Stasi-Stimmen für den Bundeskanzler

Heute vor 50 Jahren manipulierte die Stasi der DDR erfolgreich eine Abstimmung im Bundestag.

Außer Kanzleramtsspion Günter Guillaume (und vielleicht noch Benno-Ohnesorg-Mörder Karl-Heinz Kurras) kennen die allermeisten Westdeutschen bis heute keinen einzigen im Westen aktiven Stasi-Agenten.

Stasi? Das ist bis heute eine Sache der Ostdeutschen. Dabei waren auch Bayern, Hessen, Bremen und das Rheinland von DDR-Geheimagenten geradezu durchsetzt, die, obwohl sie selbst im freien Westen lebten, jenem SED-Regime dienten, das seine eigenen Bürger erschoss und von einem (gemessen an der Bevölkerungszahl) der größten geheimpolizeilichen Sicherheitsapparate in der Geschichte der Menschheit bespitzeln und terrorisieren ließ.

Diese Westdeutschen in Honeckers und Mielkes Diensten leiteten die SPD in Bonn, die Journalistenschule in Köln, arbeiteten beim Saarländischen Rundfunk, dem Kölner Stadt-Anzeiger, beim Bund der Steuerzahler, bei der taz und im Europa-Parlament, bei Siemens in Bayern, als Kindergärtnerin in West-Berlin, als niedersächsische Hauptkommissare, als Pfarrer in Bonn oder als bekannte Unternehmer in Nürnberg. Sie waren Professoren in Kassel oder agitierten als West-Berliner FDP-Vorsitzende gegen den NATO-Doppelbeschluss. 

Die Agenten waren buchstäblich überall und beschränkten sich keineswegs nur aufs Mitschreiben und Abhören, sondern beteiligten sich aktiv an Rufmord und gar Tötungen von Kommunismus-Gegnern in Westdeutschland.

Der Stasi-Fall im Westen, der die größte Medienaufmerksamkeit genoss, die Enttarnung des oben genannten Stasi-Spions Guillaume im direkten Umfeld des Bundeskanzlers, überschattete jedoch einen anderen Skandal, der sich heute zum 50. Mal jährt: Die Tatsache nämlich, dass Bundeskanzler Willy Brandt das Scheitern seiner Abwahl auch Erich Mielkes Geheimdienst zu verdanken hatte.

Das Misstrauensvotum

Willy Brandt, als Regierender Bürgermeister von West-Berlin selbst noch Hassfigur für das SED-Regime, hatte vor allem zusammen mit seinem Staatssekretär Egon Bahr ab 1969 die sogenannte Neue Ostpolitik und den "Wandel durch Annäherung" der SPD-FDP-Koalition eingeleitet. Diese neue Politik sollte den erstarrten Status quo zwischen Bundesrepublik und DDR aufbrechen, und mittels eines pragmatischeren Politikstils den Frieden stabilisieren und Erleichterungen für die Bewohner der DDR erwirken. 

Doch eben diese Stabilisierung machte die neue Politik für nicht wenige Oppositionspolitiker zum roten Tuch, ging doch mit ihr auch eine verstärkte de-facto-Anerkennung der DDR und des SED-Regimes als legitimer Verhandlungspartner einher sowie eine de-facto-Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Die Rede war vom "Ausverkauf deutscher Interessen".

Die ursprüngliche Mehrheit der Regierung bestand ohnehin nur aus 12 Abgeordneten. Nachdem aber wegen der Ostpolitik nicht nur mehrere Bundestagsabgeordnete von SPD und FDP zur Union gewechselt waren (darunter so prominente Namen wie Erich Mende und der Vertriebenenfunktionär Herbert Hupka), sondern im Falle eines Misstrauenvotums noch fest mit weiteren Überläufern aus dem Regierungslager gerechnet wurde, sah die Opposition ihre Stunde gekommen.

Die CDU strengte am 27. April 1972 ein konstruktives Misstrauensvotum an, um ihren eigenen Kandidaten Rainer Barzel ins Bundeskanzleramt zu hieven. Damit dieses Misstrauensvotum erfolgreich sein konnte, musste es von mehr als der Hälfte der Abgeordneten (in diesem Falle 249 Stimmen) befürwortet werden. Doch der sicher geglaubte Erfolg des Misstrauensvotums wollte sich nicht einstellen – zur allgemeinen Überraschung stimmten nur 247 Abgeordnete gegen Brandt! Was war passiert?

Geheimdienste des kommunistischen Ostblocks waren aktiv geworden, denn die Entspannungspolitik der rot-gelben Koalition war SED-Chef Erich Honecker und anderen Machthabern des Warschauer Paktes lieber als eine Fortsetzung der Konfrontation.

Nur ein Jahr nach der gescheiterten Abstimmung gab Julius Steiner (CDU) zu, 50.000 DM für seinen Verrat an der eigenen Partei von der Stasi der DDR erhalten zu haben – ein Geständnis, das später von Stasi-Auslandschef Markus Wolf bestätigt wurde.

Die Enttarnung des zweiten Unionsabgeordneten, der im Auftrag der Stasi Willy Brandt durch eine Stimmenthaltung im Amt hielt, musste bis nach der Wende warten:
Im November 2000 benannte der „Spiegel“ den CSU-Abgeordneten Leo Wagner, der dafür ebenfalls 50.000 Mark erhalten hatte.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang außerdem, dass auch noch der „Mutter-Geheimdienst“ der Stasi, nämlich der KGB, parallel dazu Egon Bahr (SPD) eine Million DM anbot, damit er mit diesem Geld Unionsabgeordnete bestechen könne – ein Angebot, das Bahr ablehnte.

 

Simon Akstinat arbeitet als Autor und Fotograf. Sein neues Buch „Pantheismus für Anfänger – Der kaum bekannte Gottesglaube von Goethe, Einstein und Avatar“ ist hier und hier bestellbar.

Foto: Bundesarchiv/ Ludwig Wegmann CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia

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Leserpost

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Georg-Michael Mathes / 27.04.2022

Die heutigen Politiker haben eine so dicke Haut, die können ohne Rückgrat aufrecht darin stehen. Dabei ist es völlig egal was man ihnen vorwirft oder welchen Mist sie gebaut haben. Früher war es etwas anders - oder haben sich die Politiker damals nur nicht getraut? Der Wandel unserer Gesellschaft…........

Dr. med. Jesko Matthes / 27.04.2022

Nicht jeder erinnert sich gern: “Ich war auf der Toilette.” (Herbert Wehner)

Peter Mielcarek / 27.04.2022

Spione haben Willy Brandt das Amt erhalten. Dieselben Spione sind verantwortlich für den Untergang der DDR. Dieselben Spione haben Merkel zur Bundeskanzlerin gemacht und sind verantwortlich für den Zusammenbruch des Kapitalismus. Spione, wo man hinguckt. Wenn ich einen Freund als Spion enttarnte, ich würde sagen:» Ist auch nur ein Job» - und würde sofort vergessen, dass er Spion ist. Job ist Job, so isses halt :)

Karla Kuhn / 27.04.2022

Wenn es dem WESTEn wirklich ernst gewsen wäre mit den verbrecherischen Kommunisten, wäre dieser unselige UNRECHTSSTAAT, widerrechtlich genannt DDR (Deutsche DEMOKRATISCHE Republik) bereits 1949 wieder untergegangen. Die Amis hätten sich mit den Russen einigen können, gegen genug MOOS hätten sie dieses Anhängsel wahrscheinlich gerne hergegeben. Aber Adenauer war- so die Verlautbarung- dagegen. 40 Jahre UNRECHT, der letzte Mauertote wurde mit 31 (EINUNDDREIßIG) Schüssen regelrecht hingerichtet, die verantwortlichen Grenzer wurden freigesprochen aber die eigentlichen MÖRDER gar nicht erst zur Rechenschaft GEZOGEN !! Der WESTEN hat geblecht und geblecht, die Forderungen wurden immer dreister aber die STRAFEN für Menschen, die nichts weiter wollten, als in Freiheit zu leben, immer drakonischer. ALLES unter den AUGEN des GOLDENEN WESTENS. Der Westen hatte sich vom UNRECHTSSTAAT am Nasenring durch die Manege ziehen lassen, FREIWILLIG !! Und heute ?? Da sitzen etliche ehemalige STASI wieder auf hohen Posten, auch in der POLITIK und mauscheln offenbar wieder mit den ROTEN KOMMUNISTEN !! Und die MÜSSEN auch noch von uns- auch von den OPFERN, ZWANGSALIMENTIERT werden !! Wenn ich nur an Merkel denke und diese sogenannte “Freundin” wird mir übel. WARUM dürfen BEIDE Personen und die anderen STASI eigentlich noch FREI herumlaufenß WARUM sind die nicht schon längst vor einem TRIBUNAL gelandet ?? ALLE !! ALLE, die bei der STASI waren, haben menschliche Tragödien mit zu verantworten, die nicht so hellen Kerzen ebenso, wie die “OBERSTE ETAGE”  DORT saßen die gefährlichsten Übeltäter !! Herr Heinrich WÄGNER kann auch ein bitterböses Lied davon singen. Und heute ?? Hat sich Scholz von Merkel distanziert ? Oder ist er ihr noch hörig ?? Für mich hat sich seit 2005 peu a peu der Kommunismus wieder etablieren können. Die GRÜNEN sind für mich das ROTESTE TUCH, zusammen mit den ROTEN !

Franz Michael / 27.04.2022

Es waren ebenso tausende BND Doppelagenten in der DDR, siehe Köppe Bericht zur KoKo und mehr. Es hat seinen Grund warum die CIA zuerst die Stasi Unterlagen hatte und diese 10 Jahre später als Rosenholz Dateien Merkel überreichte. Die politische Einflussnahme der Geheimdienste scheint massiv ausgebaut zu sein und könnte Merkel und Scholz auf die Füsse fallen. Es geht um den Scripal Fall, Jan Marsalek, der, laut aktuell von Fabio de Masi, vom Verfassungsschutz Österreichs die Novitschok Formel erhielt.

A. Ostrovsky / 27.04.2022

@Otto Nagel : Es ist der “rollende” Werbeblock rechts unten. Den klicke ich immer schnell weg, sobald er erscheint. In diesem parasitären Sofrwaresrück präsentieren Dritte (vermutlich?) ihre wichtigen Botschaften. Da würde ich mir sehr wohl überlegen, wem ich dort mit seinen fehlerhaften Sketches Zugriff erlaube. Ansonsten gibt es immer am Ende des Textes den Link “Leserbrief schreiben”. Damit kommt man wieder zu den Kommentaren, bis man wieder von ser selben aggressiven Werbung rausgekegelt wird. Dieses seltsame Werbedings gibt es interessanterweise nur auf Mobilgeräten. Vielleicht kann man es ja ganz weglassen? Zumal ich noch niemals dort einem Angebot gefolgt bin. Es nervt eigentlich nur und wenn man schnell das X rechts oben findet, ist es eh weg, bis zur nächsten Aktualisierung.

E. Albert / 27.04.2022

Viel spannender wäre doch mal die Beschäftigung mit der SED-Verbundenheit unseres derzeitigen Bundeskanzlers, dessen STASI-Unterlagen belegen, dass er engste Beziehungen zum SED-Regime pflegte! - Die seiner AGITPROP-erprobten Vorgängerin ist ja bereits in Grundzügen bekannt. Sind die sich eigentlich mal beim Kaffee-Krenz-chen begegnet?! Schließlich unterhielt auch Scholz enge Kontakte zur FDJ, nahm als Führer einer Delegation von “Jungsozialisten” am “int. Jugendlager” der DDR teil, wo SED-Funktionäre die Teilnehmer in kommunistischer Ideologie schulten…- Das alles war kaum nur Lagefeueridyll und verbuchbar unter ‘dumme Jugendsünden’! Bis heute hat sich der Mann davon nicht distanziert - und schweigt! Wie üblich…(- Und wenn ich dann Leute höre, die sagen, sie hätten “SPD gewählt, um der CDU eins auszuwischen”...)

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