Von Frank Bothmann.
Die Ergebnisse der Studie „Mobilität in Deutschland“ sagen, dass die Bundesbürger ihr Verkehrsverhalten in den letzten zwanzig Jahren nicht verändert haben. Das Deutschlandticket als vermeintlicher „Gamechanger“ stellt sich als Flop heraus, das E-Auto als Statussymbol für Betuchte.
Ein Politiker, ein Bürgermeister, ein Verkehrsplaner, der in Deutschland etwas auf sich hält, propagiert eine Verkehrswende für das ganze Land oder die heimische Stadt. Anders kann es nicht gelingen, die Zukunft zu gestalten. Alternativlosigkeit ist ja das Wesen aller Wende-Politiken. Beim Verkehr heißt es also: weg vom schlimmen Auto, hin zum Fahrrad, mehr mit dem Bus und Bahn fahren oder gar nicht fahren. Auch ein „Recht auf Home-Office“ haben die Verkehrswendeexperten mittlerweile zu einem ihrer Lieblinge erkoren.
Wie wir Bundesbürger auf unseren notwendigen Wegen unterwegs sind, weiß keiner so ganz genau. In der Fachsprache der Verkehrsplaner wird die Aufteilung der unterschiedlichen Verkehrsmittel (Auto, Bahn, Bus, Rad, zu Fuß) als „Modal Split“ oder Verkehrsmittelwahl bezeichnet.
Nach dem Stand der Technik kann dieses Verkehrsverhalten der Bürger nur mit einer Umfrage für ein jeweiliges Untersuchungsgebiet ermittelt werden.
Eine nüchterne Tatsache
Ganz aktuell werden nun die Ergebnisse der bundesweiten Befragungen von „Mobilität in Deutschland“ (MiD) veröffentlicht. Dies ist nun die vierte große Untersuchung, die im Abstand von sechs Jahren im Jahre 2023 zum vierten Mal bundesweit durchgeführt wurde. Auftraggeber ist das Bundesverkehrsministerium.
Bei der Vorstellung der Studie wurden die großen Herausforderungen der letzten Jahre wie das Klimaschutzgesetz, die Corona-Krise, die durch „den russischen Angriffskrieg beschleunigte Energiewende“ [sic!] und das Deutschlandticket benannt. Wie man als Bürger sicher, gut und günstig unterwegs sein kann, stand also nicht so im Fokus. Der Erhebungsaufwand ist beeindruckend, da rund 218.000 Haushalte in Deutschland befragt wurden. Das ist mehr als das Fünffache der ersten Studie aus dem Jahr 2002.
Im Großen und Ganzen haben wir Bundesbürger unser Verkehrsverhalten in den letzten zwanzig Jahren nicht verändert. Es gibt also keine Verkehrswende. Das ist eine nüchterne Tatsache, und damit könnten wir diesen Beitrag hiermit eigentlich beenden. Einige Aspekte sind jedoch bemerkenswert und sollen hier benannt werden. Die Ergebniserläuterungen sind nicht objektiv, sondern im Kern von den oben genannten Grundüberzeugungen der Verkehrswende getragen. Wenn also weiterhin rund 55 Prozent aller Wege und rund 73 Prozent der Personenkilometer mit dem Auto gemacht werden, dann ist dies den Autoren latent zu viel „an Auto“.
Deutschlandticket als „Gamechanger“?
Was die Autonutzung angeht, ist Deutschland weiterhin ein geteiltes Land. In den Metropolen haben die Menschen mehr Verkehrsmittelauswahl, und ihre Ziele liegen auch näher beieinander. In ländlichen Regionen und kleineren Städten ist das Auto ein Muss. Zwei Drittel der Wege werden mit dem Auto unternommen.
Das Deutschlandticket wird von den Autoren der Studie als „Gamechanger“ dargestellt. Was damit gemeint sein kann, bleibt unklar, weil sich die Nutzung des ÖPNV deutlich verringert hat. Statt einem Viertel der Bundesbürger geben nun 31 Prozent an, nie mit dem ÖPNV in ihrer Region unterwegs zu sein.
Die Studie rühmt sich damit, auch teilräumliche Auswertungen zu ermöglichen. Dabei kommt dann raus, dass die ÖPNV-Bilanz beispielsweise im Ruhrgebiet eine reine Katastrophe ist. Im Ruhrgebiet hat sich die ÖPNV-Nutzung tatsächlich sogar mehr als halbiert. Nur noch sieben Prozent der Wege werden mit dem ÖPNV durchgeführt. In der vorherigen Erhebung waren es noch 16 Prozent.
Keine adäquate Investition in die jeweilige Verkehrsinfrastruktur
Ein sehr ernüchterndes Ergebnis vor dem Hintergrund, dass das Deutschlandticket mit rund drei Milliarden Euro pro Jahr aus Steuermitteln der Bundesbürger bezuschusst wird. Bei mehr als 14 Millionen verkauften Deutschlandtickets stecken also in jedem verkauften Ticktet rund 200 Euro direkte steuerliche Subvention drin. Das Deutschlandticket bringt also nicht mehr Menschen in Bus und Bahn, sondern erhöht für die, die es sich zusätzlich leisten können, die Möglichkeit, nette Ausflüge zu unternehmen.
Als Fernreiseangebot spielt die Bahn ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle. 62 Prozent der Befragten gaben an, für eine längere Strecke über 100 km nie mit der Bahn zu fahren. Bei den Preisen, die die Deutsche Bahn verlangt, ist dies auch kein Wunder. Es wurde also beim Subventionsmodell „Deutschlandticket“ in gleicher Form verfahren wie bei der E-Auto-Förderung. Mit beiden Subventionen wird der Konsum erheblich steuerlich gefördert, aber es erfolgt keine adäquate Investition in die jeweilige Verkehrsinfrastruktur, um eine dauerhafte Qualitätsverbesserung oder auch nur dessen Erhalt zu ermöglichen.
Zur Erinnerung: Für den in weiten Teilen von den deutschen Straßen bereits verschwundenen Bestand von E-Autos hat der Steuerzahler mehr als 10 Mrd. Euro für die steuerbegünstigte Anschaffung ausgegeben. Auch die noch fahrenden E-Autos werden auf weiterhin schlechten Straßen in Deutschland bewegt. Es gibt bekanntlich kein Geld für die Reparatur von Straßen, da erst „Sondervermögen“ hierfür geschaffen werden müssen.
Ein erheblicher „Gamechanger“
Die MiD-Studie gelangt zu den Erkenntnissen, dass häufig Dienstwagen ein „E“ haben und der „ökonomische Status als eindeutiger Faktor“ für den Kauf eines E-Autos ausschlaggebend ist. Anders ausgedrückt: Die Gutverdiener unter uns haben mit der E-Auto-Subventionierung einen hübschen Gewinn gemacht. Diese immense staatliche Förderung hat keine Breitenwirkung und begünstigt die, die es nicht nötig haben. Alles ein toller Erfolg also.
Ebenso wie das Deutschlandticket, das der „Gamechanger“ sein soll, aber nur, wenn es bestehen bleibt, so die Autoren von „Mobilität in Deutschland“. Das Ticket kostet uns Bürger nun im dritten Jahr bereits in Summe rund acht Milliarden Euro. Und das für immer weniger Menschen, die den ÖPNV nutzen. Man könnte in der Logik auch sagen, es wurde viel Geld für wenig Erfolg ausgegeben, also müssen wir noch mehr Geld ausgeben. Nach dem aktuellen Koalitionsvertrag soll das Deutschlandticket deshalb weiter bestehen, aber ab 2029 (in der nächsten Legislaturperiode!) laufend im Preis angepasst werden.
Um diese Logik zu unterstützen, werden dann mal eben ein paar putzige Studien modelliert oder Umfragen gemacht, mit denen „belegt“ wird, dass das Klima gerettet werden könnte, wenn der Preis nicht auf 58 Euro steigt.
Das Deutschlandticket ist aus einem anderen Blickwinkel ein erheblicher „Gamechanger“. Der öffentliche Nahverkehr ist Teil des grundgesetzlich garantierten Selbstverwaltungsrechts der Kommunen und wird dort in Verkehrsverbünden organisiert. Diese bekamen jedoch durch die Ticket-Offensive des Bundes erhebliche Finanzierungsprobleme. Die 14 Millionen verkauften Tickets haben natürliche eine hohe Blendwirkung bei der Bevölkerung. Tatsächlich werden jedoch die Kommunen hierdurch in der Eigenständigkeit geschwächt, und es wird eine dauernde Abhängigkeit von Bundesmitteln etabliert. Das widerspricht dem Grundgesetz und stellt das Konnexitätsprinzip zum wiederholten Mal infrage.
Die MiD-Studie hat eine sehr große Erfassungstiefe
Nüchtern betrachtet, zeigt die umfangreiche Erhebung von „Mobilität in Deutschland“ den Bedarf der bundesdeutschen Bürger zur Bewältigung ihrer täglichen Wege. Im Sinne einer staatlich organisierten Daseinsfürsorge bedeutet dies die Schaffung ausreichender Qualität und Quantität der Verkehrsinfrastruktur (Straße und Bahn/ÖPNV) und einen ökonomischern Rahmen, der die Wegekosten für möglichst viele Menschen bezahlbar macht. Das Auto hat dabei vom Nutzen her den Vorrang und hilft, die notwendigen Wege zu erledigen. Mehr muss der Staat eigentlich nicht wissen und tun, um seinen Bürgern zu dienen. Dabei sind die Unterschiede zwischen den großen Stadtregionen und den eher ländlichen Regionen in Deutschland natürlich zu beachten.
Im ländlichen Raum hat der rudimentäre ÖPNV in der Regel einen sehr schlechten Ruf, und das Deutschlandticket ist deshalb dort ohne Sinn. Die subjektive Bewertung des ÖPNV in ländlichen Regionen wird dort zwischen 50 und 82 Prozent der Befragten als nur befriedigend oder mangelhaft angesehen. Eine Förderung der extrem gestiegenen Führerscheinkosten schlägt deshalb der Handwerkspräsident Dittrich als Maßnahme vor, die der Lebensrealität der Menschen auf dem Land nahe kommt.
Bei der Vorstellung der Ergebnisse von „Mobilität in Deutschland“ hat der zuständige Staatssekretär Höppner jedoch betont, dass die MiD-Studie „...nicht nur eine elementare Datengrundlage für Wissenschaft und Forschung sondern auch eine wichtige Entscheidungshilfe auf dem Weg in eine attraktive, klimafreundliche Mobilität der Zukunft ist“. Was damit gemeint sein könnte, erschließt sich erst mal nicht.
Die MiD-Studie hat eine sehr große Erfassungstiefe. Die Bürger wurden neben der Verkehrsmittelwahl auch ausgefragt, welche Art von Auto sie besitzen (Autogröße, Antriebsart, Stellplatz, Dienstwagen/Privatwagen, ökonomischer Status etc). Der Verdacht liegt also nahe, möglichst viel über das Verhalten der Bürger zu erfahren, um letztlich effektiv bei der Verhaltenssteuerung („Nudging“) anzusetzen. Die Verkehrswende oder „klimafreundliche Mobilität“ ist ja das politisch-administrative Ziel, und dies kann nur durch eine massive Steuerung der Bürger erreicht werden.
Unter dem Deckmantel „unserer Sicherheit“
Den Hardcore-Verkehrswendern fällt dazu beispielsweise sehr viel ein. Dort wird es euphemistisch als „Mobilitätsdialog auf Augenhöhe“ bezeichnet, gemeint ist jedoch ein Verhalten änderndes Zwiegespräch mit jemandem, der einem erzählt, was man zu tun hat. Im aktuellen Koalitionsvertrag geht es auf drei Seiten um den Verkehr beziehungsweise um die Fortführung einer Verkehrswende, die nicht funktioniert hat:
„Die Straße ist ein bedeutender Verkehrsträger und das Auto ein wichtiges Fortbewegungsmittel, vor allem für die Menschen im ländlichen Raum. Unter Wahrung hoher Standards wird die Fahrausbildung reformiert, um den Führerscheinerwerb bezahlbarer zu machen. Im Straßenverkehr orientieren wir uns am Zielbild der Vision Zero. Den Rad- und Fußverkehr werden wir als Bestandteil nachhaltiger Mobilität stärken und fördern“.
Die in diesen knappen Sätzen formulierten Ziele haben mit den verkehrlichen Bedarfen der Bundesbürger sehr wenig zu tun. Die Förderung nach einem günstigeren Führerscheinerwerb hat es, wie viele andere Details, in den Koalitionsvertrag gebracht. Der kleine Lichtblick zum Erhalt der individuellen Mobilität wird jedoch durch die Zielstellung „Vision Zero“ zunichte gemacht. Wenn Sie wissen wollen, welche Regulations-, Verbots-, Organisations- und Verschärfungsoffensive der EU-Kommission für den Straßenverkehr sich dahinter verbirgt, klicken Sie hier. Unter dem Deckmantel „unserer Sicherheit“ soll der individuelle Verkehr wegreguliert werden. Im Übrigen wurden wir Bundesbürger auch niemals gefragt, ob wir das wollen.
Mit dem, was des Bürgers tatsächlicher Bedarf ist, und in der MiD-Studie aufgezeigt wird, hat dies sehr wenig zu tun. Politik und der von ihr gekaperte Staat können und wollen nicht mehr strukturschaffend und dienend für den Bürger und Steuerzahler arbeiten. Dieses Nicht-Können wird an anderer Stelle durch Übergriffigkeit und Bevormundung kaschiert.
Frank Bothmann (Jahrgang 1962), Diplom-Geograph, ist als Landschaftsplaner im Ruhrgebiet tätig.