Gunnar Heinsohn / 22.01.2019 / 14:00 / Foto: AMISOM / 13 / Seite ausdrucken

Sterben für Afrika?

Somalias Al-Shabaab tötet Gäste im Dusit-Hotel von Kenias Hauptstadt Nairobi. Zehn UN-Friedenswächter aus dem Tschad werden von Al Qaeda-Kriegern in Mali umgebracht, wo man den Ausnahmezustand bis Oktober 2019 verlängert. Frankreich beklagt dort seit 2013 über zwanzig Gefallene aus seinen Eliteeinheiten. Auch Deutschland ist dabei und hat zwei Piloten verloren.

Nachrichten aus dem Januar 2019! Sollte in den Gebieten nicht eigentlich längst Ruhe eingekehrt sein? Ist absehbar, wie lange das noch weitergeht? Lohnt sich das Sterben? Schafft es wirklich Frieden und Wohlstand, damit die Jugend daheim beleibt und nicht mehr nach Europa strebt?

Seit 1960 springen die Bevölkerungen in Somalia und Tschad von rund 3 auf 16, in Mali von 4 auf 20 Millionen. 2050 sollen es 41, 28 und 42 Millionen sein. In nur 90 Jahren schaffen die drei Länder einen Anstieg von 10 auf 110 Millionen. Deutschland läge bei einer Zunahme um den Faktor elf seit 1960 bei 800 Millionen Einwohnern im Jahre 2050 – die Nummer drei nach Indien und China. Siehe hier und hier.  

In Tschad sinkt das Pro-Kopf-Einkommen seit 2014, in Mali stagniert es, für Somalia gibt es keine Daten. Beim Kriegsindex allerdings gehören die drei Länder in die Weltspitzengruppe: 6.6 (Mali), 6.4 (Somalia) und 5.7 (Tschad), (Quelle: G. Heinsohn, “Security implications of changing demographic trends”, NATO Defense College (Rom). 16. Januar 2019).

Auf 1.000 ältere Männer (55 bis 59 Jahre), von denen viele selbst kaum etwas verdienen, folgen 6.600, 6.400 beziehungsweise 5.700 Jünglinge (15 bis 19 Jahre), die den Lebenskampf aufnehmen müssen. Bei Deutschlands Faktor von 0.65 hingegen können sich 650 Junge – soweit sie schreiben und rechnen können – das Beste aus den Karrieren von 1.000 Alten aussuchen. Selbst Frankreichs höherer Index von 0.99 bedeutet immer noch, dass mit jedem Gefallenen – statistisch der einzige Sohn – eine Familienlinie ausgelöscht wird.

Wie lange können vergreisende Nationen den einzigen Sohn oder gar das einzige Kind in Todesgefahr schicken, um in der Ferne zehn dritte oder vierte Brüder vom Töten für ein Gleichgewicht zwischen Ambitionen und Positionen abzuhalten? Vor den Einsätzen hat man nach den Ursachen für die Konflikte nicht gefragt, sich aber ihre Beendigung zugetraut. Wenn andere Regierungen die Einsätze in ein paar Jahren einstellen, wird man immer noch nicht verstehen, warum man sie begonnen hat. Als zuverlässige Größe bleibt immerhin die Ahnungslosigkeit des politischen Personals.

Gunnar Heinsohn (*1943) lehrt seit 2010 Kriegsdemographie am NATO Defense College (NDC) in Rom. In Stavanger hat er am 23. Oktober 2018 die Grundsatzrede zum 15. Geburtstag des Joint Warfare Center (JWC) der NATO gehalten.

Foto: AMISOM Flickr CC0 via Wikimedia

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Marcel Seiler / 22.01.2019

Mir fällt nur eine Lösung ein, denn der Versuch einer Befriedung mit militärischen Mitteln ist aussichtslos. Diese Lösung ist die Eindämmung: Maximaler Schutz der eigenen Grenzen (dies müsste Europa aufgrund der haushohen technischen Möglichkeiten können) und es den Afrikanern überlassen, eine Lösung zu finden oder auch nicht. Technische, politische und rechtliche Beratung sollten wir geben, ebenso Hilfe bei Ausbildung und Kontrolle der Bevölkerungsexplosion, aber keine wirtschaftliche Hilfe, die in der Vergangenheit nichts gebracht hat. Und dann abwarten. Mehr können wir nicht sinnvoll tun.

Florian Bode / 22.01.2019

Es ist zynisch, aber die Soldaten der “westlichen” Länder sollten lieber die Landesgrenzen sichern. In Afrika wird es (wenn überhaupt) Frieden geben, wenn sich ohne äußeres Zutun ein Äquilibrium eingestellt hat.

Michael Stoll / 22.01.2019

Deutschland ist so verrückt, dass es für viel Geld seine Soldaten nach Afghanistan schickt, die dort sinnlos ihr Leben riskieren müssen und gleichzeitig ermöglicht die Regierung dem Leibwächter Bin Ladens und seinen radikalislamischen Kampfgefährten (für noch mehr Geld) ein schönes Leben in Deutschland. Wo liegt da der Sinn? Entweder man bekämpft den radikalen Islamismus oder man importiert ihn. Unsere Regierung macht beides gleichzeitig, das Erste allerdings nur zum Schein und das Zweite mit viel “Erfolg”.

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