Henryk M. Broder / 26.05.2016 / 09:27 / 3 / Seite ausdrucken

Steinmeier fällt ein Stein vom Herzen

Wieder einmal ist Europa knapp einer Katastrophe entkommen. Nicht der „Rechtspopulist“ Norbert Hofer wurde zum Präsidenten der Kaiserschmarrn-Republik gewählt, sondern der Kandidat der Grünen, der bürgerlichen Mitte und der städtischen Intelligenz: der Ökonom Van der Bellen.

Europa nahm den Vorgang zur Kenntnis, Deutschland erwachte wie aus einem Albtraum. Kaum waren am Wahltag die ersten Hochrechnungen bekannt geworden, die Hofer in Führung zeigten, twitterte die deutsche Grüne Jugend: „Österreich, was bist du für 1 Naziland?“ Und: „Wir lassen uns Europa nicht von den Rechten wegnehmen!“ Die wichtigste Regel aller politischen Diskurse – „Kein Generalverdacht! Keine kollektiven Herabsetzungen!“ – hatte ihre Geltung verloren.

Und als dann das vorläufige Endergebnis feststand, erklärte der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck, Van der Bellen sei „ein überzeugter Europäer“. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, ganz Europa falle „ein Stein vom Herzen“. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Göring-Eckardt, sprach von einem „Wahlkrimi mit Happy End für die Demokratie“. Im Vorstand der Grünen knallten die Sektkorken.

Nur wenige Kommentatoren wiesen darauf hin, dass der Unterschied zwischen dem „good guy“ und dem „bad guy“, grade einmal 0,6 Prozentpunkte betragen hatte. Gabor Steingart, Herausgeber des Handelsblattes, brachte die Situation auf den Punkt:  „Die FPÖ wurde besiegt, aber nicht geschlagen. Österreich erlebt einen Moment der Ruhe, aber es ist die Ruhe vor dem Sturm.“

Wie kann man sich die deutschen Reaktionen erklären?

Fühlen sich die Menschen im Altreich immer noch für die Politik in der Ostmark verantwortlich? Können sie den „Anschluss“, der vor 78 Jahren stattfand, nicht vergessen? Nein, das ist es nicht. Es ist viel einfacher.

Nach einem Sieg von Hofer wären die guten Deutschen genötigt gewesen, sich zu überlegen, ob sie noch Ferien am Wolfgangsee machen, den Grünen Veltliner trinken und Manner-Waffen bei ALDI kaufen können. Sie hätten sich ja irgendwie „verhalten“ müssen. Nun aber können sie weiter machen wie bisher und sich dabei auf den Kampf gegen die „Islamophobie“ im eigenen Land konzentrieren.

Zuerst erschienen in der Züricher Weltwoche

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Leserpost

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Martin Wessner / 27.05.2016

“Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.” Das ist letztlich die Angst, die Frank-Walter Steinmeier und Co. zu Prinzen auf der Erbse werden lässt. Wählen die Leute doch ganz schamlos eine tatsächlich konservative Partei oder/und einen genauso eindeutig positionierten Politiker und versinken dabei noch nicht einmal vor Gram im allertiefsten Erdboden. Wie empörend und zudem höchst beängstigend, denn es war ja vorallem diese heikel-delikate Sorge, dass man möglicherweise mit seiner geäusserten Meinung für “rechts” gehalten werden könnte, mit der sich die pseudofortschrittliche Elite dieses Landes die riesige bodenständige Mehrheit der Bevölkerung für immerhin 48 Jahre ziemlich effektiv vom Hals halten und damit den gesellschaftlichen Diskurs dominieren konnte.

Karla Kuhn / 26.05.2016

Ach Herr Broder, Sie sind wirklich witzig.  Ein herrlicher Artikel.  Auch wenn bei den “Manner Waffen” von Aldi das l fehlt, ich habe so gelacht.  Ich finde solche Aussagen wie von Gauck, Steinmeier etc. total lächerlich.  Es gibt ganz andere Probleme als die in Österreich. Ich glaube, besonders die Grünen haben panische Angst, ihre Futtertröge zu verlieren.  Dabei vergessen sie, dass Hofer knapp 50% der Stimmen erhalten hat, das ist enorm, eine Sogwirkung ist nicht auszuschließen.  In diesen Zeiten sind Witz und Humor die besten Waffen.

Hubert Manter-Koller / 26.05.2016

Es dürften schon einige ihre Stimme für den Van der Bellen bereut haben, nachdem der Kanzler Kern 1 Tag nach der Wahl verlauten ließ, er möchte recht schnell Asylwerber in Arbeit bringen lassen (Asylwerber sind die, die einen Antrag gestellt haben und auf Bescheid warten, also kann das jeder Mensch auf der Welt sein, der in Österreich einen Asylantrag stellt; er kann es auch nicht anders gemeint haben, da anerkannte Asylanten in Österreich bereits Arbeitserlaubnis haben). Da gings im Forum des Standard.at heiß her, u.a. witterte man, der Kern habe das nicht ohne Grund erst einen Tag nach der Bundespräsidenten-Wahl gesagt.  (Man befrage das Web nach “Kern will rasche Arbeitserlaubnis für Asylwerber” und wähle den Standard-Artikel). Es werden genügend Österreicher sich das bis zur nächsten Wahl 2018 merken. Für die spö dürfte das dann die bitterste Wahl ihrer Geschichte werden.

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