Wolfgang Röhl / 01.04.2018 / 06:09 / Foto: Pfctdayelise / 28 / Seite ausdrucken

Stark nachgefragt: Weibliche Wirkungstreffer

Frohe Osterbotschaft: Deutschlands Frauen werden immer gesundheitsbewusster. Der Sender Sat1 zum Beispiel registriert für Videos aus der Rubrik „Sport & Fitness“ reichlich Nachfrage. Anhand der Filmchen kann frau unter anderem trainieren, den nächtlichen Heimweg ohne größere Blessuren zu überstehen. „Fünf einfache Tricks zur Selbstverteidigung“ gehen so:

Den Schlüssel in der Hand tragen, um den Schlag zu verstärken.

Handtasche oder Regenschirm: Schlagen Sie mit allem zu, was greifbar ist.

Treten und kratzen Sie, zielen Sie dabei auf das Gesicht und die Augen.

Schreien Sie laut bei Ihrer Selbstverteidigung, rufen Sie nach der Polizei.

Auch mit dem Kopf können Sie zuschlagen – hält man Sie fest, ist Kopfarbeit gefragt.

„Kopfarbeit“ – pfiffig formuliert, wie? Der Hintergrund ist natürlich ein ernster. Die Frau von heute sollte sich laut Sat1 nämlich fragen: „Wie reagiere ich, wenn plötzlich eine Gruppe Männer auf mich zukommt?“ Obacht: „Nicht nur Gruppen können Ihnen gefährlich werden, auch Einzeltäter sind möglich“. Am klügsten sei es, rät der Sender, „in der Wegmitte“ zu gehen. Ferner sollten Frauen „dunkle Nischen oder große Fahrzeuge umgehen. So kann niemand Sie überraschend in einen Hauseingang oder einen Wagen zerren oder aus der Dunkelheit angreifen.“

Hört sich, zugegeben, ein bisschen hausbacken an. Und ist im Ernstfall vielleicht nicht immer effizient. „Wer auf Nummer sicher gehen möchte, erlernt eine Kampfkunst“, schlägt unser cleverer Kuschelsender den Frauen vor. Und wenn einige partout nicht lernen möchten, sich gegen eine Männerhorde künstlerisch durchzusetzen? Auch für die ist gesorgt: „Weiterhin gibt es Begleitservices, die man für einen sicheren Heimweg buchen kann.“

Trend zur Kampfkatze

Was aber eher was für Angsthäsinnen ist. Trendy sind die starken Frauen. Auf „stern.de“ demonstriert Kampfsport-Experte Marcus Ruddies, wie sich eine Frau Reschpekt verschafft, wenn das mit der Armlänge Abstand wieder nicht geklappt hat:

„Wenn man angepackt wird, kann die Situation natürlich sehr unterschiedlich sein. Je nach Aggressionsgrad, je nach Eskalationsstufe kann man die Technik noch gut unterstützen, in dem man zum Beispiel einen Tritt in den Unterleib macht oder ins Knie rein. Das sind super Ziele an den Beinen unten. Oben Schlag zum Kopf, auf die Nase, aufs Auge, aufs Ohr. Das unterstützt das Lösen sehr sehr gut." (hier)

Den Trend zur Kampfkatze hatte ausgerechnet die „Süddeutsche Zeitung“ früh gewittert. Sie veröffentlichte bereits im Februar 2016 eine Reportage über den ehemaligen Kickbox-Weltmeister Rick Henderson, der Münchener Damen beibrachte, Angreifern durch „eine klassische Kopfnuss mit dem Hinterkopf, mit einem schnellen Hüftstoß in die Weichteile oder mit einem Ellenbogenschlag ins Gesicht“ Mores zu lehren.

Seit der Silvestersause von Köln konnte der kompromisslose Coach („Denkt daran: maximal schmerzen!“) sich vor Anfragen kaum retten. Die Disziplin Teddybärenweitwurf war jäh vom Nahkampftraining abgelöst worden. Goldene Regeln gab’s gratis dazu. Henderson: „Ihr habt nur eine Chance, die muss sitzen.“

Starker Tobak für willkommenskulturaffine SZ-Leserinnen. Deshalb verlinkte die SZ vorsichtshalber im Lauftext ein Interview mit einem Hamburger Türsteher, der den politisch korrekten Dreh ablieferte. O-Ton: „Die größten Probleme machen nicht Flüchtlinge, sondern Anzugträger über 30.“

Ausbildung im Kompetenzbereich „Kratzen & Treten“

Seither sind viele Monde verblasst, so mancher Einzelfall ist aufgeschienen. Mittlerweile ist das Angebot an Selbstverteidigungskursen für Frauen und Mädchen kaum noch überschaubar. Mehr Treffer bei Google bringt höchstens der Suchbegriff „Plätzchenbacken Weihnachten“. Selbst Volkshochschulen bilden jetzt Frauen im Kompetenzbereich „Kratzen & Treten“ aus. Nicht nur an kunterbunten Orten wie Köln oder Berlin – sogar im beschaulichen Fischbrötchen-Paradies Cuxhaven.

Warum, ist nicht völlig nachvollziehbar. Wir hören ja aus der vielfältigen Medienwelt, dass das Geschehen auf der Domplatte ein singulärer Event war. Und dass angebliche Gefahren im öffentlichen Raum hauptsächlich gefühlte Gefahren sind, mit welchen Rechtspopulisten ihr braunes Süppchen würzen. Ferner hören wir, dass unschöne Szenen, wo sie denn doch noch mal passieren, bald Schnee von gestern sein werden.

Wenn nämlich erst einmal die Sache mit dem Familiennachzug so richtig läuft, werde die mäßigende Wirkung von Bezugspersonen wie Mütter und Schwestern auf junge Schutzsuchende voll zur Entfaltung gelangen. Wieso also Geld für Kampfesübungen ausgeben, wenn die schon bald obsolet sein werden?

Ist der neue weibliche Wehrwille vielleicht ein Nebenprodukt der #metoo-Kampagne? Sind Frauen massenhaft zur Überzeugung gelangt, der Filmmogul W. hätte mit einer Kopfnuss gestoppt werden können? Den Regisseur W. hätte ein Tritt in die cojones ruckartig enttestosteronisiert? Diese Theorie hat was. Leider korrespondiert sie nicht mit den Daten. Der Run auf Frauenselbstverteidigung war schon vor der großen #anschwärze voll im Gange.

Vergesst den ganzen Quatsch

Schluss mit den Spekulationen. Stattdessen möchte ich euch, liebe nahkampfbereite Mädchen, Frauen, Landsmänninnen, etwas ganz Praktisches empfehlen. Vergesst den ganzen Quatsch mit der Selbstverteidigung! Was ihr in US-Blockbustern gesehen habt, wo schöne, schlanke, gerade mal mittelgroße Superwomen riesige Unholde ratzfatz umhauen, das ist bloß Kintopp. Lara Croft heißt in Wirklichkeit Angelina Jolie. Diese taffen Bullinnen, die in jedem zweiten deutschen TV-Krimi harte Ganoven niederringen? Sind bloß Kopfgeburten von Drehbuchschreibern, die sich an weibliche Zuschauer anwanzen möchten.

In der rauen Realität verhält es sich so: All die tollen Tricks und Kniffe, das ganze Karate- und Teakwondo-Gerödel und erst recht die Jiu-Jitsurei haben Aussicht auf Erfolg nur dann, wenn der Angreifer nicht deutlich größer, schwerer und kräftiger als der Verteidiger ist. Ich weiß das, weil ich als junger Journalist solche Kurse absolviert habe. Da wurden mir die Grenzen der Widerständigkeit schnell klar.

Ich war damals physisch gut drauf, musste aber erfahren: Gegen den eisernen Griff eines muskulösen Gegners helfen keine ausgefuchsten Hebeltechniken. Einen Wirkungstreffer in die Eier muss man auch erst mal hinkriegen. Zu dumm: Wenn Männer Frauen angreifen, funktionieren die auf der weichen Kursusmatte erprobten Abwehrstrategien in schätzungsweise neun von zehn Fällen nicht so gut.                                                                            

Und dann ist da noch ein Punkt. „Streite dich nie mit jemandem, der nichts zu verlieren hat“, sagt Pierce Brosnan im Thriller „Spiel mit der Angst“. Kann ich unterschreiben. Auf dem Schulhof und beim CVJM habe ich mich gelegentlich (selten) gekloppt. War okay. Es galten gewisse Regeln.

Dieser Ratgeberquatsch muss aufhören

Aber in meinem Wohnumfeld, da hatte ich Schiss vor manchen Jungs. Sogar vor jüngeren. Die Gegend galt zum Teil als asozial. Da liefen kleine Schläger rum, richtige Pitbulls. Paar Zähne einzubüßen oder eine hässliche Narbe einzufangen, war denen schnurz. Mir nicht.

Liebe Amateur-Amazonen: Wenn ihr kämpfen wollt, dann tut es zuvörderst an einer anderen Front. Gegen den grassierenden Kontrollverlust der vom Steuerzahler alimentierten Ordnungskräfte hilft keine Privatvorsorge. Nur politische Gegenwehr. Und der Unfug mit den Tipps, sich gefälligst in der Gehsteigmitte zu bewegen und sich beim Auftauchen von Rudeln selbstbewusst zu geben und dabei immer das Telefon am Ohr zu haben, dieser unfassbar rückschrittliche Ratgeberquatsch muss aufhören.

Der Bürger jeden Geschlechts hat mit dem Staat einen Vertrag, für den er bezahlt. Der Vertrag besagt unter anderem, dass der Staat den Bürger vor Kriminellen zu schützen hat. Dafür wird er, der Staat, bezahlt. Do it yourself, das war nie ausgemacht. Datenschutz, Bankeneinlagenschutz, Schutz vor Schweinepest, Dieselabgasen, Zigarettenrauch, Fluglärm oder Elektrosmog – alles nachrangig.

Nichts hat ein Rechtsstaat mehr und militanter zu schützen als die unmittelbare körperliche Unversehrtheit seiner Bürger. Deren Recht, sich angstfrei bewegen zu können. Überall, zu jeder Stunde. Wenn selbst Edel-Meilen wie der altehrwürdige Hamburger Jungfernstieg nach Ladenschluss zu Grabscher- und Messerheldenturfs werden, dann bedeutet das keineswegs, dass da etwas schief läuft. Sondern, dass das Kind bereits im Brunnen liegt.

Geschätzte Frauen, Hälfte der Welt: Staucht eure Lokalpolitiker zusammen. Rückt euren Bundestagsabgeordneten bei den sogenannten Bürgersprechstunden auf die Pelle. Lasst nicht locker. Grillt sie. Droht ihnen: Bleiben sie weiterhin stumm in Merkeldeckung, werdet ihr jene Gottseibeiuns-Partei wählen, die ihnen wie ein Dartpfeil im Hintern steckt.

Ach, das ist zu viel verlangt für eure sensiblen Seelen? Dann trainiert mal schön weiter für bewusstseinserweiternde Begegnungen auf der Straße, im Park, vor der Disco. Viel Glück! Wie pflegt der konservative Ami von jeher zu scherzen? Ein Demokrat ist ein Republikaner, der noch nicht überfallen wurde. 

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Leserpost

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Michael Müller / 01.04.2018

Sehr guter Beitrag in dem veranschaulicht wird, dass der Staat weitere seiner ureigenen Aufgaben an die Bürger zurückgibt. Ich warte noch auf die entsprechende Steuerentlastung für die Einkürzung der staatlichen Schutzaufgaben. Des Pudel’s Kern wird it dieser Aussage gut getroffen: “Paar Zähne einzubüßen oder eine hässliche Narbe einzufangen, war denen schnurz. Mir nicht.” Dazu kommen noch Kampferfahrung, der Überraschungsmoment (zugunsten des Täters) und natürlich die Hemmungslosigkeit, die einem zivilisierten Menschen fremden wäre und die dadurch zum Ausdruck kommt, dass offenbar immer häufiger “Besteck” zum ausleben der Freizeitaktivitäten mitgeführt wird.

Charlotte Bendel / 01.04.2018

Guter Beitrag, gerade bei Frauen ist die Bereitschaft, die Entwicklung ehrlich zu betrachten und daraus Forderungen abzuleiten gering bis nicht gegeben. Finde ich als Mutter kleiner Kinder erstaunlich. Alles nur als “Ängste” oder als “Hetze” abgetan - oder Schweigen und anschließen aus dem Weg gehen, da das Thema ach so unangenehm ist. Das auf die Pelle bei Politikern und Medien rücken versuche ich gerade, um einzelne Themen zumindest präsent zu machen. Gut bietet sich dazu an, die einzelnen Politiker, auch als Sammelverteiler Emails anzuschreiben. Bei konkreten Beschwerden müssen sie es in Gremien/AKs… zumindest prüfen und antworten. - Ansonsten die Partei wählen, die es auf sich nimmt die negativen Entwicklungen - die nun nach und nach zutage treten - zu benennen. Dann war es wohl doch nicht nur “Hass” und “Hetze”. Auch einzelne Journalisten kann man (über das Impressum und Analogie zur Email-Schreibweise) direkt anschreiben. - Bei zwei führenden Tageszeitungen wurde nach freundlicher Beschwerde an einen Verteiler inklusive Chefs auch eine falsche Tatsachenwiedergabe online geändert.

S. Barth / 01.04.2018

Genau so ist es, Herr Röhl! Das beste Mittel ist die politische Gegenwehr in Form von Demo und Richtig Wählen! Aber wir werden hier in D ja ständig weichgespült im Kopf durch politische und kirchliche Propaganda, die meisten Bürger glauben ja offensichtlich auch, dass wir unser eigenes Verhalten einfach an die neuen Verhältnisse anpassen müssten…

Stefan Lanz / 01.04.2018

Dem ist nichts hinzuzufügen! Woher ich das weiß? 20 Jahre Polizeidienst auf der Straße und viele viele viele Stunden im Dojo ;-) Schöne Ostern!

marie witte / 01.04.2018

Dem ist nur zuzustimmen. Sobald der Staat seine Schutzfunktion nicht mehr wahrnimmt- und dies hat längst begonnen-gilt das Recht des physisch Stärkeren- wie im Wilden Westen. Frauen sind natürlich besonders betroffen und werden in erster Linie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt, aber das Problem beschränkt sich nicht auf sie alleine. Ein solches Verhaltensprinzip, welchem eine Mentalität intellektuell wenig entwickelter Kulturen zugrunde liegt, lässt sich leider auch zunehmend in anderen Bereichen z.B. Schulen finden.  Die Situation gebietet es, massiven politischen Druck zu machen gegen jeden Widerstand, welcher von den etabilierten Strukturen gegen die berechtigten Interessen der sie finanzierenden Bevölkerung reichlich aufgeboten wird—was nur als pervers zu bezeichnen ist.

Walter Schwarz / 01.04.2018

Ja, da haben Sie Hr. Röhl wieder einen guten Treffer gelandet. Meine liebe Stieftochter besucht auch ein Nahkampftraining. Als sie wieder frech wurde, musste ich ihr aber schon mitteilen, dass ihre Eiertretkünste bei mir nur funktionieren, wenn ich regungslos stehen bleibe. Frohe Ostern euch Allen.

Hans-Peter Kimmerle / 01.04.2018

Auf einen neuen “Röhl” habe ich schon lange gewartet. Wie man eine ernste, beschissene Lage so witzig, humorvoll, realitätsnah, treffend ohne “fake-news” beschreiben kann, gelingt nur Wolfgang Röhl. Danke Herr Röhl, weiter so. Ostern ist gerettet.

Andreas Rochow / 01.04.2018

Auch als Mann (xy) mit Bartwuchs fürchte ich mich vor tätlichen Angriffen, nachdem ich für ein unfreundliches Migrantenquartett in der nächtlichen Straßenbahn mein Portemonnaie umkrempeln musste und zudem meine (recht wertlose) Armbanduhr loswurde. Ich habe den Neudeutschen den Überfall nach anfänglichem kleinlauten Protest so angenehm wie möglich gemacht, meine Wut und Angst so gut es ging verborgen und den ewig Minderjährigen kein Haar gekrümmt. So habe ich sie nich unnötig zur Gewalt provoziert.  Dieser Einzelfall hat mich besonders sensibel gemacht für die halboffiziellen Aufforderungen zum “Dialog”. Einladungen zu Kampfkunst-Trainings, Ermunterungen zum Kratzen, Treten, Schreien, Hauen (Stechen ausgenommen) verstehe ich als hilflose Aufforderung zur Bürgerwehr, an der sich Frauen wie Männer mit möglichst großen Schlüsselbunden beteiligen sollten. - Trotzdem ein frohes Osterfest!

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