Volkshochschule (VHS) im ausgehenden Jahr 2019: Ich will mein Italienisch verbessern und melde mich für einen Kurs an. Mit dreister Politisierung selbst in einem Sprachkurs rechne ich bereits. Es kommt noch schlimmer. Der Italiener teilt einen italienischsprachigen Text der Süddeutschen Zeitung aus zum Thema: „Jeder vierte Deutsche denkt antisemitisch.“ Wir sollen darüber diskutieren, er verlässt kurzzeitig den Raum. Meine Nachbarin raunt mir nach meinem Einwand zu, sie mache diesen Kurs – wie weitere Teilnehmer auch – jedes Jahr, sie hätten dem Dozenten oft gesagt, sie wollen diese politischen Inhalte nicht, er halte sich aber nicht daran und rede auch überwiegend selbst, die Kursteilnehmer kämen nicht ausreichend zu Wort. Sie komme aber trotzdem, weil sie Kontakt und Gemeinschaft sucht.
Der Dozent ist wieder da, und ich schlage vor, auch mal die netten Kurzgeschichten über Signor Veneranda als Lernmaterial hinzuzuziehen. Das sei aber doch ironisch, so der Dozent, später vielleicht, wir hätten uns aber besser mit aktuellen Geschehnissen zu beschäftigen. Überhaupt habe er kein Problem damit, über Faschismus oder Mussolini zu sprechen, er sei nämlich Antifaschist. Meinen Einwand, dass Antisemitismus häufig gerade aus linken Gruppen kommt, findet er interessant. Ein anderer pflichtet mir bei. Man müsse aber, so insgesamt mehrfach der Italiener, unterscheiden zwischen Antizionismus und Judenhass. Ansonsten stellt er ja immer nur Fragen. Zum Beispiel, was es denn mit den erfolgreichen Bankgeschäften von Juden auf sich hat. Haben Juden zu viel Macht? Bezogen auf den Judaskuss: War das nicht Verrat schlechthin? Und dann, in ganz unverblümter Offenheit die Frage an die Gruppe: Sind Juden eine Rasse?
Mir hat es inzwischen, schon bevor der Eine oder Andere aus der Gruppe tatsächlich darauf eingeht, die Sprache verschlagen und den Magen verdorben. Ich höre noch was von „weißer Hautfarbe“ und dem Schwenk auf eine generalisierte Religionsfeindlichkeit, dann verlasse ich den Raum, nach geschlagenen 50 Minuten. Aus konkretem Grund werde ich in dieser Angelegenheit nichts weiter unternehmen können, als mich von diesem schockierenden Erlebnis zu erholen. Was ich machen kann: Fälle, in denen bei einem VHS-Kurs sachfremd oder unbotmäßig politisiert wird, zu sammeln und gegebenenfalls gebündelt zu veröffentlichen. Kontakt: baumstark@luftwurzel.net.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Susanne Baumstarks Blog Luftwurzel.