Stefan Frank / 09.11.2019 / 16:00 / Foto: Alicia Brand / 5 / Seite ausdrucken

Stellen die USA Militär-Hilfen für den Libanon ein?

Die Vereinigten Staaten haben angeblich ihre Hilfen für die libanesische Armee eingestellt. Das meldet exklusiv die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf zwei ungenannte Offizielle aus dem US-Außenministerium. Reuters will am Donnerstag letzter Woche davon erfahren haben, zwei Tage nach dem Rücktritt des libanesischen Ministerpräsidenten Saad al-Hariri.

Dem Bericht zufolge soll es um militärische Güter im Wert von 105 Millionen Dollar gehen, die die USA offenbar bereits zugesagt, nun aber gestoppt hätten. Das Budgetbüro des Weißen Hauses und der Nationale Sicherheitsrat hätten dem Bericht zufolge beschlossen, die Hilfen zurückzuhalten, so die beiden Mitarbeiter des State Department gegenüber der Nachrichtenagentur. Das Außenministerium habe dem Kongress keinen Grund genannt, warum die Gelder zurückgehalten würden, soll einer der beiden Informanten gegenüber Reuters gesagt haben.

Aus dem US-Außenministerium gibt es keinen Kommentar zu dem Bericht. Wie Reuters weiter berichtet, habe sich das Weiße Haus noch im Mai hinter die Finanzhilfen für die libanesische Armee gestellt und argumentiert, diese seien für den Libanon wichtig, um seine Grenzen zu schützen. Zu den Gütern, die die USA der libanesischen Armee liefern, gehören etwa Nachtsichtgeräte und Funkgeräte.

Amerikanische Wunschvorstellung

Wieso eigentlich unterstützen die Vereinigten Staaten die Armee eines Staates, der von der vom Iran gesteuerten Terrororganisation Hisbollah regiert wird (sogar Libanons Präsident Michel Aoun ist ein Verbündeter der Hisbollah) – also eigentlich ein Satellit des Ayatollah-Regimes ist? Diese Politik geht zurück auf das Jahr 2006. Der letzte Krieg zwischen der Hisbollah und Israel brachte eine westliche Denkschule hervor, die die Anschauung vertritt, dass man die Hisbollah schwächt, indem man die Institutionen des libanesischen Staates stärkt. Seit 2014 kam dann auch noch die Sorge hinzu, der Islamische Staat könne sich im Libanon breit machen. Das State Department erklärt diese Beziehungen auf seiner Website so:

„Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Sicherheitspartner des Libanon. Seit 2006 haben die Vereinigten Staaten dem Libanon Sicherheitshilfe in Höhe von über 1,7 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt. Die US-Hilfe unterstützt die Fähigkeit der libanesischen Streitkräfte, die libanesischen Grenzen zu sichern, internen Bedrohungen entgegenzuwirken und nationales Territorium zu verteidigen.“

Durch die Bereitstellung von Flugzeugen, Munition, Fahrzeugen und der dazugehörigen Ausbildung habe die libanesische Armee ihre „Fähigkeiten als Kampfeinheit gegen gewalttätige Extremisten erheblich ausgebaut“. Darüber hinaus unterstütze die US-Hilfe die libanesischen Sicherheitskräfte dabei, „kriminelle und terroristische Bedrohungen und deren Ursachen zu verhindern“, „das libanesische Territorium und die libanesische Bevölkerung zu schützen“ und „Rechtsstaatlichkeit“ aufrechtzuerhalten.

Das ist die Wunschvorstellung. Sie entstand vor dem Hintergrund der im Jahr 2006 verabschiedeten UN-Resolution 1701. Diese forderte die vollständige Umsetzung des Taif-Abkommens – das den libanesischen Bürgerkrieg beendete – und der UN-Resolutionen 1559 und 1680: nämlich, dass es im Libanon keine bewaffneten Gruppen außer der libanesischen Armee geben darf und alle anderen Gruppen entwaffnet werden müssen.

Hisbollah „stärker als je zuvor“

Die Idee war also, dass die libanesische Armee das Gewaltmonopol erhält und, unterstützt von den USA, dafür sorgt, dass dies auch so bleibt. Dies ist aber nie geschehen. Die Hisbollah wurde nicht entwaffnet; sie rüstete immer weiter auf und ist heute nach den Worten ihres Chefs Hassan Nasrallah „stärker als je zuvor“.

Zur Herstellung von Rechtsstaatlichkeit hat die libanesische Armee wenig beigetragen. Sie tut entgegen ihrer aus der UN-Resolution 1701 erwachsenden Verpflichtung nichts gegen die Aufrüstung der Hisbollah, geschweige, dass sie Anstrengungen zu deren Entwaffnung unternähme – das könnte sie auch gar nicht, weil sie viel schwächer ist. Die Militärgüter, die die USA der libanesischen Armee geliefert haben, werden mit Sicherheit niemals gegen die Hisbollah eingesetzt werden.

So, wie die Waffen, mit denen die Vereinigten Staaten die irakische Armee versorgt haben, 2014 in den Händen des Islamischen Staates landeten, so unterliegen die in den Libanon geschickten Militärgüter de facto der Kontrolle der Hisbollah, die auf sie zugreifen kann, wann immer sie will. Wer sollte sie daran hindern? Die UNO-Schutztruppe UNIFIL zeigt sich völlig wehrlos und ebenso unfähig und unwillig, der Hisbollah irgendwelche Regeln zu diktieren. Diese errichtet im Libanon Raketenfabriken, baut in der „entmilitarisierten“ Zone an der israelischen Grenze ihre Angriffstunnel und schießt Granaten nach Israel – währenddessen droht Libanons Präsident Michel Aoun dem Staat Israel mit Krieg.

Kein Unterschied zwischen Staat und Terrororganisation

Die Hisbollah kontrolliert den Hafen und den Flughafen von Beirut und ist Teil der Regierung des Landes. Wie kann man das ignorieren und so tun, als gäbe es einen Unterschied zwischen dem libanesischen Staat und der Terrororganisation – wo die Hisbollah im Libanon ja sogar Straßen nach Terroristenführern benennt?

Israel beobachtet die Hilfen für die libanesische Armee seit Jahren schweigend, aber mit Unbehagen. Shaul Shay, ein ehemaliger stellvertretender Vorsitzender von Israels Nationalem Sicherheitsrat und Forscher am International Institute for Counter-Terrorism in Herzliya, sagte der jüdischen Nachrichtenagentur JNS im Juni, es sei ein „Fehler“, dass Frankreich und die USA die libanesische Armee unterstützen: „Die Armee des Landes basiert zu einem bedeutenden Teil auf schiitischen Rekruten, die eng mit der Hisbollah zusammenarbeiten.“

Während des Bürgerkriegs in Syrien habe die libanesische Armee an der Grenze gemeinsam mit der Hisbollah gegen den Islamischen Staat und die Nusra-Front operiert. „Es ist ein Irrtum, da eine Unterscheidung zu treffen. Solange die Hisbollah die wichtigste bewaffnete Miliz im Libanon ist, viel stärker und besser ausgerüstet als die Armee des Landes, denke ich nicht, dass es eine gute Idee ist, dass irgendein ausländischer Staat das libanesische Militär unterstützt.“

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Mena-Watch.

Foto: Alicia Brand via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Silvia Orlandi / 09.11.2019

Kriege im Nahen Osten lohnen sich für den kaufmännisch denkenden Trump im Moment nicht. Sollen die Krauts doch aufrüsten und wirtschaftlich schwächer werden. Höre ich Merkel und AKK sind Sie doch voll auf Trumps und Macrons Linie : aufrüsten und weltweit mitmischen. Macron träumt von der Grand Nation im Verbund mit Groß— Deutschland.  Aber europäische Grenzen sichern mit dem Bundesgrenzschutz ist „nicht möglich.“(Merkel) Wo ist der Aufschrei unserer Gutmenschen und Kirchen, Fluchtursachen, Kriege , Not und Armut zu bekämpfen?  Waffenexporte und Kriegseinsätze sind ja wohl keine Frieden stiftenden Maßnahmen. Ja, Ami Go Home und Deutsche bleibt Zuhause und verplempert nicht unsere Steuern in Afghanistan, Mali oder wo ihr noch seid oder in Zukunft sein wollt. Israel braucht die USA, sollte aber stets wachsam sein und sich auf die „Freunde“ nicht zu sehr verlassen, ich denke dabei an den Abzug der Amerikaner aus Vietnam , Afghanistan oder den failed state Irak nach Abzug oder aktuell die Kurden. Überall nur verwüstete Länder, viel Blut vergossen und nichts!!, gewonnen.

Wolfgang Kaufmann / 09.11.2019

Ich wüsste da noch den einen oder anderen gescheiterten Staat, der es nicht schafft, private Milizen zu entwaffnen; mal schauen, wie sich Donald Trump hier positioniert. Ich glaube auch nicht, dass sein Nachfolger bis 2031 auf die deutsche Zwei-Prozent-Marke warten will. Inzwischen ist das deutsch-amerikanische Verhältnis hochgradig zerrüttet; das verheißt nichts Gutes. Es ist Zeit für einen Wachwechsel.

Gerd Heinzelmann / 09.11.2019

Hat dazu Mr. Grenell nicht schon eindeutig Stellung bezogen? Entschuldigung, aber ich bin kein MdDB. Eine Meinung habe ich trotzdem. MfG

Wolfgang Richter / 09.11.2019

Es wird doch wohl keiner aus dem Biden-Clan bei einem korrupten Unternehmen im Libanon einen Job gehabt haben?

beat schaller / 09.11.2019

Ein grosses Karussell, das zu beurteilen sehr schwierig ist. Ich würde mir hierzu keine Meinung anmassen und glaube aber, dass die Entscheidungsträger für ihr Handeln bestimmt Gründe haben. Warum sollten sie diese den Öffentlich machen? Gerade in diesen Regionen sind viele Player am Werk, vielleicht auch zu viele?. Danke für den Bericht. b.schaller

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