Peter Grimm / 17.12.2024 / 06:15 / Foto: Montage achgut.com/ Imago / 61 / Seite ausdrucken

Spielen zwei Kanzlerkandidaten den Kriegs-Wahlkampf?

Scholz und Merz reisten beide jüngst nach Kiew und wollten jeweils die besten Ukraine-Unterstützer darstellen, doch im Wahlkampf kultivieren sie in Kriegsfragen einen Gegensatz, um nicht völlig austauschbar zu wirken.

Ein wenig wirken diese Wochen wie eine Wahlkampf-Simulation, auch wenn die Neuwahlen nun offiziell kommen können, da Olaf Scholz die Vertrauensfrage-Abstimmung endlich wie geplant verloren hat. Alle Parteien, die glauben machen wollen, einer der ihren könnte das Kanzleramt besiedeln, haben die Spitzenkandidaten ausgewählt, und die Wahlprogramme kursieren auch schon in der Öffentlichkeit.

Innerhalb all der Parteien, die sich zur Wahl stellen, gibt es einen Dreierklub der potenziellen Regierungsparteien. Nach Lage der Dinge wird es bekanntlich eine schwarzrote, schwarzgrüne oder schwarzrotgüne Regierungskoalition geben. Das lässt nicht gerade auf einen Kurswechsel hoffen, nach einer rotgünen Bundesregierung mit einem gut drei Jahre lang brav funktionierenden FDP-Mehrheitsbeschaffer, die den Kurs der schwarzroten Merkel-Regierung im Prinzip noch konsequenter fortsetzte, als es die Kanzlerin selbst tat.

Aber Mehrheiten für einen wirklichen Wechsel gibt es nicht, vor allem, weil man in diesem informellen Dreierbündnis potenzieller Regierungsparteien im Prinzip vereinbart hat, die Stimmen der – nach Umfragen – künftig zweitstärksten Partei, dadurch zu entwerten, dass nichts abgestimmt wird, bei dem deren Stimmen den Ausschlag geben würden. Egal, was in den Wahlpogrammen von CDU, SPD und Grünen steht, kann deshalb jeder ahnen, dass die nächste Bundesregierung ähnlich weiterwursteln wird wie die bisherige. Die CDU verbietet sich de facto selbst, rot-grüne Gesetze rückabzuwickeln, weil sie das nicht ohne rote und/oder grüne Stimmen machen will. Sie kann höchstens verhindern, dass es noch röter und grüner wird. Aber viel röter und grüner kann es kaum noch werden.

Wie sollen dann aber die künftigen Regierungspartner wirklich inhaltlich darüber streiten, wie man das immer weiter in den Abstieg taumelnde Deutschland noch retten kann? Je offenkundiger wird, dass auch ein Kanzler Merz die Politik seines Vorgängers nur mit einer anderen – wie man wohl neudeutsch sagt – Performance fortsetzen wird, je klarer die Wahlbürger erkennen, dass alle innenpolitischen CDU-Wahlversprechen ganz schnell wie Seifenblasen platzen werden, desto mehr profitiert die AfD, aller Ausgrenzung zum Trotz.

Sie können das Spielfeld wechseln

Natürlich geht das auch der SPD von Kanzler Scholz nicht anders, denn fast alle Wohltaten, die sie den Wählern zum Krisen-Ausgleich versprechen, sind schon von Beginn an nicht viel mehr als Makulatur. Was also sollen der Kanzler und sein sich schon als sicherer Nachfolger fühlender CDU-Konkurrent nun tun? Sie könnten das Spielfeld wechseln.

Es ist nichts Neues, dass Herrscher gern von innenpolitischen Problemen ablenken möchten, indem sie sich in die Weltpolitik stürzen. Und noch dramatischer – und damit beim Wähler vielleicht erfolgreicher – ist es, wenn es um Krieg und Frieden geht.

Nun gibt es seit ein paar Jahren in der Ukraine, also quasi vor der Haustür, einen Krieg, der Deutschland betrifft. Aber eignet sich der zum Wahlkampf zwischen CDU und SPD? Es gibt an sich keinen grundsätzlichen Unterschied beider Parteien in dieser Kriegsfrage. Beide versichern dem ukrainischen Präsidenten ihre nahezu uneingeschränkte Solidarität, beide betonen, wie richtig es ist, dass Deutschland dies mit vielen Milliarden Euro untermauert. Beide formulieren kein eigenes Kriegziel ihres Engagements, sondern möchten sich da nach der Regierung in Kiew richten. Nur in einem Punkt gibt es einen Unterschied: Sollen sofort alle – einschließlich Taurus-Raketen – an die Ukraine geliefert und alle Einsatzbeschränkungen aufgehoben werden? Oder sollte man da noch etwas zögern?

Beide Kanzler-Kontrahenten wollen diesen Krieg erklärtermaßen nicht auf Kosten der Ukraine beenden, aber dennoch will sich der eine jetzt als Friedenskanzler und damit den anderen als leichtfertigen Kriegstreiber darstellen. Olaf Scholz kann sich sicher noch gut daran erinnen, dass für den letzten Wahlerfolg seines Genossen und Bundeskanzlers Schröder im Jahr 2002 die Selbstdarstellung als Friedenskanzler, der sich nicht am Irak-Krieg der USA beteiligte, ziemlich wichtig war. Nicht in den Krieg zu ziehen, ist heutzutage populärer, als in den Krieg zu ziehen – warum sollte es Scholz da nicht versuchen, wenigstens als Teilzeit-Friedenskanzler in den Wahlkampf zu ziehen? In der ZDF-Sendung Berlin-direkt wurde am Sonntag zusammengefasst, wie Scholz und Merz sich gegenseitig verbal in der Kriegsfrage attackieren. 

Selbstverständlich ist jedes politisch wichtige Thema auch ein Wahlkampfthema. Man kann also niemandem vorwerfen, mit seiner Position zu Krieg und Frieden in der Ukraine beim Wähler punkten oder sich besonders staatsmännisch darstellen zu wollen. Es hat dennoch ein Geschmäckle, denn weder Merz noch Scholz eröffnen eine konkrete Perspektive oder zeigen eine Möglichkeit auf, wie sich dieser Krieg in einer Position der Stärke beenden ließe. Wahrscheinlich glauben sie, dass sie das auch gar nicht müssen, denn ihre Handlungsmöglichkeiten sind begrenzt. Nach dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump am 20. Januar 2025 wird sich zeigen, welchen Kurs die westliche Vormacht vorgibt. Dem wird sich keine deutsche Regierung entziehen können.

Da wird es dann vielleicht im letzten Wahlkampf-Monat doch nicht so sehr um Krieg und Frieden gehen, sondern wieder um die unangenehmen innenpolitischen Herausforderungen, denen die derzeit denkbaren Weiter-so-Koalitionen leider nicht gewachsen sind.


Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

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T. Schneegaß / 17.12.2024

@L. Luhmann: “Und auf Weihnachtsmärkten werden jetzt anscheinend echte Deutsche von der sog. “Polizei” nach Messern durchsucht.” Die Videos auf NIUS habe ich auch gesehen. Die können einen wirklich jeden Spaß verderben. Die jahrzehntelange Tradition, mit Springmesser über die Weihnachtsmärkte zu bummeln, wird einfach verboten. Ohne Messer hat sich das für mich erledigt, der Glühwein schmeckt so einfach nicht. Wenn man wenigstens Sprengstoffgürtel tragen dürfte.

Lutz Liebezeit / 17.12.2024

Bei all den Krisen geht es darum, den Notstand und fortan mit dem Notstandsgesetz zu regieren.  Die Pandemie war ein Testballon. Der richtige Notstand wird bald kommen und das Notstandsgesetz wird dann das neue Grundgesetz. Um den Notstand herbeizuführen, muß zuerst die Kontrolle verloren gehen. Die märchenhafte Arroganz den Brandherden und dem Volk gegenüber ist das Prinzip. Andere sind sich scheinbar auch nicht sicher, ob dahinter ein Plan steckt, oder Tölpelhaftigkeit? Ich denke, die Strippenzieher im Hintergrund haben den Waren- und Geldstrom so durchrationalisiert, daß da kein Platz mehr ist für Kultur und Volk. Der Mensch ist degradiert zum Konsumzombi, der hemmungslos ausgeplündert werden kann. / Milei wird keine Rettung bringen, sein Privatisierungsprogramm bringt die nächste Stufe der Ausplünderung. /  “Warum zertretet ihr mein Volk und zerschlaget die Person der Elenden? spricht der HERR HERR Zebaoth.” Jes 3, 14-15   “Weh denen, die ein Haus an das andere ziehen und einen Acker zum andern bringen, bis daß kein Raum mehr da sei, daß sie allein das Land besitzen!” Jes 5, 7-8

Thomas Taterka / 17.12.2024

@Hermine Mut - Ich hab trotzdem gelacht , war das falsch ?

Thomin Weller / 17.12.2024

Gilt für deutsche Politiker die in der EU sitzen und politische Forderungen durchsetzen, das Grundgesetz? In der EU sitzen deutsche Politiker die einen Angriffskrieg vorbereiten. Nach deutschem Gesetz gehören die ins Gefängnis. Erst recht wenn sie aus Deutschland noch “Diäten” beziehen, so meine laienhafte Einschätzung..

Gerd Maar / 17.12.2024

@Hermine Mut: Leserkommentar der Woche.

Sepp Kneip / 17.12.2024

Was sagt uns der deutsche Wahlkampf? Nun, es ist kein deutscher Wahlkampf-sondern ein Wahlkampf anderer Kräfte, der auf deutschem Boden ausgefochten wird. Was die Deutschen wollen, spielt keine Rolle. Die Wahl wird so zurecht gebogen, dass das Ergebnis den Strippenziehern in Übersee passt. Nicht umsonst hat das Altparteien-Kartell die AfD hinter eine Brandmauer gesteckt, dass sie ihnen ja nicht in die Quere kommt. Nein, die Altparteien haben für den Bürger nichts am Hut. Dem Bürger wird ein riesiges Theater vorgespielt. Es wird sich gezankt, dass die Fetzen fliegen. um nach den Wahlen eine links/grüne Koalition zu bilden. Wie gehabt! Nun AfD, dem könntet ihr einen dicken Strich durch die Rechnung machen. Mobilisiert eure Wähler und klärt die Menschen darüber auf, was hier passiert. Es wäre doch gelacht, wenn man gegen diesen Wahnsinn des Selbstmordes nicht abkäme.

Gerd Maar / 17.12.2024

Die entscheidende Frage ist hier, wie auch im Nahost-Konflikt: W2D2 -What will Donald do?

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