Gastautor / 29.05.2024 / 06:00 / Foto: Imago / 136 / Seite ausdrucken

Steigt das Meer oder sinkt das Land?

Von Uta Böttcher.

Ein kleiner Hinweis für Annalena Baerbock: Die Veränderung des Meeresspiegels muss nicht unbedingt etwas mit dem Klimawandel zu tun haben. Sie kann auch tektonische oder bodenmechanisch-hydrogeologische Ursachen haben. 

Immer wieder liest man, dass Küstenstädte und gar ganze Inseln schon in naher Zukunft im Meer versinken werden. Grund: der menschengemachte Klimawandel. Doch ist das auch richtig? Eine wichtige Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt ist: Relativ zu welchem Bezugspunkt wird der Meeresspiegel denn gemessen? Ist ein Anstieg nur lokal begrenzt, läuten bei Geowissenschaftlern die Alarmglocken. Denn dann liegt eine lokale Ursache nahe – meist begründet in der Dynamik unseres Planeten und wohl kaum im menschengemachten Klimawandel. So verhält es sich auch bei den Inseln des Südpazifik, wie den Fidschi-Inseln, die unsere Außenministerin Annalena Baerbock kürzlich besuchte (Foto oben), um dort mit traurigem Gesicht durch den Sand zu waten.

Weil in dieser Region der Meeresspiegel besonders schnell ansteige, müsse man die Menschen dort vor dem Untergang retten, lautete ihre Botschaft. Dabei sind die Bewohner Ozeaniens mit Erdbeben und Überflutungen vertraut. Bei den Fidschis und den umliegenden ozeanischen Inselgruppen haben wir es mit Vulkaninseln zu tun. Es ist einer der tektonisch aktivsten Bereiche der Erde. Starke Erdbeben erschüttern die Region, und Tsunamis überfluten den Strand. Die Bewohner der Südseeinseln haben es mit jährlichen Meeresspiegelschwankungen um 20 Zentimeter zu tun – verursacht von den Strömungen im Pazifik. Dieser Ort ist also denkbar ungeeignet, um einen globalen Meeresspiegelanstieg zu untersuchen. Belastbare, naturwissenschaftlich fundierte Daten zu erarbeiten, ist viel mühsamer, als mit einer Entourage von Hofberichterstattern Fotos mit im Korallensand versinkenden Außenministerinnenfüßen zu machen und diese zu verbreiten. Leider.

Denn: Unser Planet ist ein äußerst komplexes System, bei dem alle Komponenten in ständiger Bewegung sind. Die Erdkruste bewegt sich vertikal und horizontal, die Landmassen werden in geologischen Zeiträumen über den Globus hinweg bewegt, Wasser- und Luftströmungen verändern sich ununterbrochen, Gletschereis schmilzt und entsteht neu. Das Innere unseres Planeten ist heiß. Feste Lithosphärenplatten driften auf zähflüssiger Gesteinsmasse des Erdmantels. Diese zirkuliert wie das Wasser in einem Kochtopf und treibt die darauf treibenden Platten gemächlich und unaufhaltsam aufeinander zu, voneinander weg oder aneinander vorbei.

Beweise für den Klimawandel?

Rund um die Ränder der driftenden Platten sind Erdbeben und Vulkane platziert. So auch hier (Grafik von brgfx / freepik, bearbeitet von U. Böttcher). Für die Bewohner der Inseln Ozeaniens gehören Erdbeben und Überflutungen daher zum Alltag. Die geotektonischen Verhältnisse könnten kaum komplizierter sein. Während die australische und die pazifische Platte aufeinander zu driften, taucht die pazifische Platte an der Tonga-Kermadec-Subduktionszone nach Westen ab, in direkter Nachbarschaft verschwindet die australische Platte Richtung Osten an der Salomon-Neue-Hebriden-Subduktionszone unter der pazifischen. An den Plattenrändern entstehen Tiefseegräben wie der Kermadec-Tonga-Graben, fast 11.000 Meter tief. Und zwischen diesen Subduktionen bekommt die Erdkruste Risse und sinkt beckenförmig ein, zum Beispiel rund um die Fidschi-Inseln.

Die abtauchende pazifische Platte ist von der schnellen Sorte: Mit mehr als acht Zentimetern im Jahr ist ihre Subduktionsgeschwindigkeit eine der höchsten unseres Planeten. Dadurch schafft sie es weit in den zähflüssigen Erdmantel hinein, bevor sie schließlich in diesem aufgeht. Die Erdbeben geschehen in bis zu 600 Kilometer Tiefe. Schließlich schmilzt das Oberflächengestein auf, geht sozusagen in den Erdmantel über. Wie Kohlendioxidbläschen in einem Mineralwasserglas steigt diese Gesteinsschmelze wieder nach oben, denn sie ist leichter als das umliegende Mantelgestein, und es entstehen Vulkaninseln wie die Fidschis. Starke Erdbeben sind die Konsequenz dieser tektonischen Verhältnisse – die Gesteinsplatten bleiben aneinander hängen, und die Spannung entlädt sich von Zeit zu Zeit – und diese wiederum verursachen Tsunamis.

Genau wegen dieser geologischen Besonderheit sind die Inseln im Südpazifik ein denkbar ungeeigneter Ort, um nach Beweisen für den Klimawandel zu suchen.
Glücklicherweise gibt es Forscherteams, die sich zum Ziel gesetzt haben, den Anstieg des Meeresspiegels von der Absenkung der Erdkruste zu unterscheiden. Dies bedeutet jahrelanges, geduldiges Sammeln von Daten. Zuerst müssen auf den Südseeinseln geeignete Plätze gefunden werden, wo die Messpunkte über Jahre hinweg zuverlässig funktionieren. Dorthin reisen die Wissenschaftsteams in regelmäßigen Abständen, um die Veränderungen zu messen.

Fehlende valide Daten

Was dabei herauskommt, sind richtige Messdaten – nicht zu vergleichen mit den Ergebnissen von Computersimulationen, wie es zum Beispiel die langfristigen Klimaprognosen sind. Auf den Torres Inseln (Nord-Vanuatu, Südwest-Pazifik) ergaben Untersuchungen eines französischen Forscherteams, dass die Inseln in den Jahren von 1997 bis 2009 um 11,7 Zentimeter abgesunken sind (siehe auch 1). In einer anderen, großräumiger angelegten Studie wurde der Einfluss vertikaler Landbewegungen auf den südwestlichen Inseln des tropischen Pazifiks untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass die Absenkung der Erdkruste bei bis zu 4,2 Zentimetern pro Dekade liegt.

Für Tahiti wird bis zum Ende des Jahrhunderts eine Absenkung von 80 Zentimetern prognostiziert. Die Südseeinsel Vanikoro, ebenfalls zu Vanuatu gehörend, sinkt jedes Jahr um sieben Millimeter (siehe auch 3). Auch das kurzzeitige Versinken einer Kokosplantage auf der Insel Tegua hatte tektonische Ursachen. Im Jahr 2005 hatten die Vereinten Nationen dort öffentlichkeitswirksam die ersten Klimaflüchtlinge der Welt ausgerufen. Eine Kokosplantage war im Meer versunken, und ein Dorf wurde umgesiedelt. Als sich bei einem großen Erdbeben im Jahr 2009 die Spannung im Untergrund wieder löste – dafür sind Erdbeben schließlich da – stieg die Kokosplantage wieder auf und war im Trockenen. (siehe auch 4).

Forschung ist darauf angewiesen, dass Gelder zur Verfügung stehen. Wenn die Themen der Forschungsprojekte, die ausgeschrieben werden, sich nur noch um den durch Menschen gemachten klimabedingten Meeresspiegelanstieg drehen, ist es kaum möglich, mit diesem Budget Untersuchungen zum lokalen Anstieg des Meeresspiegels aus anderen Gründen zu unternehmen. Die Ursachen lokaler Veränderungen des Meeresspiegels sind vielfältig und haben sehr häufig tektonische oder bodenmechanisch-hydrogeologische Ursachen. Es wäre sicherlich eine gute Idee, Geowissenschaftlern Forschungsgelder zur Verfügung zu stellen, um die komplexen Zusammenhänge zu untersuchen und dadurch besser zu verstehen. Denn nur wenn man valide Daten statt Computersimulationen hat, können die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Mich als Geologen würde das jedenfalls freuen.

 

Uta Böttcher ist Diplom-Geologin, mit dem Fachbereich angewandte Geologie, speziell Hydrogeologie. 

 

(1) www.pnas.org vom 27.7.2011: “Comparing the role of absolute sea-level rise and vertical tectonic motions in coastal flooding, Torres Islands (Vanuatu)” von Valérie Ballu, Marie-Noëlle Bouin, Patricia Siméoni, Wayne C. Crawford, Stephane Calmant, Jean-Michel Boré, Tony Kanas, and Bernard Pelletier. Zu finden unter folgendem Link: https://www.pnas.org/doi/full/10.1073/pnas.1102842108

(2) www.iddri.org vom März 2019: “Relative sea-level rise and the influence of vertical land motion at Tropical Pacific Islands” von Martinez Asensio A., Wöppelmann G., Ballu V., Becker M., Testut L., Magnan A.K., Duvat V.K.E.. Zu finden unter: https://www.iddri.org/en/publications-and-events/scientific-publication/relative-sea-level-rise-and-influence-vertical-land und: https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0921818118306751?via%3Dihub

(3) Der Spiegel, Ausgabe 24, 2012: „Rätsel der sinkenden Inseln“ von Gerald Traufetter Zu finden unter folgendem Link: https://magazin.spiegel.de/EpubDelivery/spiegel/pdf/86403001

(4) http://www.welt.de vom 30. 10. 2013: Familie kämpft um Asyl als Klimaflüchtlinge von Ulli Kulke. Zu finden unter folgendem Link: https://www.welt.de/vermischtes/article121354764/Familie-kaempft-um-Asyl-als-Klimafluechtlinge.html)

Foto: Imago

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Talman Rahmenschneider / 29.05.2024

“Es ist einer der tektonisch aktivsten Bereiche der Erde.” Ganz recht. Praktisch gegenüber im Westen Kuwae, verschwunden unter den Wellen mutmaßlich 1453, Ausbruch Stärke 6. Südöstlich Honga Tonga HH, subtotal verschwunden 2022, Stärke fast 6. Der Meeresboden dazwischen bevölkert von Guyots. Darwin beobachtete korrekt, dass sie außerdem - noch wichtiger - Erosion unterliegen, bei geringer Erhebung über die Meeresoberfläche Korallenriffe bilden und langsam versinken, wenn es nicht vorher zu einem Ausbruch kommt. Lächerlicher Versuch von Manipulation, dort etwas messen zu wollen. Zudem schrumpft der Pazifik, langsam, doch stetig. Albernes Manöver, sich dort darzustellen. Abgesehen davon sind die Meeresspiegel statistisch zu niedrig, die Landmasse viel zu groß.

Wolfgang Richter / 29.05.2024

@ Peter Petronius - “Meine Güte, 1,4 Mrd. Menschen (heutiger Stand) werden regelrecht im Erdboden verschwinden und China gegen seinen Rivalen Indien gewinnen, das ist so schrecklich.”—Für deren Ankunft sollte Deutschland dann doch langsam mal den Wohnungsbau in Schwung bringen. Sonst wird das nix mit der Aufnahme. Dann klappts doch noch mit der ollen Rüttger-Parole “Inder für Deutschland”.

Wolfgang Richter / 29.05.2024

Mit zB Plattentektonik oder “Ausbruch eines Mega-Vulkans bei Tonga” lassen sich weder Steuern noch Preisaufschläge und staatlich organisierte Abzocke begründen, mit irgendwas mit “der Mensch hat schuld” und “Einer muß ja anfangen, also reiches Deutschland vorneweg” sehr wohl, dank Bildungsnotstand, Schülerverar… zB mittels “Lesch Klimakoffer”.

Sam Lowry / 29.05.2024

@Christiane Elisabeth Dornecker: Das geschieht auch in Mexico-City: (“Manche Gebäude versinken bis zu 40 Zentimeter pro Jahr im Erdboden. Laut der spanischsprachigen Zeitung „Excelsior“ hat sich „DF“ (für Districto Federal, etwa Regierungsbezirk, Spitzname der Einheimischen für Mexico City) in den vergangenen 150 Jahren um bis zu 14 Meter abgesenkt.”)

Stefan Riedel / 29.05.2024

Na ja, die teutonischen Kobolde sind verantwortlich!

Dirk Kern / 29.05.2024

Der Mount Everest wächst wegen der Kontinentaldrift jedes Jahr um mehrere Zentimeter. Da ist es nicht nur normal sondern physikalisch sogar erforderlich, dass anderen Orts die Erdoberfläche absinkt. Das wissen eigentlich normal gebildete Menschen mit einem Bildungsabschluß.

Holger Kammel / 29.05.2024

Also, Frau Böttcher! Jetzt kommen Sie doch nicht mit Fakten, geschweige denn aus einem so komplizierten Fachgebiet wie der Geologie. Vulkane sind eine direkte Folge des Klimawandels, Punkt! Die wandernden Hotspots, beruhend auf den Konvektionsströmungen im oberen Erdmantel, die die pazifischen Vulkaninseln erst geschaffen und hervorgehoben haben und in deren Rücken die Inseln wieder absinken , werden von Nazis weitergeschubst.  Der sibirische Trapp beruhte auf dem Schwerverkehr der Dinosaurier. Jetzt mal im Ernst! Es ist schon eine relativ junge Erkenntnis und gewiß nicht allgemein verbreitet. Bedenken Sie, wie lange die Kontinentaldrifttheorie Wegeners gebraucht hat, um allgemein anerkannt zu werden.  Mal was persönliches:  Ich als Einäugiger unter den Blinden habe mit Geologen und Mineralogen studiert. Für mich sind das die schwierigsten Studienfächer neben Pharmazie und Chemie. Dagegen ist Medizin geradezu grobschlächtig. Aber eine besondere Sorte Menschen seid Ihr schon. Die Antipoden zu Politologen, Soziologen, Juristen, Philosophen etc. Ihr würdet ein Kilogramm vielfarbiger Glasperlen sortieren. Die anderen würden sie mit einem Hammer zu Staub schlagen. Ach ja, noch was. Es ist schon erstaunlich, wie nahe der alte Knabe Athanasius Kirchner, Jesuitenpater im 17. Jahrhundert an der Realität war.  Soviel zur Wissenschaftsfeindlichkeit der katholischen Kirche.

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