Alexander Wendt / 30.09.2013 / 18:03 / 4 / Seite ausdrucken

Spießer wie diese

Lieber Georg Dietz,

Sie tragen eine Alexander-Dobrindt-Brille, gelten als Fachmann für kulturelle Tiefpunkte des neuen Deutschlands und machen sich regelmäßig auf Spiegel Online Sorgen. Kürzlich schrieben Sie dort:

„Natürlich war es ein kultureller Tiefpunkt des neuen Deutschlands, als Volker Kauder “Tage wie diese” von den “Toten Hosen” sang und Hermann Gröhe das Headbangen übte.“

Ganz erschließt sich nicht, was Sie anprangern. Ist ihnen erst aufgefallen, welchen Spießerrock die Toten Hosen seit eh und je abliefern, als Sie den Song als Kauders Karaoke hörten? Oder halten sie das Liedgut der Hosen für einen kulturellen Höhepunkt, der von der CDU frevelhaft beschmutzt wurde? Das unterstellt Ihnen vielleicht Ihr ärgster Feind, aber nicht ich. Ich bin zu so viel Bosheit einfach nicht fähig.

Ich schätze seit Jahren die Ärzte. Und wissen Sie was, Georg Dietz: Ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass Volker Kauder „Radio brennt“, „Mach die Augen zu“ oder „Mein Baby war beim Friseur“ mitsingen würde. Und falls doch, dann würde sich Farin Urlaub von der Ärzten nie auf eine derart weinerliche Art darüber beschweren wie Hosen-Campino darüber, dass die CDU seinen Schrammelschrabbel „Tage wie diese“ auf ihrer Wahlkampfparty verwurstet. Beides spricht für die Ärzte.

In Ihren intellektuellen Setzkasten, Georg Dietz, hatten ohnehin die CDU-Feiern mit Franz Lambert sel. an der Hammondorgel am besten gepasst. Da konnten Sie wenigsten über die Spießer lachen, die aus der Generation vor Ihnen stammten.

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Leserpost

netiquette:

Robert Groenewold / 03.10.2013

“Die Toten Hosen” sind doch im Grunde ganz liebe Jungs, die haben z.B. schon Ende der 1980er Jahre bei der TV-Weihnachtssendung für Kinder “Wir warten aufs Christkind” mitgemacht. (Kein Witz!)

Herbert Manninger / 01.10.2013

Beide - Ärzte wie Tote Hosen - sind Hofkapellen des PC-Linksspießertums, mit Stadion-und Bierzeltrefrains zum Mitschunkeln. Dass die jemals in die Kategorie PUNKROCK eingereiht wurden - auch so ein deutsches Wunder, ähnlich dem von 1954…..

Roland Wolff / 30.09.2013

Mag sein dass sich beide Bands etwas verschlissen haben. Trotzdem ist es richtig beobachtet, die Toten Hosen eher auf der Spiesserseite zu verorten als die Ärzte. Musikalisch sind die Berliner sowieso weit vorne! Textlich herrscht pure Anarchie fernab jeder (auch geschmacklichen) Schublade (“die fette Elke”, “Bademeister”) wo bei den Hosen das Pathos regiert.

Isolde Baden / 30.09.2013

Naja,die Ärzte hätten auch schon längst aufhören sollen. Und a propos Spießer: Farin Urlaub hat seinen Auftritt bei Roche & Böhermann abgesagt, weil während der Aufnahme geraucht werden durfte. Das ist mal richtiger Punk! Außerdem würden sich die Ärzte sehr wohl weinerlich beschweren, wenn man mal nur an die Heino-Geschichte denkt. Und wahrscheinlich hört Volker Kauder auch gerne “Westerland”. Also, was soll das alberne Spießer-Gerede. Die Bands haben sich beide überlebt und die Zeiten haben sich halt geändert. Punk-Musik steht in der Mitte der Gesellschaft. Sie sollten zu Ghetto-Rap wechseln, wenn sie nicht spießig sein wollen.

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