Henryk M. Broder / 21.01.2014 / 04:36 / 8 / Seite ausdrucken

Steinzeit in Freiburg

Seit ich vor kurzem in Freiburg war, kann mich nichts mehr erschüttern. Und wenn morgen ein UFO neben mir landen und eine Kompanie grüner Männchen aus seinem Inneren klettern würde - ich täte kurz hinschauen und weiter gehen.
Insofern hat sich der Besuch in der Breisgauer Metropole gelohnt, er hat Maßstäbe gesetzt. Ich habe, seit ich mich erinnern kann, noch nie eine solche Mischung aus Anmaßung, Bosheit, Dummheit, Fanatismus, Größenwahn, Kretinismus, Provinzialismus, Sendungsbewusstsein und Vampirismus erlebt. Sagen wir es so: Leute, die eine Klappstulle von einem Klappstuhl nicht unterscheiden können, haben es sich vorgenommen, den Lauf der Geschichte zu korrigieren. Hinzu kommt eine geradezu pathologische Unschuld. Das, was sie machen, hat nichts mit ihnen zu tun, nichts mit ihrer eigenen Geschichte, Herkunft und Kultur, nein, sie verkörpern den reinen Geist der Gerechtigkeit, der in sie gefahren ist, wie ein Blitz in eine Herde von Schafen.
Apropos verkörpern: Ich habe auch noch nie eine solche Ansammlung adipöser und/oder anorexischer Hysteriker erlebt. Ich weiß nicht, ob die geistige Kondition sich in der körperlichen Verfassung niederschlägt oder ob es umgekehrt ist, wie bei dem Ei und der Henne, jedenfalls kam mir zwischendurch der Gedanke, ob es denn sein könnte, dass Menschen, mit denen Mutter Natur etwas zu kurz oder zu lange rumexperimentiert hat, eine schwer gestörte Selbstwahrnehmung haben. Ich meine, es gehört schon eine Menge dummdreister Überhebung dazu, zu einer Veranstaltung mit mir zu kommen, um sich dann darüber aufzuregen, dass ich meine Meinung vertrete. Was denn sonst?
Aber das ist noch nicht alles. Man sieht ja jeden Tag zahllose Fashion victim auf der Straße, die keinen Spiegel daheim und auch sonst niemand haben, der ihnen mal sagt, dass man nicht Größe 36 tragen sollte, wenn man Mühe hat, sich in einen Fummel Größe 44 reinzuquetschen. Das Gleiche gilt für den intellektuellen Outfit. Wenn jemand von der Steinzeit erzählt, die vor über zwei Millionen Jahren begann (und in Freiburg noch immer andauert), um im selben Atemzug zu behaupten, “Palästina” sei der “Ursprungsort der drei monotheistischen Weltreligionen”, dann ist er nicht nur zu blöd zum Googeln, er hat auch von Raum und Zeit keinen Schimmer.
Weder das Judentum noch der Islam sind in “Palästina” entstanden, egal wer dort in der “Alten Steinzeit” siedelte.
Allenfalls das Christentum kann den Anspruch auf “Palästina” als seinen “Ursprungsort” erheben, allerdings ist das Christentum mit der Idee der Heiligen Dreifaltigkeit nur sehr bedingt eine monotheistische Religion. Nimmt man es mit dem Monotheismus genau, gehört das Christentum nicht in diese Kategorie.
Aber das muss man nicht wissen, wenn man bei der Reise nach Jerusalem keinen Platz abbekommen hat.

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Leserpost

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Peter Germann / 22.01.2014

Ja, Freiburg ist Steinzeit, schlimm schlimm.. Waren Sie schon mal in Pforzheim? Also bei Wiki die ganz alte Steinzeit, das ist die Zeit der ‘Geröllgeräte’..  

Amelie Walther / 21.01.2014

Oh Herr Broder…mein herzliches Beileid für den Kulturschock, den Sie, vielleicht gerade aus dem groovigen Berlin kommend, im grünen Süden erleben mussten. Aber danke, dass Sie mir den grauen Morgen damit so erheitert haben. Hoffentlich hat Sie der Brief von der Else des Cafe Palestine Freiburg nicht ganz so arg erschüttert…ich habe ihn gerade auf Facebook gelesen. Über eine öffentliche Antwort von Ihnen würde ich mich allerdings mehr freuen, sollten Sie das überhaupt für würdig halten. Vor allem zu dem allzu intelligenzvermissenden Teil über die Frage danach, wer denn nun eigentlich Antisemit ist und ob Sie, man höre und staune: wenn Sie gelegentlich Israel kritisieren, Teil-Antisemit wären. Bei so viel Dummgewäsch weiß man wahrlich nicht, wo man anfangen soll, aber Sie kriegen das schon hin. Übrigens: sollten Sie doch noch mal mehr staunen wollen, lade ich Sie herzlich nach Konstanz ein - in die, wie die Else vom CPF gerade die Einladung korrigierte, Altsteinzeit! (Ich bin schon sehr auf die Grüngesichter gespannt, die sich morgen zu einem Vortrag von Tilman Tarach gesellen)

Christian Jäger / 21.01.2014

Sehr geehrter Herr Broder, ich bin über einen Link auf diesen Post von Ihnen gestoßen und habe mich ob Ihrer Wortwahl sehr verwundert. Bitte, ich finde es nicht schlimm, im Gegenteil. Nur würde ich zu gern wissen, um welche Veranstaltung es sich handelte, um einen Kontext herstellen zu können. Mit den besten Wünschen vom Wörthersee Christian Jäger

Benjamin Rösch / 21.01.2014

Als Wahlberliner, der im Breisgau geboren und frühindoktriniert wurde (entsprechend auch reflexionsfrei gerade volljährig 1998 und noch mal 2002 bei den Grünen sein Kreuz setzte, bevor er erst mal nach Bayern floh), kann ich das absolut nachvollziehen. Das Selbst- und Sendungsbewusstsein mit dem die meisten Südbadener ihre politischen Ansichten vor sich her tragen, ist legendär (möchte mich selbst da nicht mal ausnehmen), problematisch ist allerdings wirklich die Kombination mit einer schlimmen provinziellen Ahnungslosigkeit von der deutschen, europäischen und eben auch nahöstlichen Lebensrealität und mit dem unerschütterlichen Glauben an das, was der Spiegel, die linke Badische Zeitung und die Tagesschau als Wahrheit verkaufen.

Heinz Jaskolla / 21.01.2014

Nebenbei bemerkt: Trinität contra Monotheismus? Zwar bin ich kein Christ und muß so die Trinität nicht verteidigen, doch den Gegensatz Trinität-Monotheismus, den Herr Broder hier anspricht kann man mit etwas Mathematik und philosophischer Logik aufheben. Die Behauptung, der eine Gott bestehe aus drei personalen Emanationen oder Hypostasen enthält zwar mehr als ein Gran Willkür -warum nicht fünf oder unendlich viele? Ist “drei” im Gottsein verborgen, quasi notwendig, und damit Gott gezwungen, dreifach zu erscheinen? Oder ist es eine göttliche Laune, ein göttliche Caprice? -, der Zeugen Jehovas oder Muslime triumphierend mit drei erhobenen Fingern begegnen: 1+1+1=3? Aber wenn Gott ist, ist er nicht endlich, sondern unendlich, und die Mathematik hat keine Probleme mit “unendlich + unendlich + unendlich = unendlich”. Es kann also eine unendliche Entität verlustfrei in drei identische Entitäten zerlegt werden, ohne daß die ursprüngliche Einheit verloren geht: wie gesagt, das Unendliche machts möglich, und die philosophische Kontemplation erfordert, Gott nicht endlich zu denken - denn dann könnte man etwas hinzufügen, und seine Vollkommenheit wäre verloren. Also: die Trinität und der Monotheismus sind durchaus vereinbar, wenn man die endliche Arithmetik durch unendliche Kardinalzahl-Arithmetik ersetzt.

Michael May / 21.01.2014

Imho hat es ähnlich wie in Berlin auch in Freiburg eine Art Negativauslese und Degereration gegeben. Aachen ist auch so ein Fall.

Markus Freuler / 21.01.2014

Lieber Herr Broder, Sie haben schlicht den normalen Grünen beschrieben. Und von denen gibt es in Freiburg nun einmal recht viele.

Caroline Neufert / 21.01.2014

Bedauere, dieses Schauspiel nicht erlebt zu haben. Seien Sie gewiss, die Zeit heilt ( fast ) alle Wunden - oder müssen Sie nachlegen nach Gaucks ” Befreiungsrede”? ;-)

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