Eigentlich sollte im Windschatten der Aufmerksamkeit für die Haushaltsdebatte und der Aufregung über Aiwangers Vergehen als Schüler am Freitag als letzter Tagesordnungspunkt im Bundestag das umstrittene Heizungsgesetz beschlossen werden. Doch Störfeuer sorgt dafür, dass das nicht in aller Stille geschieht. Hoffentlich bleibt das so, denn es geht um viel am Ende dieser Woche.
Eigentlich sollten die folgenden Zeilen ganz anders klingen, als sie es jetzt tun. Ich wollte darüber schreiben, dass die mehrtägige Haushaltsdebatte im Bundestag beginnt, in deren Windschatten und überlagert von dem anhaltenden Sprechblasengewitter zur sogenannten Aiwanger-Affäre am Freitagnachmittag das umstrittene Heizungsgesetz im Bundestag möglichst unauffällig beschlossen werden soll. Es ist ja eine bekannte Unsitte der letzten Merkel-Regierungen, die ihr Nachfolger gern übernahm: Gesetze, bei denen sich die politische Klasse sicher ist, dass sie eine klare Mehrheit der Bürger nicht will, werden möglichst versteckt durch den Bundestag gebracht.
So sollte das Gesetz, das de facto der Auftakt für die schleichende Enteignung vieler Hausbesitzer in Deutschkand ist, ursprünglich in der letzten Woche vor der Sommerpause des Bundestags durchs Parlament gepeitscht werden, doch das verhinderte das Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter entschieden damals, dass zwischen Vorlage des Gesetzentwurfs und der Abstimmung wenigstens so viel Zeit liegen sollte, dass die Abgeordneten überhaupt gründlich lesen können, worüber sie abstimmen.
Die Bundesregierung, die von den Verfassungsrichtern wegen ihres Eilverfahrens de facto gerügt wurde, gab sich uneinsichtig. Zwar musste die Abstimmung von der Tagesordnung genommen werden, aber der zuständige grüne Minister Robert Habeck ließ gleich verlauten, dass an dem Gesetz nichts geändert werde. Bei der nächsten Sitzung werde das Gesetz mit der Ampel-Mehrheit beschlossen, die Abgeordneten hätten ja jetzt in den Sommerferien genügend Zeit, den Gesetzentwurf zu lesen.
In den Medien verlor das Thema an Priorität und die Heizungsgesetz-Profiteure hofften, was viele Hausbesitzer und Beobacher befürchteten, nämlich dass sich in der breiten Öffentlichkeit das Gefühl verfestigt hätte, das Thema sei vorerst vom Tisch, und dass alle erst aufwachen, wenn das Gesetz beschlossen wurde. „Nun isses halt da“, hätten diejenigen, die sich daran erfreuen, dass den Hauseigentümern dieses Landes vorgeschrieben werden kann, wie sie in ihrem Haus zu heizen haben und wie nicht, auf eventuelle Proteste antworten können.
„Das stört eine große Mehrheit“
Dass es in den noch auskömmlich finanzierten Medien einen rechtzeitigen reichweitenstarken Weckruf geben könnte, hatte ich nicht erwartet. Eher, dass das Heizungsgesetz bis zum Beschlussfassungsfreitag neben der Haushaltsdebatten-Berichterstattung und weiteren Diskussionen über Aiwanger kaum einen angemessenen Platz in den Medien findet und keiner noch einmal warnt.
Aber vielleicht hatte ich mit dieser pessimistischen Erwartung unrecht. Immerhin lieferte welt.de am Montagmorgen die Schlagzeile: „Heizungsgesetz: Die Deutschen fordern eine neue Debatte“.
„Am Freitag soll der Bundestag endgültig der Änderung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zustimmen. Die Entscheidung über das umstrittene Heizungsgesetz von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) musste auf Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vor der Sommerpause vertagt werden.
Trotzdem soll das Gesetz nun nicht noch einmal ausführlich beraten werden, sondern möglichst geräuschlos beschlossen werden. Doch das stört eine große Mehrheit der Deutschen.“
Nach einer repräsentativen Umfrage von Civey im Auftrag der Unionsparteien seien demnach mehr als 5.000 Bürger Mitte August befragt worden – also nach der erzwungenen Vertagung des Beschlusses. 73,4 Prozent der Befragten hätten demnach angegeben, dass das GEG nicht ausreichend im Bundestag debattiert worden sei. An der mehrheitlichen Ablehnung der geplanten Regelung, wonach neue Heizungen künftig mit 65 Prozent erneuerbarer Energie betrieben werden müssen, habe sich durch die monatelange Diskussion nahezu nichts geändert, heißt es in dem Bericht weiter. Während im April 62 Prozent der Befragten in der Civey-Umfrage die Regelung für falsch hielten, hätten sie bei der August-Befragung noch immer 61,8 Prozent abgelehnt. Nur von 30,4 Prozent der Befragten sei im August Zustimmung für diese Gesetzesänderung geäußert worden, im April seien dies noch 31 Prozent gewesen.
Wo sind die Liberalen?
Ein großes Problem könnte die Stimmung in der Bevölkerung vor allem für die FDP werden. Deren Vorsitzender gab nach dem ersten Entwurf den großen Kritiker an den grünen Heizungsvorschriften, die Hausbesitzer in den Ruin treiben können, findet den letzten aber gut, auch wenn der nach den wenigen kosmetischen Änderungen die Hausbesitzer immer noch in den Ruin treiben kann. Das erklärte er Bürgern in einem Bürgergespräch in Burg bei Magdeburg so:
„Ganz kurz zum Heizungsgesetz: Ja, das war ähm ähm wie soll ich sagen ähm äh ... jedenfalls ist das Gesetz jetzt in Ordnung. Also der Weg dahin war nicht frei von Geräuschen und hat natürlich zu Irritationen und Empörung geführt, völlig klar, aber jetzt ist das Gesetz gut."
Mit solchen Worten konnte er nicht einmal die eigene Anhängerschaft überzeugen: 72,3 Prozent der FDP-Anhänger lehnten die Heizungsregelung auch im August noch ab, heißt es in der bereits zitierten Umfrage. Und sogar 81,3 Prozent der befragten FDP-Anhänger hätten angegeben, dass das Gesetz nicht ausreichend im Bundestag beraten wurde. Eigentlich sind solche Umfragewerte kein Wunder, denn unter FDP-Anhängern dürfte es deutlich mehr Hausbesitzer geben als unter SPD-Wählern. Überraschend ist lediglich, dass man so ungerührt sehenden Auges nicht nur Politik gegen die Interessen der Mehrheit der Bürger macht, sondern auch gegen die überwältigende Mehrheit der eigenen Anhängerschaft. Lindners zutreffendes Diktum von 2018, dass er lieber nicht regieren wolle, als schlecht zu regieren, ist inzwischen nur noch ein unterhaltendes Zitat, das sich gut in künftige FDP-Nachrufe streuen lässt.
Die einstmals liberale Partei, die ganz früher gegen das Ansinnen, den Bürgern vom Staat vorzuschreiben, wie sie heizen dürfen und wie nicht, noch Sturm gelaufen wäre, will sich gegen den Irrsinn dieses Gesetzes nicht wehren. Aber das wiederum ist den Parteifunktionären immerhin noch peinlich, weshalb sie wie die Väter des Gesetzes von den Grünen sehr an einer möglichst geräuschlosen Beschlussfassung am Freitagnachmittag interessiert waren.
Kein unauffälliger Beschluss mehr?
Doch nun am Wochenbeginn zeigte sich, dass es auch für den neuen Anlauf zum unauffälligen Gesetzesbeschluss wieder Störfeuer gibt. Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann, dessen Klage vor dem Verfassungsgericht den letzten Abstimmungstermin zu Fall brachte, soll eine erneute Klage erwägen. Logisch wäre dies, denn die Abgeordneten hätten zwar nun genug Zeit gehabt, den Entwurf vor der Abstimmung zu lesen. Allerdings gibt es keine neuen Ausschussberatungen zu dem Gesetz, und als in den zuständigen Ausschüssen darüber beraten wurde, lag der Gesetzentwurf gerade erst ganz frisch auf dem Tisch. Könnte das Verfassungsgericht die Abstimmung jetzt erneut verhindern? Bei der Legal Tribune Online (lto.de) liest sich das so:
„Die Verfassungsmäßigkeit des geplanten Gesetzes ist weiterhin umstritten. Im Juli stoppte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auf Antrag des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann die Verabschiedung des Gesetzes vor der Sommerpause. Denn das BVerfG hielt aufgrund des hastigen Verfahrens eine Verletzung parlamentarischer Beteiligungsrechte für möglich (Beschl. v. 05.07.2023, Az. 2 BvE 4/23). Aufgrund der kontroversen Entscheidung soll das Gesetz nun erst Ende der Woche verabschiedet werden. Wie die Bildzeitung berichtet, hat der Abgeordnete Heilmann nach wie vor verfassungsrechtliche Bedenken, weil es keine weiteren Ausschussberatung mehr geben soll. Die Ampel müsse Debatten zulassen, um den Anforderungen des Verfassungsgerichts zu genügen, wird der Staatsrechtler Prof. Dr. Christoph Degenhart zitiert.“
Also darf man noch hoffen, dass die Abstimmung über das Gesetz wieder in letzter Minute verhindert wird? Oder werden die Verfassungsrichter befinden, dass ein Sommer des Gesetzentwurf-Lesens und eine Debatte von 90 Minuten im Plenum den demokratischen Standards Deutschlands genügen? Vor Gericht und auf hoher See ist man, wie der Volksmund sagt, allein in Gottes Hand. Hilft jetzt nur noch beten?
Unabhängig von solchen Glaubensfragen hat der Vorstoß eines immerhin erreicht: Ein nahezu geräuschloses Durchwinken des Gesetzes wird es am Freitag nicht geben, selbst wenn es am Ende beschlossen wird.
Zumal am Montag auch noch ein Vertreter eines gewichtigen Gremiums öffentlich Nachbesserungen an dem Gesetz gefordert hat: Lutz Goebel, der Vorsitzende des Normenkontrollrates der Bundesregierung. In einem Bericht von n-tv heißt es:
„Der Vorsitzende des Normenkontrollrates der Bundesregierung, Lutz Goebel, befürchtet großen bürokratischen Ballast in dem von der Ampel-Koalition geplanten Heizungsgesetz. Das Vorhaben sollte daher noch einmal auf seine bürokratischen Folgen hin überprüft werden, sagte Goebel der 'Rheinischen Post': 'Hier gibt es große Unsicherheiten und ich appelliere, im parlamentarischen Verfahren das Gesetz noch mal genau zu prüfen.'“
Auch wenn die drei Ampelmännchen Scholz, Habeck und Lindner nach ihrer Klausur in Schloss Meseberg ihre eigene Regierung einhellig in den höchsten Tönen gelobt haben, dürfte ihnen doch wohl bewusst sein, dass sie sich gerade in einem Popularitätstief befinden. Ist ihnen das egal und sie ziehen das Heizungsgesetz jetzt trotzdem durch, koste es, was es wolle, oder denken sie auch selbst über ein wenig Zurückrudern nach? Vielleicht spekulieren sie darauf, dass es in den nächsten Tagen doch erneut Anlass dafür gibt, dass sich fast alle Medien wieder mit Aiwanger beschäftigen. Man kann nur hoffen, dass möglichst viele Kollegen in den reichweitenstarken Medien dieses Spiel nicht mitspielen. Denn für die Zukunft vieler Bürger ist das Ja oder Nein zum Heizungsgesetz wichtig. Nicht nur für Eigenheimbesitzer, sondern auch für unzählige Mieter. Denn ob bzw. in welcher Form dieses Gesetz in Kraft tritt, entscheidet auch mit darüber, wem die Mietshäuser in diesem Land künftig gehören. Es geht schlicht darum, ob es auch in Zukunft noch in nennenswerter Zahl kleinere private Vermieter auf dem Mietwohnungsmarkt gibt oder diese sich durch gesetzlich dekretierte Überforderung dazu genötigt sehen, an große Gesellschaften oder Heuschrecken zu verkaufen. Es geht um viel am Ende dieser Woche.