Seitdem die Grünen auch im Bund eine echte Machtperspektive haben, ist es an der Zeit, einmal genauer der Frage nachzugehen, ob von ihnen tatsächlich die Gefahr einer Öko-Diktatur ausgeht, wie ja nicht selten behauptet wird. Es geht dabei im Wesentlichen um die Befürchtung, dass die unter erheblichem Zeitdruck stehende, entbehrungsreiche „Große Transformation“ unserer Gesellschaft in eine CO2-freie Zukunft nicht mit wesentlichen Charakteristika eines demokratisch-parlamentarischen Systems vereinbar sein werde. Denn in einer Demokratie mit ihrer Gewaltenteilung dauern die zudem oft durch Kompromisse verwässerten Entscheidungen und deren Umsetzung einfach zu lange.
Auch macht die Abhängigkeit von der Gunst des Wählers und seiner Leidensfähigkeit den Erfolg langfristiger und tiefgreifender Umgestaltungen immer unwägbar. Der Wähler vermag zudem nicht immer den höheren Sinn oder die Alternativlosigkeit bestimmter Vorhaben richtig zu erfassen. Es könnte also die Versuchung groß sein, ihn besser nicht mitentscheiden zu lassen. Also ein diktatorisches politisches System zu etablieren, das man – in Anlehnung an die Definition von Karl Popper – ohne Blutvergießen, nur durch eine Abstimmung, nicht wieder los wird.
Waren für Lenin die Gewerkschaften und später auch andere Organisationen der Transmissionsriemen, der die Ideologie der in der Partei organisierten Avantgarde in die rückständigen Teile von Arbeiterschaft und Gesellschaft tragen sollte, sind es bei den Grünen die diversen Vertreter der sogenannten Zivilgesellschaft, also NGOs, wissenschaftliche Institute, Initiativen, bestimmte Unternehmen, Vereine und Aktivisten. Also der ganze Dunstkreis, der sich zum Thema Klimawandel in den letzten Jahrzehnten gebildet hat und dessen Existenz stark oder ausschließlich von einem anhaltenden Hype um Klimawandel und Klimaschutz und damit weiter sprudelnden staatlichen Finanzquellen abhängt.
In diesem ganz überwiegend mit Steuergeldern finanzierten Klima-Speckgürtel liegt die Dichte an Klimafanatikern möglicherweise noch höher als in der Bundestagsfraktion der Grünen. Das lässt auch das folgende Zitat eines langjährigen Mitglieds des Episkopats der Klimakirche vermuten, der blumig und durchaus stalinistisch getönt den besonders aktiven Mitgliedern seiner Glaubensgemeinschaft huldigt als „Pioniere des Wandels, ermächtigt durch den Dreiklang von Haltung, Wissen und Fähigkeiten“. Es besteht zweifellos die reale Gefahr, dass unter einer grün dominierten Bundesregierung dieser Sektor zum einen noch massiver aufgebläht wird und zum anderen in vielen gesellschaftlichen Bereichen ohne wirkliche demokratische Legitimation Fakten schafft.
In die Freiheit des Einzelnen eingreifendes, ausuferndes System
Wie hat man sich eine Öko-Diktatur nun konkret vorzustellen? Tatsächlich in Form eines diktatorischen Einparteienstaates? So mit allem Drum und Dran, einschließlich eines großzügig ausgestatteten polizeilichen und geheimdienstlichen Unterdrückungsapparates samt geeigneter Unterbringungsmöglichkeiten für Rechts-Abweichler jeglicher Art, die dort dann tatsächlich mal die „ganze Härte des Rechtsstaates“ zu spüren bekommen würden? Vielleicht. Auf jeden Fall aber als ein stark in die Freiheit des Einzelnen eingreifendes, ausuferndes System von zahllosen Verboten, Geboten und finanziellen Bürden, bis man eines Morgens endgültig in der CO2-geminderten Öko-Hölle aufwacht.
Verschärfend kommt bei solchen Erwägungen hinzu, dass bei den Grünen zweifelsohne eine nicht unerhebliche Risikodisposition für den Marsch in ein undemokratisches System gegeben ist. Da ist zum einen ihr Selbstbild: Sie sehen sich als Vorkämpfer und Bewahrer von Menschenrechten, Weltoffenheit und eben Demokratie. Aber spätestens gleich rechts von Merkel ist schon Schluss mit der Toleranz. Die andere Risikodisposition der Grünen, nämlich ihre Neigung zum Erziehen, Bevormunden, Verbieten, Kontrollieren und Regulieren, gerne in Verbindung mit entsprechenden Steuern und großem Vertrauen in die Weisheit staatlicher Planungsbürokratien, ist bekanntlich wesentlicher Bestandteil ihrer DNA.
Eine solche Ausgangssituation kann in der Tat dann besonders demokratiegefährdend werden, wenn sie verbunden ist mit dem Kampf für ein großes, heroisches Ziel. Das liegt hier zweifelsohne vor: Die Rettung von Menschheit und Planeten aus den Klauen des menschengemachten Klimawandels. Größenwahnsinnige Themen dieser Art implizieren, dass man, wenn es wirklich hart auf hart kommt, auf das Individuum und seine Rechte keine Rücksicht nehmen kann. Was gilt der Einzelne, wenn es um die Menschheitsrettung geht? Oder, wie es die prominente Nachwuchs-Grüne und Klimafanatikerin Luisa Neubauer im Gespräch mit Springer-Chef Mathias Döpfner kürzlich formulierte: „Bei der Klimakrise kann man nicht weit genug gehen.“ Da ist sie trotz verbaler Bekenntnisse zur Demokratie ganz eng bei Schellnhubers Ruf aus dem Potsdamer Klimabunker nach einer „Kriegswirtschaft“, die es letztlich wohl nur werde richten können.
Trotz aller Risikofaktoren wird in den nächsten Jahren aller Voraussicht nach die parlamentarische Demokratie überdauern, es also keine wirkliche Öko-Diktatur geben. Denn: Zur Umsetzung ihrer Agenda – ein entsprechendes Ergebnis bei der nächsten Bundestagswahl mal vorausgesetzt – brauchen die Grünen zumindest zunächst gar kein diktatorisches Regime. Es reicht völlig, den in den letzten Merkel-Jahren eingeschlagenen Weg hin zu einer teilentkernten, sozusagen Light-Version von freiheitlicher Demokratie konsequent, kreativ und entschlossen weiterzugehen.
Schon herrscht wieder Ruhe im Karton
Also beherzt und ungerührt von eventuell hinderlichen Gesetzen und Vorgaben und ohne lästige Diskussionen im Bundestag das Land in bezug auf CO2 voranzubringen. Das wird auch deshalb so gut funktionieren, weil nahezu alle Parteien ganz scharf auf Klimaschutz sind und sich außerdem weiterhin nicht trauen werden, irgendetwas mit AfD-Urheberschaft auch nur ansatzweise zu unterstützen. Diese Solidarität gegen die rechten Klimaleugner schweißt zusammen. Insofern will es für die Grünen gut überlegt sein, ob ein Verbot der AfD tatsächlich erstrebenswert ist. Obwohl das eigentlich ein Selbstgänger wäre – etwa durch die Implementierung des Klimaschutzes ins Grundgesetz mit solider Zweidrittel-Mehrheit. Dann könnte man den Klimaleugnern und Flüchtlingsfeinden mit Unterstützung des Bundesverfassungsgerichts endlich den Stecker ziehen, und das auch noch superdemokratisch.
Unsere Qualitätsmedien werden den endlich konsequent angegangenen Klimaschutz ganz überwiegend bejubeln. Dass im Wirtschaftsteil einiger Zeitungen ein bisschen rumgenölt wird, geschenkt. Sollten im Verlaufe des opferreichen Klimakampfes zu viele Medien drohen, von der Fahne zu gehen, lanciert man geschickt eine geplante staatliche Subvention, eine Art Demokratieabgabe für unsere Printmedien und ihre digitalen Ableger. In deren Genuss können aber natürlich nur wirkliche Qualitätsmedien kommen, die eine unabhängige Kommission sorgfältig auswählen wird. Schon herrscht wieder Ruhe im Karton.
Für die ganz harten, sozusagen hoffnungslosen Fälle – renitente Medien, Unternehmen, Individuen und Bürgerinitiativen gegen Windkraft – bleibt noch die Antifa, mit der vor allem die Grüne Jugend sich zunehmend enger verbinden wird, beflügelt von ihrem jetzt deutlich besseren Zugriff auf die zahllosen Fördertöpfe für Projekte gegen Rechts, für Refugees jeglicher Art und natürlich den Klimaschutz. Hier gilt sie noch, die im grünen Universum eigentlich ja obsolete Erziehungsdevise: Wer nicht hören will, muss fühlen!
Worauf müssen wir uns mittelfristig – die Anfangseuphorie ist längst abgeklungen – am ehesten einstellen? Zunächst auf ein Scheitern der sogenannten Klimarettung. Warum? Trotz aller deutschen Anstrengungen ging die globale CO2-Emission erneut nur unwesentlich zurück, und auch in Deutschland wurden die ambitionierten Reduktionsziele nicht erreicht. Der bereits zum Start der forcierten deutschen Klimaschutzpolitik deutliche Konjunkturabschwung hat inzwischen richtig Fahrt aufgenommen, samt der dazugehörigen Massenarbeitslosigkeit. Völlig überraschend für die Grünen hat das Klimaschutzprogramm doch nicht als Jobmaschine gewirkt. Auch die Hoffnung, international als Modell für einen erfolgreichen Klimaschutz – mit ansteckender Wirkung – wahrgenommen zu werden, hat sich nicht erfüllt. Es könnte sxchnell wieder die alte Erkenntnis von Bertolt Brecht gelten: „Erst kommt das Fressen, dann die Moral.“
Bei Polizei und Bundeswehr sind die Grünen unbeliebt
Allerdings wird das Thema für den weiterhin grünen Teil der Gesellschaft moralisch hoch aufgeladen bleiben, denn die Klimakatastrophe ist für sie ja weiterhin ungebrochen virulent. Bei den Grünen und ihrem nun von finanzieller Austrocknung bedrohten Dunstkreis gewinnen deshalb die Fanatiker und die Anhänger einer Postwachstumsökonomie endgültig die Überhand: Man müsse jetzt die Anstrengungen verdoppeln. Tabus dürfe es endgültig keine mehr geben. Hätten die Öko-Fanatiker jetzt die Sicherheitskräfte, also Polizei und Bundeswehr, fest an ihrer Seite, wäre die Transformation der deutschen Restdemokratie in ein diktatorisches Einparteiensystem eine nicht unwahrscheinliche Perspektive.
Aber nirgendwo sind die Grünen so unbeliebt wie bei Polizei und Bundeswehr. Daran ändert auch ihr Versprechen nichts, ab sofort die Diensträume wieder ordentlich zu beheizen. beim entsprechenden Ausgang von Neuwahlen würde der grüne Klima-Spuk dann endlich beendet und die traurige Konkursmasse vermessen: Deutschland wird nun auf unabsehbare Zeit ganz kleine Brötchen backen, moralisch und materiell.
Nun ist ein Blick in die Zukunft immer mit Unwägbarkeiten verbunden. Und vielleicht kommt es alles ganz anders, weil bereits 2020 ein große Banken-Crash dazwischen kommt, wie hier gemutmaßt wird. Dann backen wir nämlich schon früher kleine Brötchen, und auch den Klimaschutz wird es allenfalls in der Extra-Light-Variante geben. Was dem Klima aber ziemlich egal ist.