Thomas Rietzschel / 27.02.2019 / 12:00 / 19 / Seite ausdrucken

SPON oder der manische Journalismus

Roland Nelles, der alte Kaffeesatz-Leser, hat wieder einmal tief in die Tasse geschaut. In der Rubrik „Affären“ bringt uns der SPON-Korrespondent in Washington D.C. auf den letzten Stand seiner Vermutungen. Noch in dieser Woche, erfahren wir, werde es dem amerikanischen Präsident an den Kragen gehen. „Für Trump naht die Stunde der Wahrheit“, steht über dem Artikel zu der „offenbar unmittelbar bevorstehenden Fertigstellung des Abschlussberichts von Russlandermittler Robert Mueller“.

Schließlich „dürften“ dann „allein harte Fakten präsentiert“ werden. „Endlich könnte es“, prophezeit Nelles, „konkrete Antworten um die Fragen geben, die das Land seit Monaten beschäftigen", nämlich: "Ist Trump persönlich in eine Verschwörung mit dem Kreml verwickelt, die das Ziel hatte, die US-Präsidentenwahl zu manipulieren? Flossen Geld oder Informationen zwischen Trumps Wahlkampfteam und Moskau? Ist Trump durch die Russen erpressbar? Hat er die Justiz bei den Ermittlungen zu der Affäre behindert?“

Zwar wisse „derzeit außer Mueller und seinem Team niemand, was wirklich in dem Bericht stehen wird“. Auch sei es „weiterhin möglich, dass Mueller keine eindeutigen Belege für Rechtsverstöße des Präsidenten gefunden hat“. Doch heißt das ja keineswegs, dass da nicht doch noch etwas zu entdecken wäre: Ein Geheimnis hinter der Realität, Zweideutiges, das sich allein manisch begabten Journalisten wie Roland Nelles erschließt.

Das Geschreibsel von gestern

Dass seine eigene Redaktion erst vor zwei Wochen, wenngleich widerstrebend, meldete, Mueller habe eingeräumt, auf „keinen sachlichen Beweis für eine Absprache zwischen Trumps Wahlkampfteam und Russland“ gestoßen zu sein, mag Roland Nelles im fernen Washington entgangenen sein. Außerdem, welchen Grund sollte es für ihn geben, sich um das Geschreibsel von gestern zu kümmern?

Seit jeher stehen die Wahrsager in der Gnade ihrer Verblendung. Was sie vorhersehen, entspringt ihrer Intuition, der Offenbarung aus dem Kaffeesatz der eigenen Überzeugung, einer Ideologie oder schlichtweg dem moralisierenden Hochmut. Mit ihrer Meinung wollen sie den anderen den Weg weisen. Fakten werden dementsprechend eingeordnet, oft auch verfremdet. „Framing“ lautet der kaschierende Terminus für diese neue Form des indoktrinierenden Journalismus.

Manchem mag es müßig erscheinen, sich überhaupt noch mit dem intellektuellen Sittenverfall der Medien zu befassen. Viele unsere Leser schreiben das in ihren Kommentaren. Nur sind eben Der Spiegel und sein Online-Ableger, was die Verbreitung anbelangt, keine Käseblätter. Vielmehr zählen sie nach wie vor zu den Leitmedien, denen viele vertrauen. Beispielhaft stehen sie für die Methoden einer wahrsagenden Berichterstattung, eines Journalismus, der insinuiert, wo er informieren sollte.

Etwas bleibt immer hängen

Mit dem Vorwurf der „Lügenpresse“ ist dagegen wenig auszurichten. Ergibt sich doch die Indoktrination nicht aus einer falschen Tatsachenbehauptung, sondern aus der bedrohlichen Vorhersage von Ereignissen oder Entwicklungen im Konjunktiv, womit wir wieder bei Roland Nelles wären.

Dürfte, würde, könnte, das sind die Hilfsverben, mit denen er suggeriert, woran seine Leser glauben sollen. Irgendetwas von den Annahmen und Vermutungen wird schon hängen bleiben, selbst wenn sich nachher herausstellen sollte, dass an alledem nichts dran ist, weil es keine „sachlichen Beweise“ gibt.

So hat uns der Washingtoner Hellseher von SPON jetzt schon einmal die „Eröffnung eines Amtsenthebungsvefahrens“ gegen Donald Trump geweissagt. Und wenn später daraus nichts werden sollte, kann das nicht mit rechten Dingen zugehen. Dann hat der Justizminister „wichtige Hinweise auf mögliche Vergehen Trumps unter den Teppich“ gekehrt. Der Erleuchtete weiß immer, wie es kommen soll, damit er recht behält.

 

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Leserpost

netiquette:

Martin Lederer / 27.02.2019

Und da werfen die den “Rechten” Verschwörungstheorien vor. “Trump als Marionette von Putin” ist jetzt genau was?

Susanne antalic / 27.02.2019

Spon schreibt für seine Leser und die sind alle so, sowas merken sie nicht, sie sind gehirngewaschen und ideologisch und glauben, wenn sie Spon lesen, dass sie Intelektuelle sind, sie werden vieleicht erst wach, wenn sie bestimmte Ereignisse selbe treffen werden.

P. F. Hilker / 27.02.2019

Manischer Journalismus trifft es schon sehr genau. Eine Manie tritt in Episoden auf. Ich würde sogar noch eine Bewusstseinsspaltung diagnostizieren. Nelles und sein kongenialer Partner Pitzke fabulieren in peinlichster Art und Weise. Und wenn man sich richtig ärgern will, dann muss man die Lesermails lesen. Die Hasstiraden von völlig frustrierten Proleten kennen keine Schranken. Manometer. Völlig verblendet.

Rudolf George / 27.02.2019

Vor vielen Jahrzehnten, im Deutschunterricht der 8. Klasse, erklärte uns die Lehrerin, wie Journalisten beliebige Behauptungen verbreiten können, ohne sich an überprüfbare Wahrheiten halten zu müssen. Trick 1 ist das Stellen von Fragen statt das Treffen von Feststellungen. Trick 2 ist die Verwendung des Konjunktiv II anstelle des Indikativs. Trick 3 ist das Zitieren von anderen, d.h. man “berichtet” nur über eine Behauptung, macht sie sich aber formal nicht zu eigen. Also, nichts Neues unter der Sonne bei SPON und Co.

Robert Jankowski / 27.02.2019

Ich finde es spannend, dass von SPON oder Frau Barley usw. usf. immer mit dem nackten Zeigefinger auf Trump gezeigt wird. Bloß nicht in Europa oder gar Deutschand nachsehen, man könnte ja über ein riesiges Fuder Mist stolpern. Systemjournalismus at its best!

P.Steigert / 27.02.2019

Auch die Lügenpresse arbeitet für die emotionale Befriedigung ihrer linken Leserschaft. Trump-Click-Bait statt “Das letze Bild wird Sie schockieren!” .

Detlef Fiedler / 27.02.2019

Hallo Herr Rietzschel. Mir ist dieses Geschreibsel auch aufgefallen. Gewisse Teile der Journaille kommen eben einfach nicht darüber hinweg, dass es die Amerikaner doch tatsächlich gewagt haben, einen Präsidenten zu wählen, ohne sich nach der hiesigen Mainstream-Meinung zu richten. Ein schier unglaublicher Vorgang. Was wurden nicht schon alles für Säue durch Dorf getrieben seither. Die Amtsenthebung stand schon mehrmals kurz bevor. Trump sei vermutlich dement. Er könne nicht einmal einen Vogel von einem Schwein unterscheiden. Eine ellenlange Liste liesse sich erstellen. Und Sie liegen richtig, lieber Herr Rietzschel. Leider. Denn irgendwas bleibt immer hängen. Alleine schon von den veröffentlichten Fotos, welche Trump ganz offensichtlich stets höchst unvorteilhaft abbilden sollen. Trump kann nur alles falsch machen, er kann nur möglichst blöde und möglichst verdorben dastehen. Anders geht es eben nicht. Denn es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Karl Schmidt / 27.02.2019

Wird man erst zur Lügenpresse, wenn in einem Artikel jede Behauptung falsch ist oder jeder Sachverhalt unbenannt bleibt? Wohl kaum. Aber letztlich könnte man diese Art von Medien analog zum Framefunk auch einfach Framepostille nennen. Das ist genauso wahr wie abschätzig.

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