Dass hohe Staatsrepräsentanten gut speisen, ist zunächst nichts Verwerfliches. In Frankreich würde kein Hahn danach krähen. Im Saarland (Wahlspruch „Hauptsache gudd gess“) prinzipiell auch. Angesichts der Lage im Lande war die Sause der deutschen Staatsoberen aber schon ein bisschen instinktlos.
Der FAZ geht es wie allen anderen deutschen Tageszeitungen. Die Auflage sinkt im Eiltempo. Seit 1998 hat das Blatt, das einmal als Flaggschiff der deutschen Zeitungslandschaft galt, mehr als die Hälfte seiner verkauften Exemplare eingebüßt. Die Zeiten, in denen jedem Redakteur ein eigener Dienstwagen zur Verfügung stand, sind lange vorbei. Heute ist man gezwungen, das Geld auf andere Weise zu verdienen, etwa mit Dienstleistungen, die zumindest teilweise von jenem Staat bezahlt werden, den man in seiner Rolle als „vierte Gewalt“ eigentlich kritisch beäugen müsste.
Die FAZ war einmal berühmt-berüchtigt nicht nur für ihre antisozialistische, streng marktliberale Linie und ihre elitäre Attitüde, sondern auch für ihren trockenen, faktenorientierten Stil. Echtes Schwarzbrot: schwer zu kauen, aber gehaltvoll. Und damit ungefähr das Gegenteil von jenem Artikel, der jüngst in der FAZ erschien und so süffig die Macht hofiert, dass man denken könnte, er sei dem Blatt direkt von Regierungssprecher Stefan Kornelius, einer einstigen Edelfeder der SZ, aus dem Bundespresseamt in die Frankfurter Redaktion gemailt worden.
Es geht darin um Kulinarik, genauer gesagt um ein gemeinsames Essen, der – wie der Autor andachtsvoll formuliert – „höchsten deutschen Verfassungsorgane“ zum Tag der deutschen Einheit, der in diesem Jahr vom Saarland ausgerichtet worden war. Dessen „Landesmutter“, eine weithin unbekannte Politikerin namens Anke Rehlinger, hatte dafür einen der besten deutschen Köche engagiert, den mit drei Michelinsternen dekorierten Christian Bau vom Restaurant „Victor‘s Fine Dining“ in Perl am saarländischen Teil der Mosel.
Dass hohe Staatsrepräsentanten gut speisen, ist zunächst nichts Verwerfliches
Dass hohe Staatsrepräsentanten gut speisen, ist zunächst nichts Verwerfliches. In Frankreich krähte kein Hahn danach, jedenfalls solange, wie auch das Volk genug zu essen hat. Hierzulande musste sich Oskar Lafontaine als einer der Amtsvorgänger von Frau Rehlinger noch dafür rechtfertigen, dass er für die saarländische Landesvertretung einen Spitzenkoch engagiert hatte. Unsere Politiker punkten lieber mit einfachen Genüssen von der Straße, Currywurst (Gerhard Schröder), Fischbrötchen (Olaf Scholz) oder wahlweise Döner bzw. Leberkässemmel (Markus Söder).
Ein gemeinsames Dreisterne-Essen von Bundespräsident, Bundeskanzler, Bundestagspräsidentin und amtierender Bundesratspräsidentin samt Eheleuten und Entourage kann diesbezüglich durchaus als Fortschritt gelten. Und immer noch besser, die Damen und Herren VerfassungsorganInnen verfressen und versaufen das Geld der Steuerzahler und fördern die heimische Gastronomie, als es in Lastenfahrräder in Afrika zu pumpen, insolvente Batteriefabriken oder einen verlorenen Krieg.
Der nach Mettlach entsandte kulinarische Sonderkorrespondent der FAZ mit dem imposanten Namen Jakob Strobel y Serra preist den „denkwürdigen Abend“ als „Beginn einer neuen Epoche, in der unserer Spitzengastronomie endlich die Anerkennung und Wertschätzung zu teil wir, die ihr gebührt.“ Er darf das Ereignis aus einer provisorischen Kombüse beobachten und hat knallhart recherchiert, dass kein einziger der „anwesenden Volksvertreter“ jemals zuvor bei Christian Bau im "Fine dining" gegessen habe. So was aber auch.
Besonders angetan ist Strobel y Serra von einer „Bernsteinmakrele als Sashimi und Tatar mit Austernmayonnaise, Holunderblütenessig, einer Rettich-Rosette und einem halben Dutzend hocharomatischen Strandpflanzen“. Wer da noch Lust auf ein Fischbrötchen habe, dem sei nicht mehr zu helfen. Dass es zumindest ein wenig instinktlos gewesen sein könnte, dass die Einheitssause in der „kolossalen Hauptverwaltung des Porzellan- und Keramikkonzerns Villeroy & Boch in Mettlach and der Saar“ (O-Ton FAZ) gerade jetzt stattfand, wo das Land in der tiefsten wirtschaftlichen und politischen Krise seit Kriegsende steckt und sich manche schon in einem Krieg mit Russland wähnen, auf diesen naheliegenden Gedanken kommt der Berichterstatter nicht.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.

Aha, es gab also rohen Fisch mit Mayo und Rettich zu fressen? Na, Herzlichen Glückwunsch. Mich würde eher interessieren was denn so bei Tisch paliert wurde?
Wer ins Internet geht, geht kaputt. Das war mir gleich klar. Die blöden Zeitungen haben ihren Untergang sogar gefeiert. Hier ist alles Blog, Blogger, Bloggerei, und verliert seinen Wert. Schon der Konkurrenzdruck hätte das Böse erahnen lassen müssen. Und mit der Gleischaltung hat die Merkel denen noch einen Dolch in den Rücken gehauen. Jetzt ist alles Einerlei, das zur Sensation aufgeblasen werden muß. Das konnte man sich ausrechnen, daß die alternativen Medien attraktiver werden. Die brauchen sich gar nicht anzustregen, und kriegen trotzdem die ganzen Leser. / Warum sind Frauen Diktatoren? Das sieht man am Smartphone, das einen falschen Namen trägt und Diktiergerät heißen sollte. Da hinein diktieren sie den Männern die Einkaufsliste, der Freundin ihre Krankheiten und der Welt ihre Kampfansage.
hi, in der Bonner Republik gab es Bankette, wo die Kuchen mannsgroß waren, aber innen drin war Gott sei Dank nur eine pudelnackte Dame, die natürlich irgendwann herausgekommen ist, sonst wüsste man es nicht. Um solchen Sitten zu entkommen, ist man schließlich nach Berlin gegangen.
Von der Berichterstattung zur Gerichtbestattung. Die FAZ ist, wie die deutsche Autoindustrie, ebenso dem ökonomischen Tod geweiht. Oder glauben die Hofberichterstatter dort ernsthaft, das jemand freiwillig dafür Geld bezahlt, um zu lesen, wie der Schreiberling mit den Politversagern auf Staatskosten fressen war?
@Bernhard Freiling - Sie schrieben: "Meine ganze Verachtung gilt etwa 70% der Wähler. Die diesem Kroppzeug immer wieder zum Ausleben deren hochherrschaftlicher Attitüde verhelfen." Werter Herr Freiling, Sie wollen doch nicht etwa insinuieren, dass gewisse 'alternative' Politiker keine "hochherrschaftliche Attitüde" an den Tag legen würden, sollten sie eines Tages in den Ländern oder in Berlin an die Macht kommen....? Falls doch, werden Sie, so fürchte ich, ggfs. noch ein ziemlich großes blaues Wunder erleben... Das ist doch das Verfahrene an der gegenwärtigen Situation: Aus meiner Sicht ist keine wählbare Alternative in Sicht. Vielleicht hätte es das BSW werden können (die haben immerhin ein oder zwei nicht allzu dumme Leute in der Parteiführung). Aber deren Putinversteherei ist aus meiner Sicht dermaßen enervierend, dass sie derzeit leider auch nicht wählbar sind.
Ich muss gestehen, bei der Lektüre des Artikels ist mir nicht das Wasser im Mund zusammen gelaufen. So einen Bernsteindingsbums lasse ich glatt stehen für eine deftige Kartoffelsuppe (mit Würstchen) oder einen köstlchen "Muurejubbel" (Möhren mit Kartoffeln durcheinander) mit Rippchen und Speck. Uije, da läuft's schon, das Wasser im Mund!
„Hauptsache gudd gess“ ... Im Saarland sagt man "Hauptsach gudd gess" und nicht Hauptsache ... und das Wort "sagt man" wird auch gerne als "saht ma" ausgesprochen.