Wolfgang Röhl / 01.05.2019 / 06:03 / Foto: Jennifer Lynn / 51 / Seite ausdrucken

Streifzug durch den Garten der Früste

Neulich stieß ich in einem überwiegend von Männern relotierten Magazin, welches sich eine Riege kolumnierender Frauen hält, auf die ulkige Frage: „Wie können Männer Feministen sein?“ In einem „Servicetext“ zu dieser Angelegenheit verabreicht die „Spiegel-Kolumnistin Margarete Stokowski  40 Tipps, wie man die Feministenwerdung – vielleicht – hinkriegen kann. 

Etwa: „Lesen Sie Bücher von Frauen, sehen Sie Filme von Frauen, hören Sie Musik von Frauen“ (Tipp 2). Oder: „Behaupten Sie nie wieder, Frauen hätten nichts Großes erfunden“ (3). Oder: “Laufen Sie nachts nicht dicht hinter fremden Frauen her, auch wenn Sie den gleichen Weg haben. Gehen Sie langsamer oder auf die andere Straßenseite“ (14). Beziehungsweise: „Werden Sie Entbindungspfleger“ (25). Respektive: „Werden Sie nicht wütend (hysterisch), wenn Sie auf Ihre Privilegien angesprochen werden“ (38). Zu guter Letzt: „Bedanken Sie sich bei Feministinnen für ihre Arbeit. Männern, die an veralteten Geschlechterrollen festhalten, drohen mehr psychische Probleme, hat eine Studie gezeigt“.

Nach dem Durcharbeiten kam mir das Manual denn doch weniger komisch als vielmehr kryptisch vor. Ich weiß, erstens, nicht genau, was ein Feminist ist oder zu sein glaubt. Es handelt sich ja nicht um eine geschützte Berufsbezeichnung, vermute ich mal, auch nicht um ein etabliertes Steckenpferd wie Tauben züchten oder Modelleisenbahnen aufstellen. Wahrscheinlich ist ein Feminist eine Art Mann, der sich partout bei Frauen nützlich machen möchte. Dies aber nicht durch Tür aufhalten oder so was. 

Die entsprechenden Orders erhält er von den Frauen höchstselber, siehe oben. Er unterbricht mannhaft Männer, welche Frauen unterbrechen. Frauen, die nicht lächeln, fordert er keinesfalls zum Lächeln auf. Auch er selbst, darf man wohl annehmen, lächelt höchstens auf dem Klo. Was für ein Piktogramm auch immer an dessen Tür stehen mag.

"Ich könnt’ ja sagen: fass! Aber ich sag nicht: fass!"

Unklar ist mir, zweitens, ob diese Spezies Mann tatsächlich in freier Wildbahn vorkommt, und, wenn ja, ob sie dort in einer befassenswerten Rudelstärke vertreten ist. Mir selber kommt das weibliche Ansinnen, Männer sollten Feministen werden, ungefähr so apart vor, als würde ich Judith Butler auffordern, die Reihen der sogenannten Maskulinisten um Jack Donovan zu stärken. 

Oh, auch ich könnte einen Katalog aufstellen. Etwa mit dem Titel „Tipps für junge Frauen mit und ohne color; cis, lesbisch oder sonstig, alte weiße Männer wie mich gut zu finden“. Darin fänden sich zu Beispiel Richtlinien wie diese:

Wenn Sie einem alten weißen Mann begegnen, erweisen sie ihm gebührenden Respekt. Er hat mit hoher Wahrscheinlichkeit als langjähriger Steuerzahler dazu beigetragen, dass Sie ungeachtet Ihrer bislang eher dürftigen Leistungen ein kommodes Leben führen konnten. Zum Beispiel Mickey-Mouse-Wissenschaften wie feministische Kunstgeschichte oder Genderforschung studieren.

Wenn Sie mit weißen alten Männern reden, quatschen Sie bitte nicht so kariert. Der verbale Müll, der aus Schneeflöckchen-Unis von New York oder Kalifornien an Ihre Ohren geflogen ist – Mansplaining, Manspreading, toxische Männlichkeit, Rape Culture, Safe Spaces –, ist bei Gesprächen erwachsener, seelisch stabiler Menschen aller denkbaren Geschlechter ein No-Go. 

Studieren Sie die Geschichte der Wissenschaften, der Philosophie, der Künste. Achten Sie auf Urheberschaften. Sprechen Sie einmal pro Tag vor dem Spiegel diesen Text laut aus: „Wenn man sämtliche Schöpfungen des weißen Mannes von diesem Planeten entfernte, besäßen seine Ankläger weder Zeit noch Mittel, ja nicht einmal Begriffe, um ihn mit Vorwürfen zu überhäufen“ (Michael Klonovsky).   

Versteht sich, dass ich persönlich niemals einen solch unverschämten (durch viele weitere Punkte zu komplettierenden) Verhaltenskodex für Frauen propagieren würde. Ich bin einigermaßen gut erzogen worden und halte tatsächlich, wenn es sich anbietet, Frauen die Tür auf, auch und gerade meiner eigenen Frau. Feuer gebe ich Frauen jederzeit, so es gewünscht wird. Nein, Hass und Hetze sind meine Sache nicht. Wie es Gerhard Polt im Sketch „Ein Hundebesitzer“ formuliert: Ich könnt’ ja sagen: fass! Aber ich sag nicht: fass!“

Was mich aber nicht loslässt, ist die Frage: Wie mögen Männer beschaffen sein, die sich Feministen nennen? Wie kann sich einer, der schon in der Grundschule bemerkt haben muss, dass Anwanzern, Einschleimern, Scharwenzlern, Ranfiezern und Anbiederern immer die größtmögliche Verachtung aller galt, wie also kann so jemand sich lustvoll in den Staub schmeißen, Asche aufs Haupt tun und annehmen, damit würde er einen Blumenpott gewinnen? 

Das Bedürfnis nach Kuscheligkeit in Sekten

Ich musste nicht lange googeln, um auf Seiten wie diese oder diese oder diese zu geraten. Durch deren Lektüre erklärt sich vieles. Das Bedürfnis nach menschlicher Wärme und Kuscheligkeit in Sekten und Sezessionen ist uralt, genau wie das Sehnen nach Ausbruch aus dem Gefängnis des falschen Körpers. 

1973 erschien ein Buch des auf Fotos quietschglücklich guckenden Autors Volker Elis Pilgrim, der sich der Männerforschung sowie dem Vegetarismus verschrieben hatte. Titel des Bestsellers: „Der Untergang des Mannes“. Das Verderben hat sich nicht wirklich ereignet – noch nicht. Weil Männerkenner Pilgrim 1977 das „Manifest für den befreiten Mann“ nachgeschoben hatte?

Aber gibt es heutzutage nicht auch Texte von Männern, die sich – frei von biologischen Verzwicktheiten und ohne einen auf den ersten Blick erkennbaren Hau – zu Feministen erklären? Ich fand das dafür typische Traktat bei einem Julian Dörr von der „Süddeutschen Zeitung“. Sein Aufsatz postulierte: „Ja, alle Männer“ hätten sich schleunigst Gedanken über ihre Männlichkeit zu machen, weil „in unserer mitteleuropäischen Gesellschaft Männlichkeit ein Übermaß an Privilegien mit sich bringt.“ Diese Privilegien unterstützten nämlich sexistische und rassistische Strukturen in der Gesellschaft, weil sie den „anderen, die nicht weiß, männlich, heterosexuell oder cis sind, fehlen.“

Die männlichen Privilegien gelte es zu kappen, damit „Safe Spaces und Chancengleichheit für Frauen, Queers, nichtbinäre und Transmenschen“ eintreten können. Ferner findet Julian ein Tempolimit auf Autobahnen und eine Frauenquote für Landtagswahllisten gleichermaßen supi, weil es zwei Dinge seien, welche „die große männliche Freiheit“ einschränkten. Und nein, „Feminismus ist nicht Verbot, sondern Befreiung.“ 

Nun ja. Wer es für vorrangig hält, ausgerechnet Mitteleuropa feministisch zu befreien, kann noch nicht viel weiter gereist sein als, sagen wir, bis Helgoland. Und das mit dem Tempolimit werden dem Julian auch zahlreiche Frauen verübeln. Fragen Sie nur mal die erfolgreiche Frauenbuchautorin und Porsche-Pilotin Gaby Hauptmann.

Ein weiteres Kofferwort in den feministischen Orbit

Wie sich denken lässt, sind selbsternannte Frauenretter von der traurigen Gestalt in hardcoremäßig aufgestellten Femikreisen keineswegs jene Darlings, die sie gern wären. Folglich dauerte es nicht lange, bis die Szene neben Mansplaining (Marotte von Männern, Frauen Sachverhalte erklären zu wollen, die sie, die Frauen, angeblich schon längst und sowieso viel besser wissen) und Manspreading (Unsitte von Männern, etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln mit ungebührlich gespreizten Beinen auf den Bänken zu lümmeln und Frauen Platz wegzunehmen) ein weiteres Kofferwort in den feministischen Orbit schickte. 

Mansclaiming heißt eine frisch entdeckte männliche Dreistigkeit. Welche darin besteht, dass bestimmte Männer öffentlich ihren Stolz auf starke, erfolgreiche Frauen äußern. Damit jedoch würden sie nur ausdrücken wollen, dass der frauliche Erfolg allein durch die Unterstützung und Existenz eben dieser Männer möglich gewesen sei. Ihr „neurotischer Stolz“ unterschlage aber „das besondere Machtgefälle zwischen Männern und Frauen in dieser Gesellschaft.“ Ach, wie’s der Mann auch macht, er macht’s verkehrt.

Falls Ihnen, liebe Leser, inzwischen ein wenig der Kopf brummt von all dem crazy stuff (Bob Dylan: „Some things are too hot to touch/The human mind can only stand so much“), hier eine Rückblende, als beruhigender Blick in die Zukunft. Mitte der 1970er entdeckte ich in der Hamburger Buchhandlung „Arbeiterbuch“, Schaufenster zeittypischem Gagatums, ein feministisches Blättchen mit dem Titel „Die Schwarze Botin“. 

Die Botin gab sich totaler und radikaler, als es sich die Macherinnen der um diese Zeit in Gründung befindlichen Feministinnengazetten „Emma“ und „Courage“ überhaupt vorstellen konnten. Auf dem Cover der ersten Ausgabe trug eine Frau den guillotinierten Kopf eines Mannes vor sich her, Schlagzeile: „Die Kastration des Mannes kann nur eine Übergangslösung sein.“ Weil ich darüber ein paar launige Zeilen schreiben wollte, rief ich in der Redaktion der Botin an.

Ich bin noch immer im Besitz meiner Kronjuwelen

Es meldete sich eine warme, fast freundliche Stimme, die einer Frau namens Gabriele Goettle gehörte, wenn ich mich richtig erinnere. Was sie mir erzählte, weiß ich nicht mehr. Hatte aber den Eindruck, dass ich mir, die Übergangslösung und das womöglich Folgende betreffend, keine ernsthaften Sorgen zu machen brauchte. So geschah es. Die Botin gab bald ihre Dienste auf, und ich bin noch immer im Besitz meiner Kronjuwelen. 

Frau Goettle hat unterdessen für ihre nachfolgend verfassten, nicht selten recht hübschen Reportagen eine Reihe von Preisen eingesackt, die nach verdienten Männern benannt sind. Der verstorbene FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher hat Goettle überschwänglich gepriesen, Heinz Rudolf Kunze eine Goettle-Geschichte zu einem Lied verdichtet, Hans Magnus Enzensberger ihr das Geld für den ihm verliehenen Ludwig-Börne-Preis überlassen. Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung tat Lametta raus und Mitglied des deutschen PEN wurde Frau G. auch. 

Woraus folgt: Selbst bei schweren Schüben von toxischer Weiblichkeit, die Feminist*innen mitunter erfassen, handelt es sich meist bloß um eine Übergangsphase. Irgendwann heißt es, beruflich gesehen: „Und fort muss die Reise gehn“. Wie der ebenso weiße wie weise Alte Hans Albers, nicht direkt Feminist aber notorischer Frauenflüsterer, dereinst mehr nölte denn sang. 

Am Ende wird vielleicht noch alles gut, Gretchen! 

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Leserpost

netiquette:

Viola Heyer / 01.05.2019

Zum Glück geht die Zahl der Frauen, die sich als Feministin bezeichnen bzw. feministische Positionen goutieren, in ganz Europa weiter nach unten. In GB sind es z.B. nur noch 7%. Feminismus ist und bleibt eine unappetitliche Melange aus Egoismus, Esoterik und Emotionen.

Claudia Maack / 01.05.2019

Soso, Mansplaining bedeutet also, Frauen Zeug zu erklären, das sie schon längst (besser) wissen. Wie nennt man dann Frauen (gab es in meiner Pubertät rudelweise), die vor geheuchelter Bewunderung fast in Ohnmacht fallen, wenn ein nach Naphtha stinkender Kerl ihnen auf mehrere Bitten hin endlich erklärte, wie man ein Mofa frisiert. Abgesehen davon, dass die Mädels sich nicht die Bohne für Mofas interessierten, fragten sie meist noch mit falschem Interesse nach, wie ihr Kerl es wohl hinkriege, dass sein Auspuff knallt. In den USA, wo der ganze Müll herkommt, sind diese Heuchel-Groopies eine wahre Pest. Und hintenrum lästern sie dann,  wenn das arme Schwein von Mann auf ihr Drängen hin dann tatsächlich was erklärt.

Günter H. Probst / 01.05.2019

Was soll diese überflüssige Beschäftigung mit Femi- und Genderinnen. Diejenigen, die ich kenne, sind kinderlose, frustrierte, unfähige und narzißstische Weiber, die ihre nicht vorhandene Weiblickeit mit ihrem Gequatsche aufplustern wollen. Halten Sie sich lieber an Mütter und in einem anständigen Beruf erfolgreiche Frauen.

Dirk Kern / 01.05.2019

Ach ja, auch während meines Studiums waren die Bemühungen der eher durchschnittlich oder drunter begabten, unsportlichen und maushaften Kommilitonen, durch Feminismus endlich eine Freundin źu finden, in den wenigstens Fällen mit Erfolg gekrönt. Komischerweise stiegen die Damen dann doch lieber mit einem ordentlich körperbehaarten Macho aus Lateinamerika, Palästina oder dem fernen Iran ins Nest. Mir tun die Buben heute leid, die von einer frustrierten, alleinerziehenden Feministin erzogen und von ebenso frustrierten Lehrerinnen beschult werden. Die armen Hascherl haben so doch keine Chance, ein halbwegs normales Selbstbewußtsein und einen Mindeststolz auf die Vorzüge ihres Geschlechts zu entwickeln. Nicht erstaunlich, dass die dann in ihrer Identität völlig verunsichert und in ihrer Persönlichkeitsbildung starkt gestört sind. Aber gut, auch der moderne Feminismus wird wie alle anderen Irrlehren auch, irgendwann auf dem ideologischen Müllhaufen der Geschichte landen. Dann waren die Feministinnen ganz umsonst ständig beleidigt.

Albert Pflüger / 01.05.2019

Ich finde ja meine Privilegien gut- und deshalb will ich sie behalten und gegen die verteidigen, die sie mir nehmen wollen. Sollen die doch mal hart dafür arbeiten, selbst welche zu bekommen, es müssen ja nicht meine sein!

Corinne Henker / 01.05.2019

Als emanzipierte Frau mittleren Alters, die es auch ohne Quoten und sonstiges Gaga mit einem vernünftigen Studium (Medizin) zu einem vernünftigen Einkommen (und entsprechender Steuerlast) gebracht hat, stimme ich Ihnen zu. Frau Stokowski und ihre abstrusen Ideen sind mir ebenso zuwider, wie die männlichen (???) Jammerlappen, die so etwas tatsächlich ernst nehmen. Und seit wann ist die Anerkennung von (Lebens-)Leistung ein Privileg? Aber wenn man selbst nichts Vernünftiges geleistet hat - und vermutlich auch nie leisten wird - muss man natürlich so tun, als wären Geschlecht, Hautfarbe, Religion, Herkunft usw. besondere Leistungen. Was für ein Schwachsinn!

Rudolf George / 01.05.2019

Habe den Aufsatz von Herrn Dörr gelesen. Er ist ein typisches Produkt der Gender-„Wissenschaft“: Begriffsklitterung zum Zwecke des Politaktivismus. Der Begriff „Privileg“ wird unhinterfragt in den Ring geworfen. Dabei hat kein Mann in Deutschland Vorrechte; unser Gesetz garantiert Gleichberechtigung. Man kann sich darüber streiten, welche Vorteile Männer genießen; Vorrechte sind das aber nicht, d.h. gesetzlich garantierte Sonderbehandlungen. Warum wird also dieser Begriff „Privileg“ so missbraucht? Die Antwort ist einfach: weil man mit diesem Narrativ echte Privilegien für die eigene Klientel, und natürlich auch für sich selbst als deren hochmoralische Interessenvertreter durchsetzen will, d.h. gesetzlich garantierte Bevorzugung. Es geht um die Schaffung eines Neuadels, einschließlich entsprechender tatsächlicher Privilegien.

herbert binder / 01.05.2019

Geschlechtsübergreifend gilt: Ein Platz, kein Denkmal.  

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