft versteht, ist nützlicher als ein Klimawissenschaftler, der nichts von Physik versteht. Daran kann auch die COP28 in Dubai nichts ändern.…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 04.12.2023 / 15:15 / 26

Die Maßeinheit für Größenwahn

Der geplante Ausbau von Solaranlagen um den Faktor drei wird keine Probleme lösen, aber enorme Einbußen an Lebensqualität mit sich bringen. Widerstand ist aber zwecklos,…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 10.11.2023 / 16:00 / 13

Das große Klimageschäft in Dubai

Werden die G7 den Rest der Welt dazu bringen, ihre Stromversorgung auf erneuerbare Energiequellen umzustellen? Um das zu beurteilen, muss man die Größe der BRICS-Staaten…/ mehr

Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 05.09.2023 / 10:00 / 65

Vorschlag zur IAA – das elektrische Perpetuum mobile!

Ein Vorschlag zur IAA, die heute eröffnet wird: Die Versorgung der E-Autos wird dezentralisiert. Zu jeder E-Tankstelle gehören eine Handvoll von Windmühlen, die Austauschbatterien aufladen. Die…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com