Cora Stephan / 09.06.2022 / 10:00 / Foto: Pixabay / 32 / Seite ausdrucken

Stimme der Provinz: Pride Month auf dem flachen Land

Die Regenbogenbeflaggung am REWE ignorieren wir. Man darf bezweifeln, dass sie damit mehr Wurst verkaufen. Bunt und stolz und divers und queer, ist schon in Ordnung. Macht ihr nur! Wir wollen das alles gar nicht wissen.  

Die Provinz galt als angestammtes Habitat des Blockwarts, wo Matronen und Hausmeister die Ellenbogen aufs Kissen im offenen Fenster stemmen, um den unsittlichen Lebenswandel der Nachbarn zu studieren. Das Dorf als Inferno von Überwachen und Strafen.

Das war einmal – wenn es denn je so war. Heute und da, wo ich wohne, lebt man völlig unbelästigt, sofern man keine Hühnerphobie hat oder einzylindrige Traktoren nicht zu schätzen weiß. Hier ziehen selbst die Rasenmäher nur flüsternd durchs Kraut und die Nachbarn haben – dankeschön! – anderes zu tun als auf Beobachtungsposten zu gehen. Zum Beispiel morgens früh mit dem Jagdgewehr auf den Ansitz.

Kurz: Wir sind ignorant und stolz darauf! Auch und erst recht im „Pride Month“. Wie es wer mit wem treibt, interessiert die meisten von uns höchstens, wenn es im eigenen Bett geschieht. Wir erkennen übrigens ohne weiteres, ob eine Person Mann oder Frau ist, obwohl das ja noch nicht einmal Ärzte können, wie der staatlich beauftragte Sven Lehmann meint. So sind wir!

Weshalb wir stoisch die Regenbogenbeflaggung am REWE ignorieren. Man darf bezweifeln, dass sie damit mehr Wurst verkaufen. Bunt und stolz und divers und queer, ist schon in Ordnung. Macht ihr nur! Wir wollen das alles gar nicht wissen.  

Interessant wird die Periode, wenn sie ausbleibt

Ebensowenig interessiert, übrigens, ob die Nachbarin ihre Tage hat – das wird hierzulande weder tabuisiert noch wird die Betreffende stigmatisiert, sie muss sich nicht verstecken und gilt auch nicht als unrein, das ist sie nur in gewissen Kulturen. Doch muss man den anderen deshalb gleich die blutige Unterwäsche unter die Nase halten? Spannend wird es erst, wenn die letzte Periode schon ein paar Monate her ist, dann freuen wir uns mit den Eltern.

Insofern: Mitleid mit den woken Städtern. Dort scheint man sich ständig darüber zu unterhalten, ob man trans oder lesbisch oder bi oder queer oder schwul ist oder sich zumindest so fühlt oder darüber, wer das wann oder wie nicht oder falsch wahrgenommen hat, weshalb man die Kinder schon im Vorschulalter drauf trainieren muss. Was für ein anstrengendes Leben! Und dann dieses dauernd beleidigt sein müssen, weil ein Pronomen falsch ist oder, huch, der „Deadname“ benutzt wurde – also Markus statt Tessa! Mittlerweile ist manch einer nicht nur erregt, wenn der Unaussprechliche karikiert wird, was Charlie Hebdo ein Blutbad eingebracht hat, jetzt muss schon den Kotau machen, wer Armut für erheblicher hält als das stolze Vorzeigen der richtigen Regenbogengesinnung.

Schwarze Menschen in der Werbung

Ja, die Frage ist berechtigt, wieso die öffentlich-rechtlichen Medien sich anmaßen, Propaganda für queertranse Aktivisten zu machen und wieso eine Kritik daran „Hetze“ sein soll. Das nervt langsam mindestens ebenso wie die Neigung allerhand Werbetreibender, die deutsche Gesellschaft so vorzustellen, wie sie mehrheitlich (noch?) nicht ist.

Vor allem aber fragt sich der eine oder andere ignorante Provinzler, was es Politik und Staat angeht, wer wie wen liebt oder wie sich wer gerade fühlt. Die Erfindung der Privatsphäre ist eine überaus hilfreiche Errungenschaft, und noch immer gilt ihre Unverletzbarkeit als Menschenrecht. Im geschützten privaten Raum darf jeder sein und tun, was er sein und tun will, ohne dass sich Kirche und Staat einzumischen haben. Die neue politische Übergriffigkeit aber zielt nicht nur auf die „Lufthoheit über den Kinderbetten“ (so einst Olaf Scholz), man politisiert freudig strahlend intimste Bereiche. Der Spruch aus den 70er Jahren „Das Private ist politisch“ war womöglich anders gemeint. Heute ist er treffender Ausdruck der neuen Dreistigkeit.

Lasst uns in Ruhe!

Lasst uns, lasst sie doch einfach in Ruhe. Gewonnene Kämpfe müssen nicht dauernd wiederaufgeführt werden. Auch allgemeiner Jubel über den „Pride Month“  ist Diskriminierung – der benevolenten und umso peinlicheren Art.

„Meine Sexualität ist meine Sache – und nicht die Sache eines Kulturkampfes oder Instrument für wirre, identitätspolitische Visionen einer dekonstruierten Gesellschaft“, schreibt Max Roland. „Ja, ich bekenne mich: Ich hänge der schrecklich reaktionären Ansicht an, einfach in Ruhe gelassen werden zu wollen.“

So einfach ist das. Und so schön wäre es, wenn sich insbesondere Politiker:Innen daran halten würden.

 

Das neue Buch von Cora Stephan heißt „Lob des Normalen: Vom Glück des Bewährten“.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Thomas Szabó / 09.06.2022

Die Selbstverständlichkeiten betreffend der sexuellen Vielfalt sollten wir in der islamischen Welt und in Afrika betonen.

Peter Woller / 09.06.2022

Selbst die kleinsten Provinzen im flachen Land werden inzwischen inflationär und flächendeckend mit “Anti-Nazi-Aufklebern” überzogen. Antifa hier, Antifa da, “Nazis aufs Maul”, “Wer mit Nazis spaziert, hat nichts kapiert”, “FCK NZS” als Klassiker. Ein gutes Dutzend solcher Aufkleber habe ich von Laternen und Schildern abgezogen, habe es aber inzwischen aufgegeben. Der Zeitgeist ist rot-grün.

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