Markus C. Kerber, Gastautor / 18.10.2021 / 06:25 / Foto: Pixabay / 35 / Seite ausdrucken

Staatsparteien: Becken für Nichtschwimmer

Der Rechtsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht über die Parteienfinanzierung wirft die Frage auf, ob weiterhin eine Politikerklasse gezüchtet werden soll, die einzig von Parteipolitik lebt?

Wir erinnern uns gut: Nach der für die SPD heftigen Wahlniederlage 2017 mit dem peinlichen Kandidaten Martin Schulz hatte die nachfolgende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles nicht nur die Wunden ihrer Partei zu lecken, sondern auch ihre finanziellen Löcher zu stopfen. Dafür wusste sie ihren guten Draht zur Kanzlerin schnell zu nutzen. Sie schlug ungeniert öffentlich vor, die Ressourcen ihrer Partei durch einen Zuschlag bei der staatlichen Parteienfinanzierung in Höhe von 25 Millionen Euro aufzufrischen. Bezeichnenderweise wurde nach Abschluss des Koalitionsabkommens mit der Union dieser Vorschlag mit den Stimmen der Union umgesetzt. In puncto „Mehr Geld aus der Staatskasse!“ waren sich CDU/CSU und SPD stets einig.

Die damaligen Oppositionsparteien, AfD, Grüne und FDP, klagten hiergegen, und das Bundesverfassungsgericht wird sich mit den Maßstäben seiner eigenen Rechtsprechung auseinanderzusetzen haben. Hiernach steht den Parteien zwar eine staatliche Finanzierung aufgrund des Parteienprivilegs gem. Art. 21 Grundgesetz zu. Indessen darf diese Finanzierung im Verhältnis zu den Mitgliederbeiträgen und Spenden eine nur subsidiäre Rolle spielen. Doch was sind 25 Millionen Euro angesichts der Milliarden, mit denen Olaf Scholz die Corona-Krise zu „wuppen“ meinte?

Der Hinweis ist insofern berechtigt, als die eigentliche Finanzierung der Parteimegastrukturen nicht über direkte Staatszuwendungen, sondern über die Partei-Stiftungen (Konrad-Adenauer-Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung, Friedrich-Naumann-Stiftung, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung) erfolgt. Hier langen die Parteien richtig zu und holen in einem bislang vollständig intransparenten Verfahren beim Steuerzahler 500 Millionen Euro ab, um – wie es heißt – „die politische Arbeit“ zu finanzieren.

Die Parteistiftungen haben weltweit Niederlassungen. Von New York bis Hanoi finden sich Vertretungen von Konrad-Adenauer-Stiftung und Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie organiseren die Nachwuchsrekrutierung, schütten Stipendien für Parteisympathisanten aus und sorgen vor allem dafür, dass gescheiterte Politiker nach der Abwahl recycelt werden. Es ist erstaunlich, wie schnell die Grünen, aber auch DIE LINKE es lernten, das Auf und Ab des politischen Wettbewerbs dadurch auszugleichen, dass man sich im Parlament gemeinsam mit allen anderen Parteien für die großzügige Finanzierung von Parteistiftungen einsetzt. So schwimmen die Parteien im Geld, solange sie im Parlament sitzen.

Willkommenes Becken für Nichtschwimmer

Durch die Forderung der AfD, für ihre Stiftung den nicht unerheblichen Betrag von 50 Millionen Euro entsprechend Parteiengewohnheitsrecht zu erlangen, wird die Öffentlichkeit unübersehbar auf diese Selbstbedienungspraxis im Parteienstaat aufmerksam. Es geht bei diesen Zuweisungen, die aus Parteien Staatsparteien machen, nicht allein um die Frage, ob Steuerzahlergeld für die Förderung des Machtstrebens von Parteiverbänden eingesetzt werden soll. Vielmehr ist prinzipiell zu klären, ob unter Berufung auf das Parteienprivileg weiterhin eine Politikerklasse gezüchtet und genährt werden soll, deren berufliche Perspektive allein darin besteht, von Parteipolitik zu leben – solange es der Partei gefällt. Denn dieser warme Wellness-Pool ist ein willkommenes Becken für Nichtschwimmer oder solche, die beim Leistungsschwimmen nicht zugelassen waren beziehungsweise sonstwie scheiterten.

Welche Nullen sich in der deutschen Sicherheits- und Außenpolitik tummeln, wurde durch das Scheitern in Afghanistan überdeutlich. Jahrelang übten sich Parteipolitiker in der deklaratorischen Verklärung des militärischen Einsatzes, ohne von den Verhältnissen vor Ort die geringste Ahnung zu haben. Erst durch den Fall von Kabul wurde auch dem letzten deutschen Michel klar, dass jedenfalls eine Diskrepanz zwischen der personellen Qualität des deutschen Politikpersonals und seiner generösen finanziellen Förderung durch den Steuerzahler besteht.

Die Verfassungshüter in Karlsruhe stehen also vor einer schwierigen Aufgabe. Dabei geht es nicht nur um fiskalische Überlegungen, sondern letztlich um die Frage, ob mit Hilfe des Selbstbedienungssystems Parteifinanzierung die Parteien den Staat weiter kolonisieren dürfen und damit – entgegen dem Prinzip der Demokratie – durch Wahlen nicht mehr in ihrer Macht beschnitten werden können.

Angesichts der in der jüngsten Vergangenheit öffentlich gewordenen und zunehmend problematisierten „Abendessen“ zwischen Repräsentanten des Bundesverfassungsgerichts und der Bundesregierung dürfte der Zweite Senat des höchsten deutsche Gerichts Wert darauf legen, seine Unabhängigkeit gegenüber den Machtansprüchen der Parteien zu unterstreichen. Leicht wird es ihm nicht fallen. Denn keiner der acht Richter des Zweiten Senats wäre in die Richterstelle gewählt worden, ohne dass nicht zuvor ein Parteiengremien über die Bestellung vorab entschieden hätte.

 

Markus C. Kerber, geb. 1956, ist Jurist und Professor für Finanzwirtschaft und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, E.N.A. 1985 (Diderot), Gastprofessor an der Warsaw School of Economics und der Université Panthéon-Assas. Siehe auch europolis-online.org.

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Markus Viktor / 18.10.2021

Signifikant auch die Coronaboni für Parteiherrenmenschen. Die arbeitende Bevölkerung muss mit Kurzarbeit und anderen Gehaltsreduktionen zurechtkommen, den Unternehmen, auch den öffentlichen und dem Staat selbst, schwinden die Einnahmen und Erträge in die Verlustzonen, aber die Parteien, oder zumindest die Grüne Partei, zahlen steuerfinanzierte Coronaboni, natürlich an die Obertanen auch im Übermaß selbst nach eigenen Maßstäben. Interessant wäre zu erfahren, wer alles, in Staat und Privatwirtschaft, Coronaboni gezahlt hat und auf wessen Kosten. Auch was die Masken- und andere Covidgeschäfte betrifft, wäre es interessant zu wissen, ob die aufgeflogenen CSU-Spezis nur die üblichen Wenigen waren, die sich haben erwischen lassen. Solches Wissen wirkt zwar deprimierend, aber die Hoffnung auf Höllenstrafen für Kriegs- und Krisengewinnler richtet wieder auf. Und solche antidepressiven Vorstellungen sollten auch Atheisten nicht aufgeben.

Steffen Huebner / 18.10.2021

@ Chris Kuhn- Da bin ich anderer Meinung: Vermutlich wird die BVG den Parteienstaat eher in die Schranken weisen, als das BVerfG :- )

Manfred Caesar / 18.10.2021

Die staatliche Finanzierung der Parteistiftungen muß sofort und für alle Parteien eingestellt werden.

Steffen Huebner / 18.10.2021

@Herbert Priess - ich weiß nicht, was Sie rauchen. Die AfD ist als einzige Oppositionspartei, gewählt von fast sechs Millionen Wählern, ist Bestandteil des demokratischen Systems, gehört aber nicht zur Nationalen Einheitsfront 2.0. Wegen ihrer Kritik an unzähligen Gesetzesverstößen der Herrschenden wird sie von der Regierungsbehörde “Verfassungsschutz” bekämpft und die Gewerkschaften/ Jusos schicken ihre Schläger. Auch wenn Sie das anders sehen: Opposition tut der Demokratie gut, denn dort wo sie fehlt herrscht Diktatur. Die AfD befürwortet schon immer in ihrem Parteiprogramm die Abschaffung von Partei- Stiftungen, sieht sich aber zur Wahrung von Chancengleichheit gezwungen, solange eine eigene Stiftung zu schaffen - die finanziellen Nachteile wären zu groß gewesen.

Bernd Fendt / 18.10.2021

Vom Bundesverfassungsgericht noch “höchstrichterliche Entscheidungen” zu erwarten ist pure Nostalgie und Realitätsverweigerung. Dieses Gericht hat sich h e u t e selbst Unbefangenheit im Zusammenhang mit dem allseits bekannten Kanzlerinnen - Dinner bescheinigt und die Klage hierüber abgewiesen.

Thomas Brox / 18.10.2021

Ich habe großes Vertrauen in die verbeamteten Richter des BVerfG, bestärkt durch die letzten Urteile: Z.B. die faktische Aufhebung von Sanktionen bei Betrug durch Hartz-4, die beiden Urteile zur GEZ-Steuer (insbesondere dass ein Parlament gegenüber einem Exekutiv-Organ wie dem ÖRR nichts zu melden hat), das bahnbrechende Klima-Urteil, das windelweiche Larifari Urteil zum Mietendeckel, die Luftnummer zum Aufkauf von Staatsanleihen und zur Euro-Transferunion (Bruch der Maastricht Verträge), und so weiter. ++ Bei einem Mehrheitswahlrecht (Personenwahl) ist die juristische Sonderstellung von Parteien überflüssig, den hanebüchene Artikel 21 GG samt dem monströsen Parteiengesetz könnte man streichen. ++ Dummland ist in erster Linie ein Beamtenstaat, die Parteien sind der Wurmfortsatz. Das kann man an der faktischen Verbeamtung der Politkaste (z.B. die üppige staatliche Finanzierung) und an der innigen Verschränkung mit dem Beamtentum erkennen, insbesondere an der systematischen Bevorzugung des ÖD bei der Ausübung politischer Tätigkeiten (Freistellungen, Garantie des Arbeitsplatzes für Abgeordnete, ... ). Das Prinzip der Rechtsgleichheit war und ist im deutschen Obrigkeitsstaat bedeutungslos. Die Gewaltenteilung ist eine Fassade. Für die korrumpierten Untertanen und steuerfinanzierten Systemprofiteure ist das aber ok.

George Samsonis / 18.10.2021

Was soll man sonst machen, wenn man das Studium der “Gender-Studies” oder Theaterwissenschaft nicht beendet hat. Dann wird man entweder Essensausfahrer bei einem Lieferdienst, “Barrista” oder eben Politiker. “Barrista” ist auch der höchst möglich bezahlte Job - Beruf will ich es nicht nennen - mit einem Einser-Abschluss in “Gender-Studies”, sozusagen das obere Ende der Karriereleiter ;-)). Klar kommt man dann auf Umverteilungsphantasien ...

Dr. Elke Schmidt / 18.10.2021

Über Parteienfinanzierung wird ja gelegentlich noch berichtet. Die finanzielle Unterstützung von regierungsgenehmen NGO beinhaltet eine viel größere Gefahr für die Demokratie. Man züchtet sich neben den Parteibonzen digitale Milizen heran, die auf allen Kanälen, wie Twitter, FB oder was es sonst noch für Narzisstensprachrohre gibt, ihre kruden Fantasien in die Öffentlichkeit blasen und damit eine gefühlte Mehrheit vortäuschen, denen sich das dumpfe Fußvolk willig anschließt. Nutznießer dieses Vorgehens sind mittelmäßig Begabte, die unter strengeren Maßstäben es weder auf ein Gymnasium noch auf eine Universität geschafft hätten, die irgendwelche Orchideenfächer studiert haben, die keiner braucht und dann auch noch die Möglichkeit erhalten im staatlich gelenkten ÖRR als „Experten“ ernst genommen zu werden. Es ist eine unheilige Allianz entstanden zwischen Parteien, Medien, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen und zunehmend auch der Justiz. Die 3 bzw. 4 Säulen tragen nicht mehr die Demokratie sondern den Augiasstall, der so marode geworden ist, dass er noch viele, viele andere Stützstäbchen benötigt.

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