Gastautor / 12.02.2019 / 06:25 / Foto: Roggenkamp / 43 / Seite ausdrucken

Stella: Was der Deutsche aus dem macht, was er gemacht hat

Von Viola Roggenkamp.

Arme Stella! Über den Tod hinaus muss die schöne Jüdin den Deutschen als fetter Braten dienen. Bis 1945 über drei Jahre lang als Judenjägerin für die Gestapo in Berlin, heute als Trüffelschwein für den Hanser Verlag in München und seinen Autor Takis Würger sowie für jene deutschen Presseorgane, die sich gern antisemitisch hervortun gegen Israel, nun aber nicht genug der eloquenten Schmähworte finden können über einen Trivialroman, der keine Zeile verdiente, ginge es nicht um die Deutschen und ihre toten Juden. 

Sowieso machen die Deutschen mit ihren Juden, was sie wollen. Herrschte im Dritten Reich diesbezüglich allgemein Einigkeit, ist heute ein Streit darüber entbrannt, wie das „unaussprechliche Leid“ (so die amtliche Floskel für die Shoa) literarisch nacherzählt werden darf. 

Nicht um der toten oder der lebenden Juden willen wird in deutschen Feuilletons gestritten. Es geht allein um das eigene Selbstbild. So wie Takis Würger dürfe man nicht. So wie der Hanser Verlag hätte man nie. Und sie ärgern sich, dass sie nicht selbst darauf gekommen sind. Dieser Wirbel jetzt! Dieses internationale Aufsehen seit Wochen! 

Voraussetzung ist natürlich, dass ein Verlagshaus von Renommee dahintersteht. Je trivialer zurechtgebogen die Herz-Schmerz-Geschichte um die Frau mit den jüdischen Wurzeln, desto größer der Umsatz, auch im Ausland, auch dort ist man begierig zu lesen, was der Deutsche von heute aus dem macht, was er gemacht hat. Wenn Spielberg & Co das dürfen, dürfen die Deutschen auch, schließlich haben sie es ja erfunden, und wer bitte hat denn Hollywood groß gemacht? Na? Na also. Die deutschen Geflüchteten. 

Auschwitz, Treblinka, Majdanek - deutsche Goldgruben

Welcher Jude hätte die Chuzpe, den Deutschen Geschäftstüchtigkeit absprechen zu wollen? Auschwitz, Treblinka, Majdanek waren deutsche Goldgruben. Und sie sind es wieder. Brandaktuelle Erinnerungsarbeit wird das, deutsche Vergangenheitsbereicherung, pädagogisch wertvolle Friedens-, Trauer- und Zukunftsarbeit. Hanser-Verleger Jo Lendle zum Beispiel fragt sich: Wie entsteht Schuld? Wie ist mit Schuld umzugehen? Wie hätte er sich selber verhalten? Man ahnt dahinter das menschlich großartige Eingeständnis, bei passender Gelegenheit vermutlich schuldig geworden zu sein, was wiederum die gemeine, verräterische Jüdin so wunderbar entlastet. 

Weitere Verleger und noch mehr Autoren werden ihren selbstgemachten Holocaust auf eine ihnen nützliche Weise entwerfen, verfassen, umschreiben, verfilmen, verkaufen, erledigen. Wer könnte sie daran hindern? Nicht das internationale Finanzjudentum und auch nicht der jüdische Staat, das großmächtige Israel. Und die alten Juden, die das erlebt und überlebt haben, deren bevorstehendes Ableben in Deutschland seit geraumer Zeit vorauseilend beklagt wird, könnten sie es? Könnten sie sagen, die Shoa ist unsere Geschichte, laßt ihr Deutschen die Finger davon, wenn ihr keine Juden seid? 

In Los Angeles hat die 87jährige Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin Ruth Klüger etwas Ähnliches gesagt: Schlicht für Kitsch halte sie die literarische Aneignung und Verwertung der Shoa durch nicht jüdische Autoren. Solche Art Literatur ziele zuallererst auf einen unmittelbaren Lustgewinn, der die Vermittlung der historischen Wahrheit verfehle. 

Die gleichen Deutschen, die meinen, als Erben der Nazizeit über die Juden von damals schreiben zu können, gehen gegen Mohammed-Karikaturen auf die Straße, weil sie von einem dänischen Christen und nicht von einem dänischen Muslim stammen, es sind die gleichen Deutschen, für die etwa „Onkel Tom‘s Hütte“ und die Emil Nolde-Gemälde von Eingeborenen aus Papua-Neuguinea rassistische Kunst sind. 

Wer schreibt denn endlich die Romane, die sich an die deutsche Wahrheit heranwagen? Wo sind die deutschen Autoren, die es einem Heinrich Mann und seinem „Untertan“ gleichtun könnten? Es gibt sie nicht.

Viola Roggenkamp hat Psychologie, Philosophie und Musik studiert, gehörte zum Gründungsteam der feministischen Zeitschrift Emma und hat mehrere Romane und viele Essays geschrieben. Sie lebt als freie Schriftellerin in Hamburg.

Foto: Roggenkamp

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Martin Stumpp / 12.02.2019

Wenn mein Eindruck nicht täuscht, dann hat seit 2015 das Gedenken an den Holocaust inflationär zugenommen. Berichte, Sendunge, Bücher, was auch immer. Jetzt dürfte es eher unwahrscheinlich sein, dass in den letzten drei Jahren diesbezüglich viele neue Erkenntnisse gewonnen wurden. Wenn dem aber so ist, liegt der Verdacht nahe, dass der Holocaust für politische Zwecke instrumentalisiert wird bzw. werden soll. Und wo politische Interessen Raum greifen ist für Anstand kein Platz mehr.

Thomas Taterka / 12.02.2019

Persönlich ist es mir lieber,  wenn junge Autoren in Dingen herumwühlen, die sie selbst tatsächlich erlebt haben. Egal was ihre Vorfahren mitmachen mussten. Also wo stecken die Denunzianten heute und was tun die , wie und warum? Da sollte die “Erzählung ” anheben. Die 30er und 40er sollten Tabu sein, es sei denn neue Fakten werden erstellt. Und davon gibt’s genug. - Für die Geschichtsschreibung ! Wenn ein junger Autor mutig neues ” Land ” betritt,  sag ich natürlich : ” Land Ho! “

F. Lutz / 12.02.2019

Nunja, ich sehe die Sache etwas anders. Oder dürfen dann auch nur noch Nachfahren der Ureinwohner über die Indianer schreiben? Und grundsätzlich ist die Frage nach dem “wer kann schon sicher sagen, er hätte anders gehandelt?” elementar. Und nicht als Entschuldigung für das Handeln der Täter, sondern als Warnung vor der eigenen Fehlbarkeit. Genauso wie Juden grundsätzlich die selben Menschen waren wie die Täter, welche für ihren Tot verantwortlich waren. Der einzige Unterschied lag darin, dass sie als Ziel des Hasses erkoren wurden. So wie in einer Schulklasse es immer die Mobber gibt, die Mitläufer und die Gemobbten. Und auch dort ist das Opfer nicht automatisch frei von charakterlichen Fehlern, sondern unter anderen Umständen könnte ein Opfer eben auch Mitläufer oder Täter sein. Das ist auch der Grund, warum ich eine uneingeschränkte Beistandspflicht zu Israel als falsch erachte. Denn ist es richtig Israel auf einem (potentiell) falschen Weg zu folgen, nur weil sie selbst oder auch die Vorfahren einmal die Opfer unserer Vorfahren waren? Es geht nicht um das uneingeschränkte Existenzrecht Israels, will ich dabei betonen.

Klaus Klinner / 12.02.2019

Ich schwanke zwischen Zustimmung und eigenem Unverständnis. In der Sache gebe ich Frau Roggenkamp recht, die Form lässt mich zweifeln. Wer oder was ist denn etwa DER Deutsche? Ist es DER, der aktiv Juden mit vernichtet hat? Ist es DER, der passiv zugesehen hat und sich freute, dass er verschont blieb? Ist es DER, den das Ganze überhaupt nicht interessierte oder DER, der sich einen Vorteil davon versprach? Ist DER Deutsche der, der sich heute unter dem Tisch die Hände reibt wenn die UNO wiedermal eine Resolution gegen Israel vom Stapel lässt und über dem Tisch den Palästinensern zujubelt, aber natürlich überhaupt nichts gegen Juden hat? Oder ist es DER Deutsche, der sich klar zu Israel als jüdischem Staat positioniert und sich damit den Zorn der Pro-Palästina-Fraktion zuzieht, die ohne Zweifel derzeit im “Lande der Dichter und Denker” das Sagen hat?  Nein Frau Roggenkamp, so schwarz-weiß ist das Leben nicht, auch nicht in der jüdischen Gemeinschaft.

S. Marek / 12.02.2019

Liebe Frau Viola Roggenkamp, auf Grund der real existierender politischer und rechtlicher Gegebenheiten, sieh u.a. Der Globale Pakt für sichere,  geordnete und reguläre Migration, hätte ich eine Idee wie dem Deutschen Staat die so dringend benötigten, lt. neuester Untersuchung Bertelsmann-Stiftung mindestens 260 Tsd. pro Jahr, gut ausgebildeten Arbeitskräfte auf den Sprung zu helfen um nach Deutschland mit der Familie überzusiedeln. Es handelt sich um noch zu eröffnendes Reisebüro in Ramallah, inkl. Zweitniederlassung in Gaza Stadt, mit dieser besonderen Aufgabe die potentiellen Ausreisewilligen über den Migrations-Pakt und die ökonomischen und kulturellen Vorteile die Deutschland bietet in deren Landessprache, Arabisch, zu vermitteln. Damit soll eine Win-Win Situation für alle Seiten entstehen. Die armen s.g. “Palästinenser” können endlich dem Joch der Unterdrückung und der Apartheid entfliehen und die große Willkommenskultur hier genießen. Der Deutsche Staat im Gegenzug könnte endlich die Aber-Millionen von Steuergeldern einsparen die seit ca. 1950 nach “Palästina” fließen und sich dort in Luft auflösen, obwohl die gesamte Weltweite Unterstützung an diese Menschengruppe bereits das 25-Fache des gesamten Marshallplans für Europa nach WWII, offiziell European Recovery Program (kurz ERP) bereits überschritten hat, ist dort ein neuer quasi Abu Dhabi, noch weiter als die Fata Morgana. Deutschland könnte zusätzlich die in Übermaß vorhandenen und geplanten EU & Welt Zuwendungen an diese Menschen beanspruchen und endlich gewissenhafte Verteilung garantieren. Die Iraner ihrerseits hätten keine Kopfschmerzen mehr was passiert mit der “palästinensischer Autonomie-Behörde” wen Sie die A-Bombe auf den Kopf des Israelischen PM Hrn. B. Netanjahu werfen wollen , bei deren Vorbereitung zur atomarer Auslöschung von Israel. Und die Deutschen hätten endlich tief durchatmen können, daß Sie endlich ihrer Verpflichtung seit Wannsee-Konferenz nachgekommen sind.

Dr. Gerhard Giesemann / 12.02.2019

Bitter, so bitter. Wir könnten auch an Paul Gauguin denken, “wann heiratest du?”

Werner Arning / 12.02.2019

Ich frage mich, gibt es eigentlich schon Romane, in denen die aktuellen Geschehnisse in Deutschland zum Thema gemacht werden? Ich meine jetzt nicht rechtsradikale Umtriebe und den angeblichen Rechtsruck im Land. Darüber wird wohl, mehr als den Tatsachen angemessen „gefilmt“ und geschrieben. Nein, ich meine das neuerliche Bestreben der Deutschen sich einer Gesinnung zu unterwerfen. Wie wird dieses Bestreben erfahren, mit welcher Intensität wird es „gelebt“? Wie hoch ist etwa die Bereitschaft, Menschen mit abweichenden Meinungen zu denunzieren? Wie hoch ist der Anpassungsdruck in Universitäten, Schulen und Betrieben? Wie stark ist die Bereitschaft, seine persönliche Meinung zu verschweigen, sie zu verstecken? Welches sind die Erlebnisse der Ausgegrenzten? Sei es im privaten oder beruflichen Bereich? Gibt es Erfahrungen mit Überwachung? Gibt es bereits Literatur zu diesen Themen? Oder überlassen wir das Schreiben diesbezüglich unserer Nachwelt? Untertanentum und Denunziantentum sind in Deutschland traditionell lohnenswerte Themen und haben meistens einen Bezug zur Realität. Ja, sind mitunter brandaktuell. Also, liebe Schriftsteller, wieso macht ihr die aktuelle Zeitgeschichte nicht zum Thema in euren Romanen. Oder habt ihr Angst um eure Karriere? So betrachtet, kann es natürlich unverfänglicher sein, über eine jüdische Denunziantin zu schreiben. Beweist JETZT, dass ihr euch auch damals nicht weggeduckt hättet, um eure Karriere oder Wichtigeres nicht zu gefährden.

R. Nicolaisen / 12.02.2019

Das Böse, i.e. der Verrat, ist banal. Wie es auch der ( literarische) Voyeurismus ist. Groß der Erwähnung wert? Ich darf solche Biographie mal schlicht ignorieren, oder? MfG

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