Das klingt dramatisch. Ist es wirklich so schlimm? Sehen wir mal: Die FDP hatte jüngst einen Bundesparteitag. Es war der 70. und er dauerte vom 26. bis 28. April. Nun ist es nicht mehr dieselbe FDP. Sie haben es getan. Sie haben ihre freiheitlich-demokratische Haltung aufgegeben, und es scheint ihnen nicht einmal bewusst zu sein. Es scheint ihnen auch nicht peinlich zu sein, feministischen Forderungen von gestern hinterherzudackeln. Sie meinen es ernst. Nun wollen sie – wie andere auch – ebenfalls eine Quote. Natürlich in Führungspositionen.
„Wir setzen uns dafür ein, dass Unternehmen eine Selbstverpflichtung eingehen“, heißt es, sie wollen, „dass der Anteil Frauen einer Unternehmensebene sich in der Führung der jeweiligen Unternehmensebene widerspiegelt.“
Aha: Spieglein, Spieglein, an der Wand … lautet also der Singsang. Dahin geht ihr Blick. Hoffentlich haben sie auch das richtige Make-up griffbereit. So jedenfalls fängt das Papier an, das „Freiheit durch Emanzipation – Liberale Agenda für Selbstbestimmung und Vielfalt“ heißt und das man hier nachlesen kann:
„Anfang 2019 wurden nur 2,5 Prozent der 160 größten Unternehmen Deutschlands von einem weiblichen CEO geleitet. Obgleich der Frauenanteil unter den DAX 30 Unternehmen bei 14,5 Prozent liegt, werden zwei von drei Unternehmen durch ausschließlich mit Männern besetzte Vorständen geführt. Und nur 15,1 Prozent aller Start-ups werden von Frauen gegründet.“
In betrügerischer Absicht
Das sehen sie als Problem. Deshalb will die FDP so genannte „Zielvorgaben“ machen. Das klingt gut, ist aber schlecht. Eine Quote ist noch kein Ziel, sie ist ein Mittel; eine Formalität, kein Inhalt. Es soll jedoch Leute geben, die meinen, dass der Weg schon das Ziel sei.
Wie auch immer: Sie nennen ihr Motto in betrügerischer Absicht, die gleichwohl leicht zu durchschauen ist: „#LeistungstattQuote“. Es ist jedoch nichts anderes als der späte Ruf nach einer ordinären Quote. Nun also auch die FDP. Sie wollen „ein bisschen Feminismus“ und verkennen, dass man nicht „ein bisschen Totalitarismus“ haben kann.
Frauen haben inzwischen vollen Zugang zum Arbeitsmarkt und dennoch müssen wir feststellen, dass sowohl in Führungspositionen als auch in bestimmten, besser bezahlten Berufsgruppen Frauen noch immer unterrepräsentiert sind.
Erwischt. Da ist es! Das üble Wort, das sich nicht mit liberalem Denken verträgt – das verräterische Wörtchen „unterrepräsentiert“! An anderer Stelle wiederum – daran soll man offenbar erkennen, dass es ein echtes Papier von der FDP ist – schreiben sie:
Dabei geht es uns um echte Wahlfreiheiten von Lebensentwürfen für jede einzelne Frau und jeden einzelnen Mann nach ihren oder seinen ureigensten Wünschen.
FDP-Frauen bitte ans Telefon!
Nun habe ich ein Problem. Ich frage mich ganz ernsthaft: Ist es etwa unhöflich, womöglich sexistisch, wenn ich versuche, den Frauen von der FDP zu erklären, dass „Wahlfreiheit“ und „Repräsentation“ nicht zusammenpassen und dass sie sich daher nicht wundern sollen, dass Frauen in gewissen Bereichen „unterrepräsentiert“ sind. Es ist offensichtlich. Das müssten sie selber merken; es ist kaum vorstellbar, dass ihnen das nicht schon aufgefallen ist.
Wenn ich freie Wahl gewähre, muss sich auch das Ergebnis akzeptieren und kann nicht erwarten, dass dabei etwas Repräsentatives herauskommt. Das Ergebnis, das bei einer freien Wahl entsteht, ist anders als ein Ergebnis, das künstlich so zusammengestellt werden muss, dass dabei gewisse Gruppen just so repräsentiert werden, wie es sich Leute wünschen, die sich anmaßen, das Ergebnis von freien Entscheidungen vorwegnehmen zu können.
Wahrscheinlich fällt das, was ich hier mache, unter „mansplaining“. So nennt man es, wenn Männer Frauen damit belästigen, dass sie versuchen, ihnen etwas zu erklären, das sie in Wirklichkeit selber längst viel besser wissen – oder besser zu wissen glauben. (Dazu gibt es einiges an Büchern, T-shirts, anti-mansplaining Bleistiften, Kaffeetassen, Warnschildern, MP3-downloads … schauen Sie mal: Wie wäre es mit einem Journal für Opfer von Mansplaining?)
In Schweden wurde sogar ein Notruf eingerichtet (die Nummer suche ich jetzt aber nicht extra raus). Womöglich fällt mein Versuch, den Frauen von der FDP etwas zu erklären, sogar unter toxic masculinity. Dennoch! Ich wage es:
Wenn ich mich frei für etwas entscheide, dann entscheide ich mich für etwas, das allein mich betrifft. Ich entscheide mich beispielsweise, Unternehmer zu werden. Damit repräsentiere ich nichts. Nur meine eigene Entscheidung. Wenn ich dagegen als repräsentativ für etwas gesehen werden soll, dann geht das auf Entscheidungen zurück, die nicht bei mir alleine, sondern auch noch bei anderen liegen. Wenn zum Beispiel ein Unternehmerverband mich als Repräsentanten bestimmt hat, damit ich deren Interessen vertrete. Dann kann ich sagen: Ich repräsentiere nicht nur mich, sondern obendrein den Verband, der mich dazu auserkoren hat.
Noch mal in einfacher Sprache: Freiheit = ich entscheide für mich alleine. Meine Entscheidung gilt nur für mich. Repräsentation = andere entscheiden mit, dass sie mich als Vertreter ihrer Gruppe ansehen und dass das, was ich entscheide, nicht nur für mich alleine, sondern zugleich für die Gruppe Bedeutung hat.
Ich empfehle einen Spaziergang zur Neckarinsel in Tübingen
Es sind zwei verschiedene Betrachtungsweisen. Die eine ist am Individuum orientiert, die andere ist gruppenbezogen. Die feministische Weltsicht passt in zweierlei Hinsicht nicht zu einer freien, demokratischen Partei: Sie ist nicht frei und nicht demokratisch.
Die feministische Weltsicht ist gruppenbezogen. Das ist sie per definitionem. Sie setzt sich über freie Entscheidungen von Einzelnen hinweg. Stets ist die Gruppenzugehörigkeit Trumpf. Feministen denken in Quoten. Sie sprechen von Repräsentation.
Doch ihre Art von Repräsentation ist grundsätzlich anders als die in meinem speziell auf FDP-Bedürfnisse zugeschnittenen Beispiel, bei dem ich als gewählter Vertreter eines Unternehmerverbandes die Interessen meines Verbandes repräsentiere. Da habe ich freiwillig kandidiert und bin dann von der Mehrheit gewählt worden. Diese beiden Faktoren, die eine Repräsentation demokratisch machen, gelten nicht, wenn Feministen von „Repräsentation“ reden.
Bei denen geht es nicht demokratisch zu. Nicht freiheitlich. Da gibt es keine Kandidatinnen, die sich freiwillig zur Wahl stellen, um sich als Repräsentantinnen wählen zu lassen. Es gibt solche Kandidatinnen nicht. Und es gibt auch nicht die Gruppe „der“ Frauen, die ihre Repräsentanten demokratisch wählen. Die Gruppe „der“ Frauen (die es sowieso nicht gibt) muss daher auch nirgendwo repräsentiert sein.
Jedenfalls nicht in einer freiheitlichen Demokratie. Da gilt Repräsentation nur unter den eben genannten Bedingungen. Ansonsten nicht. Wer von Repräsentation redet, ohne dass die Repräsentanten, um die es dabei geht, in irgendeiner Weise qualifiziert und legitimiert sind, versucht zu mogeln, der verwendet an der Stelle einen falschen Begriff.
Die Gruppe „der“ Frauen gibt es nur im Weltbild von Feministen. Die Repräsentantinnen dieser Gruppe sind nicht gewählt und von niemandem gewollt – nur von feministischen Aktivistinnen, die selber nicht das machen wollen, was sie von anderen fordern. Statt zu fordern, dass es mehr Start-ups von Frauen geben sollte, könnten sie selber welche gründen.
Feminismus und FDP – das passt nicht zusammen. FDP und Quote – beides geht nicht.
Die Neckarinsel in der Universitätsstadt Tübingen ist nicht nur eine Attraktion für Spaziergänger, sie ist zugleich ein Mahnmal: Der Sage nach verunglückten an ihrer Spitze dumme Flößer, die sich nicht rechtzeitig entscheiden konnten, ob sie links oder rechts an der Insel vorbeifahren wollten. Beides geht nicht gleichzeitig, man kann nicht sowohl links als auch rechts an der Insel vorbeifahren. Freie Wahl und Repräsentation gehen nicht zusammen.
Hören Sie auf Frauen! Beachten Sie das womensplainig
Wenn ich Kabarettist wäre, würde ich jetzt an Günter Grass erinnern, der mit dem Buchtitel Die Rättin eine neue weibliche Form erfunden und gleichzeitig die Figur der Ratte aufgewertet hat, die bei ihm so etwas wie der canary in the coal mine wird, ein Frühwarnsystem. Wenn ich also Kabarettist wäre, könnte ich jetzt sagen: Die Rättinnen verlassen das sinkende Schiff. Kluge Frauen verlassen die FDP.
Zum Beispiel Natalie Sapir:
„Werde mich weiter in der #FDP engagieren, aber nur unter der Bedingung, dass man mich nicht als Frau behandelt. Never ever kandidiere ich auf einem Frauenplatz. Ich lasse mich auch nicht als Frau zählen.“
Zum Beispiel Lian Hunold:
„Ich könnte mich selbst nicht ernst nehmen, wenn ich nur aufgrund einer #Zielvereinbarung im Amt wäre. Ich würde das Amt gar nicht erst wollen. #LeistungstattQuote (es ist nicht weniger Quote nur weil man es anders nennt).“
Zum Beispiel Maike Wolf:
„ … hiermit trete ich zum nächstmöglichen Zeitpunkt aus der Freien Demokratischen Partei aus …
Ich habe mich lange und voller Herzblut für die Freien Demokraten und ihre Jugendorganisation, die Jungen Liberalen (hier u.a. als Landesvorsitzende), eingebracht und gestritten. Immer als Mensch, als Freier Demokrat, als Liberaler. Niemals nur als Frau. Genau das war es, was mir auch als Gegenleistung entgegengebracht wurde, Wertschätzung für meine Taten, für mein Engagement – unabhängig von meinem Geschlecht …
Als Freie Demokraten stellen wir immer wieder klar, dass unser Schwerpunkt auf dem Individualismus und der Chancengerechtigkeit liegt ...
Für uns, die darauf einen derart großen Schwerpunkt legen, gibt es eindeutig Dinge, die für die Wahl in ein Amt nicht relevant sein dürfen: die Herkunft, das Aussehen und das Geschlecht.“