Rainer Bonhorst / 04.02.2010 / 18:08 / 0 / Seite ausdrucken

Sprachliche Folgen der Islamophobie

Die Debatte um die Islamophobie spitzt sich zu. Vor allem grammatikalisch. Ich glaubte, in meinem letzten Blog diesem Thema fast auf den Grund gegangen zu sein, stelle jetzt aber fest, dass ich nur die Oberfläche angekratzt habe.

Mir schien es offenkundig, dass ein von der Islamophobie Befallener entweder ein Phob oder allenfalls ein Phobe sein muss. Während eine weibliche Phobiebefallene schlicht eine Phobe oder eine Phobin zu sein hat. Das war, wie sich nun herausstellt, zu kurz gesprungen.

Leser Mario Bernkopf wies mich gleich nach der Veröffentlichung darauf hin, dass ein Befallener durchaus auch ein Phobist sein kann, woraus sich automatisch die Phobistin als weibliches Pendant ergibt. Und à propos Pendant. Mario Bernkopf meint, man könne auch von einem Phobeur beziehungsweise einer Phobeuse sprechen.

Ich muss bekennen: Mir leuchtet das alles ein. Vor allem die Phobeuse hat es mir angetan. Allerdings habe ich bei ihr einen kleinen Einwand, nämlich den mangelnder Modernität. Da eine frühere Friseuse heute eine Friseurin ist, sollte eine Phobeuse heute doch besser eine Phobeurin genannt werden.

Jedenfalls hat sich das Phobentum begrifflich unerwartet schnell ausgeweitet. Da drängt sich die Frage auf, ob das Thema nicht noch tiefer ausgeschöpft werden sollte und kann. Und siehe, es kann.

Bei näherem Hinschauen scheint mir nun - beziehen wir das Reich der Enten mit ein - auch der Phoberich denkbar. Und auch bei den Frauen ist - in Würdigung des besonders bedrohten fliegenden Personals - ergänzend die Phobess zu erwähnen. Oder besser: Phobesse? Lassen wir solche sprachlichen Finessen beiseite und stellen wir uns die für die Zukunft wichtigere Frage: Was ist mit Leuten, die noch keine Islamophobie besitzen, sich aber auf dem Wege dorthin befinden, die also eine Art Phobie-Anwärter oder Probanten sind? Müsste man sie nicht Phobanten nennen? 

Auch dies sind wohl nur Beispiele einer möglichen Vielfalt, die noch niemand ganz überschaut. Wir befinden uns hier offenbar auf einem unerwartet weiten Feld. Und dieses Feld ist es wert, gründlich beackert zu werden. Die Islamophobie ist eine zu ernste Angelegenheit, als dass man es bei einer oberflächlichen, bloß anekdotischen Betrachtung belassen könnte. Ich meine, der Phob muss in allen seinen verbalen Erscheinungsformen erforscht werden. Immerhin, ein Anfang ist gemacht. 

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