Von Robert von Loewenstern.
Stellen wir uns vor, in Deutschland würden zwei Drittel der Fahrschüler die Führerscheinprüfung nicht bestehen. Trotzdem entlassen wir sie fast alle in den Straßenverkehr, die Geeigneten wie die Ungeeigneten. Ein Drittel freut sich über einen „Führerschein“, die anderen über eine „Fahrduldung“. Die ist nicht ganz so schick wie der Führerschein und weist ein paar Einschränkungen auf. Gleichwohl, beide Dokumente berechtigen zum Führen eines Kraftfahrzeugs. Und beide Dokumente sind mit dem Anspruch auf einen kostenlosen Jahreswagen als „Grundversorgung“ verbunden, falls der Fahrer sich nicht aus eigener Kraft ein angemessenes Fortbewegungsmittel leisten kann.
Zugegeben, eine reichlich abwegige Vorstellung. Aber in etwa so funktioniert unser Asylsystem. Mit einem gewaltigen Aufwand an Mensch und Material prüfen wir, ob Antragsteller unseren Schutz verdienen. Dabei differenzieren wir zwischen vier Schutzarten, die so kompliziert sind, dass sie kaum jemand korrekt benennen, geschweige denn erklären kann. Am Ende des langwierigen Verfahrens steht ein hartes, klares Urteil. Anerkannt oder abgelehnt. Schutzberechtigt oder nicht schutzberechtigt.
Aktuell wird gerade noch ein Drittel der Antragsteller als schutzberechtigt anerkannt. Trotzdem können die meisten bleiben und haben damit Anspruch auf Versorgung. Wie in unserem Führerscheinszenario, in dem fast alle Durchfaller fahren dürfen.
Anerkannte Schutzsuchende erhalten eine Aufenthaltserlaubnis. Damit dürfen sie bei uns bleiben, zunächst zeitlich beschränkt. Alle Abgelehnten sind „ausreisepflichtig“, sofort. Ihr Aufenthalt ist „rechtswidrig“. Sie müssen gehen. Wenn sie nicht gehen, werden sie abgeschoben. So sind die Regeln. Außer, es gibt ein Hindernis. Das ist die Regel.
Die Duldung ist nicht Ausnahme, sondern Regelfall
Die gängigsten Abschiebungshindernisse sind: kein Pass; Identität ungeklärt; Heimatland (oder sicherer Drittstaat) verweigert Rücknahme; Klage gegen Ablehnungsbescheid läuft; Strafverfahren läuft. Diese und weitere Hindernisse führen zur „Duldung“. Was bedeutet, der abgelehnte Asylbewerber darf bleiben. Bzw. nicht, denn weiterhin ist er ausreisepflichtig. Sein Aufenthalt ist legal und illegal zugleich. Wer darin keinen Widerspruch sieht, muss Jurist sein. Oder Bundesregierung:
„Lässt sich eine Abschiebung nicht durchführen, weil es rechtliche oder tatsächliche Hindernisse gibt, wird der Aufenthalt ,geduldet‘. Der abgelehnte Asylbewerber bleibt verpflichtet, auszureisen. Sein Aufenthalt bleibt rechtswidrig, ist aber nicht strafbar. Die Duldung endet, sobald die Ausreise wieder möglich ist. Geduldete können grundsätzlich nach drei Monaten arbeiten, wenn es die Ausländerbehörde genehmigt. Wenn sie bedürftig sind, erhalten sie soziale Leistungen.“
Die Duldung ist nicht Ausnahme, sondern Regelfall bei abgelehnten Asylbewerbern. Der kleinere Rest ohne Duldung ist ebenfalls ausreisepflichtig, ähnlich wie die Geduldeten. Der Unterschied ist, dass die Pflicht bei denen ohne Duldung ein bisschen ernster gemeint ist. Manche Betroffene nehmen sie tatsächlich ernst und reisen freiwillig aus. Andere nicht. Sie müssen abgeschoben werden. In einigen Fällen geschieht dies auch.
Sehen wir uns die Zahlen an. Um eine halbwegs realistische Bilanz der Zu- und Abgänge zu erhalten, müssen wir selbst rechnen, denn die offiziellen Zahlen bedürfen der Korrektur.
2015 bis 2017 sind insgesamt rund 1,36 Mio. „Schutzsuchende“ (890.000 + 280.000 + 187.000) nach Deutschland zugewandert. Außerdem kamen in diesem Zeitraum 288.000 Personen per Familiennachzug (70.000 + 100.000 + 118.000). Dieser Nachzug erfolgte allerdings nur zum Teil aufgrund vorhergehender Asylentscheidungen. Differenzierte Angaben dazu gibt es nicht vom Auswärtigen Amt, nur vereinzelte Hinweise: Ein Großteil der Familiennachzugsvisa ging zum Beispiel an Syrer und Iraker, die von 2015 bis 2017 rund 102.000 Einreiseerlaubnisse erhielten. Ziehen wir deshalb zur Sicherheit ein Drittel ab und schätzen somit, dass etwa 192.000 Familiennachzügler vorangegangenen Asylentscheidungen zuzurechnen sind.
Macht in den vergangenen drei Jahren insgesamt ca. 1,55 Mio. Menschen, die direkt oder indirekt über das Asylsystem zuwanderten. Das entspricht der Gesamtbevölkerung der Plätze 19 bis 23 auf der Liste deutscher Großstädte: Bonn, Münster, Karlsruhe, Mannheim, Augsburg.
Nur acht Prozent gehen wieder
Ihnen gegenüber stehen offiziell rund 121.000 freiwillige Ausreisen (37.000 + 54.000 + 30.000) und 70.000 Abschiebungen (21.000 + 25.000 + 24.000). Problem auch hier: In diesen Zahlen sind viele Ausländer enthalten, die nie etwas mit dem Asylsystem zu tun hatten. Beispielsweise waren unter den 30.000 in 2017 freiwillig Ausgereisten nur zwei Drittel abgelehnte Asylbewerber. Reduzieren wir daher die Abgänge ebenfalls um ein Drittel, um nicht zu hoch zu liegen. Wir erhalten geschätzt 81.000 freiwillige asylbezogene Ausreisen und 47.000 asylbezogene Abschiebungen, in Summe also etwa 128.000 asylbezogene Abgänge von 2015 bis 2017.
Wenn wir Zu- und Abgänge der letzten drei Jahre ins Verhältnis setzen, stellen wir fest: 92 Prozent der direkt oder indirekt über das Asylsystem Zugewanderten bleiben. Nur acht Prozent gehen wieder, davon fünf Prozent mehr oder weniger freiwillig, drei Prozent erzwungen durch Abschiebung. Die Zahl der Abschiebungen ist dabei seit Jahren auf niedrigem Niveau konstant. Mehr können wir offenbar nicht, trotz der „nationalen Kraftanstrengung“, die die Bundeskanzlerin vor anderthalb Jahren ausrief. Es gelingt uns nicht einmal, in nennenswerter Zahl die abzuschieben, die es am meisten verdient haben, die Kriminellen.
Fazit: Wer es nach Deutschland geschafft hat, hat es geschafft, jedenfalls mit gut 90-prozentiger Sicherheit. Fast alle können bleiben, wenn sie wollen, die Anerkannten wie die Abgelehnten. Unser Asylsystem in einem Satz: Wer drin ist, ist drin.
Alle, die bleiben, haben einen Anspruch auf Grundversorgung, solange sie in Deutschland sind, unabhängig davon, ob sie schutzberechtigt sind oder nicht. Zwar machen wir kleine Unterschiede. Die einen (die Anerkannten) wechseln in Ansprüche nach dem Sozialgesetzbuch, sprich Hartz IV, die anderen (die Abgelehnten) erhalten weiter Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Aber dies gilt nur für gewisse Zeit, denn die Duldung wird im Normalfall nach 18 Monaten in eine Aufenthaltsgestattung umgewandelt. Ab dann sind die abgelehnten den anerkannten Bewerbern bei Sozial- und Gesundheitsleistungen praktisch gleichgestellt. Nebeneffekt: Sie fallen aus der Statistik der „Ausreisepflichtigen“, was – zusammen mit anderen Umständen – aussagekräftige Jahresvergleiche praktisch unmöglich macht.
Anreiz so lange hierzubleiben, wie es eben geht
Mit der Versorgung bis zur Ausreise schaffen wir einen Anreiz für alle, so lange hierzubleiben, wie es eben geht. Wir konterkarieren die Ausreisepflicht. Selbst die, bei denen kein Abschiebungshindernis (somit auch keine Duldung) besteht, die nicht einmal ein Last-Minute-Attest herbeizaubern und also unmittelbar abgeschoben werden könnten, erhalten weiter Leistungen.
Ein reichlich bizarrer Zustand, in etwa so, als würde ein Tourist nach Ablauf seines Visums bei uns Sozialhilfe bekommen, bloß weil er keine Lust hat, auszureisen. Die aufgeregte Debatte, die seit Wochen wegen der zahlreichen Missstände im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge tobt, geht daher an den entscheidenden Problemfeldern unseres Asylsystems vorbei.
Erinnern wir uns an das eingangs skizzierte Führerscheinszenario: Stellen wir uns eine hitzige Diskussion über unfähige, nachlässige oder korrupte Fahrprüfer vor. Was ändert sich, wenn wir die Fahrprüfer nachschulen oder ersetzen? Wozu die Prüfung optimieren, wenn die geprüft Ungeeigneten trotzdem fast alle Auto fahren dürfen?
Ähnlich verhält es sich mit dem BAMF. Im Grunde ist es nicht entscheidend, wie gut oder schlecht die Asylprüfungen sind. Denn was geschieht, wenn wir die Qualität der Verfahren verbessern? Vielleicht sinkt die Schutzquote. Vielleicht werden statt derzeit 33 nur noch 25 oder gar 20 Prozent als schutzberechtigt anerkannt. Bei den zusätzlich Abgelehnten kämen die zahlreichen Abschiebungshindernisse genauso zum Tragen wie bisher. Es hielten sich also noch mehr „legale Illegale“ im Land auf. Und, nicht zu vergessen, es gäbe zigtausende zusätzliche Verwaltungsprozesse. Mehr Abgelehnte, mehr Klagen. Eine Erhöhung der Abschiebungsquote durch bessere Prüfungsqualität ist jedenfalls nicht zu erwarten. Wir schaffen es jetzt schon nicht, die unmittelbar Ausreisepflichtigen abzuschieben.
Kurz: Das BAMF hat, bei Licht betrachtet, den geringsten Einfluss darauf, ob und wie Zuwanderung über das Asylsystem faktisch stattfindet. Die wahren Probleme liegen nicht beim BAMF. Sie liegen vor dem BAMF und nach dem BAMF.
„Germany legalizes everybody“
Wenn das BAMF ohnehin kaum Einfluss darauf hat, wie viele über das Asylticket zu uns kommen und bei uns bleiben, wozu leisten wir uns diese gewaltige Maschine noch? Natürlich, das BAMF erfüllt auch Aufgaben, auf die wir nicht verzichten können oder wollen, Identitätsprüfungen und Integrationsmaßnahmen zum Beispiel. Aber was ist mit den aufwendigen Asylprüfungen? Warum schaffen wir die nicht einfach ab? Oder, frei nach dem Bremer Modell: „Anerkannt“-Stempel auf den Antrag, und gut ist’s?
Das hätte eine Menge Vorteile: Hunderttausende Migranten würden ihre Pässe nicht mehr verlieren. Ohne Ablehnung kein Duldungsbedarf. Hunderttausende Verwaltungsgerichtsprozesse würden entfallen. Ohne Ablehnung keine Klage. Die gewohnten drei Prozent Abschiebungen könnten wir immer noch realisieren, jetzt mit voller Konzentration auf Kriminelle. Den Familiennachzug könnten wir wie bisher beschränken, abhängig zum Beispiel von Wohlverhalten und Integrationserfolgen. Selbst freiwillige Ausreisen würde es weiterhin geben, denn nicht jeder Zugewanderte empfindet das Leben hierzulande als ultimatives Glück.
Dagegen stehen zwei Nachteile, die es in sich haben. Würde jeder Zuwanderer ganz offiziell pauschal anerkannt, verlöre womöglich auch der letzte Bürger den Glauben, dass ein Versorgungsanspruch gegenüber der Gemeinschaft nur unter Erfüllung gewisser Voraussetzungen und nicht willkürlich und bedingungslos entstehen kann. Die Restloyalität des Einzelnen gegenüber dem Gemeinwesen könnte abhanden kommen, staatsbürgerliche „innere Kündigung“ könnte zum Massenphänomen werden. Unser Staatsgefüge würde implodieren.
Der zweite erhebliche Nachteil: Die Wirkung der Schlagzeile „Germany legalizes everybody“ im Ausland mag man sich kaum vorstellen. Um ein Vielfaches würde sie den bisher folgenreichsten Tweet der Twitter-Geschichte übertreffen. Damals, am 25. August 2015, vermeldete das BAMF, jeder Syrer werde ohne weitere Prüfung in Deutschland anerkannt. Hunderttausende Syrer und Spontansyrer machten sich daraufhin auf den Weg ins gelobte deutsche Land. Bei ähnlicher Meldung heute sähen wohl auch die Länder, die uns derzeit die große Masse illegaler Zuwanderer vom Leib bzw. Staatsgebiet halten, dazu keine Veranlassung mehr. Wenn Germany alle legalisiert, dann will Germany offenbar auch alle haben. Also warum aufhalten? Unser Staatsgefüge würde explodieren.
Das sind die wahren Gründe, warum wir die Asylprüfungen nicht abschaffen können. Bei der derzeitigen Praxis sind es nicht die Prüfungen auf Schutzbedürftigkeit an sich, die wir benötigen. Wir brauchen den Anschein, den die Prüfungen erwecken. Den Anschein, dass wir nicht jeden aufnehmen. Wir tun es zwar, aber wir wollen, können, dürfen es nicht offen zugeben. Es geht um die Signalwirkung, nach innen wie nach außen. Wir brauchen das BAMF und seine Asylprüfungen, weil wir den Schein wahren müssen.
Wie helfen wir möglichst effizient und wirksam Menschen?
Wenn weder die Abschaffung noch die Reparatur des BAMF uns entscheidend weiterbringen, was dann? Was ist die Lösung, um unser derzeit umfassend dysfunktionales Asylsystem auf Vordermann zu bringen? Wie können wir der eigentlichen Intention des Asyl- und Flüchtlingsrechts nachkommen? Wie helfen wir möglichst effizient und wirksam Menschen, die unsere Hilfe am meisten benötigen und denen wir Hilfe am ehesten zukommen lassen wollen – und zwar in einem Umfang und mit einem Aufwand, der angemessen, tragbar und gewollt ist, von einem breiten gesellschaftlichen Konsens gedeckt?
Erste Einsicht: Die Lösung kann nicht in Deutschland liegen, allein schon wegen mangelnder Effizienz der eingesetzten Mittel. Ganz gleich, wie hoch wir die Milliarden-Ausgaben hierzulande schrauben, in heimatnahen Gebieten könnten wir mit derselben Summe die x-fache Menge an Bedürftigen versorgen. Hinzu kommt, dass wir hierzulande nicht nur zu teuer versorgen, sondern auch zum Großteil die Falschen, die, die eben nicht schutzbedürftig sind. Dies lässt sich bei uns nicht grundsätzlich ändern, denn durch die „Berührung mit dem Staatsgebiet“ entsteht Grundrechtsschutz. Ja, so absurd es klingt: Metrische Einheiten entscheiden über Grundrechte. Die faktische Überwindung von Zentimetern begründet eine Vielzahl von Ansprüchen, von tatsächlichen und juristischen Hindernissen, die wir nicht kurzerhand außer Kraft setzen können.
Wenn wir also effizient, maximal wirksam helfen wollen, müssen wir Menschen davon abhalten, ungezügelt und unkontrolliert deutsche Grenzen zu überschreiten. Eigentlich eine banale Erkenntnis, die selbst dem humanitär bewegtesten Flüchtlingsfreund zugänglich sein sollte. Denn das, was derzeit geschieht, ist das Gegenteil von humanitär: Wir belohnen die, die am schnellsten laufen und am meisten für das Schlepperbüro ihres Vertrauens zahlen können. Die Mittel, die wir dafür aufwenden, versagen wir denen, die Hilfe wirklich nötig hätten.
Was also tun? Unsere „Grenzen schließen“? Möglich ist das. Auch wenn sie das Gegenteil behauptete, weiß selbst die Kanzlerin, dass es geht, sonst würde sie nicht Erdogan genau dafür bezahlen. Wie es im Detail funktioniert, zeigen die hochmodernen Grenzanlagen Saudi-Arabiens auf 9.000 Kilometer Länge, errichtet ausgerechnet unter maßgeblicher deutscher Beteiligung, mit freundlicher Schulung durch die Bundespolizei. Allerdings hätte eine wirksame nationale Grenzschließung für uns gravierende Nachteile: hohe Kosten, erhebliche Einschränkungen für den Personen- und Güterverkehr, nicht zuletzt jahrelange Bauzeit – ganz abgesehen von der Kollision mit EU-Recht. Eine solche Maßnahme wäre die Ultima Ratio, das letzte Mittel, wenn nichts anderes mehr bleibt.
Es geht auch einfacher, schneller und eleganter
Die gute Nachricht ist: Es geht auch einfacher, schneller und eleganter. Rupert Scholz, einer der renommiertesten Staats- und Verfassungsrechtler unseres Landes, hat den ersten Baustein der Lösung skizziert (zum Beispiel hier und hier), leider bisher wenig beachtet. Sein Vorschlag in Stichworten: Verfassungsänderung mit Umwandlung unseres derzeit subjektiv-rechtlichen (stets einklagbaren) Asylgrundrechts in ein objektiv-rechtliches (wie zum Beispiel in Frankreich, den Niederlanden, Italien und Spanien der Fall). Die Folge: Der Gesetzgeber kann Missbrauch wirksamer bekämpfen, indem er Anforderungen und Einschränkungen mit einfachem Gesetz beschließt, wie bei vielen anderen Rechten auch. So könnte zum Beispiel eine Beschwerdemöglichkeit gewährt und der massenhaft missbrauchte Verwaltungsrechtsweg ausgeschlossen werden.
Dies allein würde allerdings nicht die größten tatsächlichen Hindernisse zur Durchsetzung unseres Asyl- und Flüchtlingsrechts überwinden, nämlich die Abschiebungshindernisse „Pass verloren“, „ungeklärte Identität“ und „Zielstaat verweigert Annahme“. Um dem entgegenzuwirken, benötigen wir einen zweiten Baustein: ein Gesetz, das die Möglichkeit abschafft, innerhalb Deutschlands Asyl zu beantragen. Schutz in Deutschland kann dann nur noch außerhalb Deutschlands beantragt werden, in deutschen Botschaften oder Konsulaten oder in speziellen Einrichtungen, zum Beispiel in Flüchtlingslagern in der Türkei, im Libanon oder in Afrika (Ausnahme wie bisher: Anreise per Flugzeug direkt aus dem Verfolgerland). Möglich würde ein solches Gesetz durch Baustein eins, die Umwandlung des Asylgrundrechts in ein institutionelles statt eines subjektiv-rechtlichen.
Dies alles ist eigentlich nichts Neues und deshalb auch mit geltendem EU-Recht vereinbar. Die genannten Vorschläge entsprechen im Prinzip der Regelung in Artikel 16a unseres Grundgesetzes. Danach hat niemand in Deutschland einen Anspruch auf Asyl, der aus einem anderen EU-Staat oder aus einem sicheren Drittstaat nach Deutschland gelangt. Gleiches ergibt sich aus dem Europarecht, aus den Vereinbarungen von Dublin.
„No more asylum from within Germany“
Neu wäre: Mit einer ausdrücklichen Regelung, dass jemand, der aus sicheren Anrainerstaaten einreist, grundsätzlich nicht mehr innerhalb Deutschlands Asyl oder Flüchtlingsschutz beantragen kann, setzen wir ein gewaltiges Zeichen. Die Schlagzeile „No more asylum from within Germany“ hat das Potenzial, mindestens so wirkmächtig zu sein wie der unsägliche BAMF-Tweet von August 2015 und die unbedachten Willkommensselfies der Kanzlerin. Falls diese Maßnahmen dann doch nicht ausreichen sollten, illegale Zuwanderung auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, könnten wir immer noch auf die Ultima Ratio Grenzschließung zurückgreifen. Aber erst dann.
Auf eine solche grundsätzliche Lösung sollten wir all unsere Energie konzentrieren. Darüber sollten wir endlich breit, ehrlich und offen diskutieren, im Bundestag, in den Leitmedien und in den TV-Talkshows, nicht über faktisch unbedeutende 1.200 ohne Rechtsgrundlage erfolgte Schutzanerkennungen in Bremen. Die meisten BAMF-Probleme würden sich mit der beschriebenen Lösung von selbst erledigen, weil die chronische Überlastung wegfiele.
Die Alternative ist, dass wir uns weiter durchmogeln und durchwurschteln. Mit einem Asylsystem, das in der Theorie viel verspricht und in der Praxis wenig hält. Für beide Seiten. Für die, die bezahlen, und für die, die empfangen sollten.
Robert von Loewenstern ist Jurist und Unternehmer. Er lebt in Bonn und Berlin.