Als Otto von Bismarck 1870 das Auswärtige Amt gründete, konnte er nicht ahnen, wer es dereinst leiten würde. Sonst hätte er wohl auf die Reichsgründung verzichtet und sich verbittert als Eremit in die Wälder zurückgezogen. Eine Zwischenbilanz der Außenministerin Annalena Baerbock.
Traditionell erfreut sich ein deutscher Außenminister sagenhafter Beliebtheitswerte, sowohl im In- als auch im Ausland. Anders Annalena Baerbock, die zwar den Sprung ins Bundeskanzleramt als gehypter Tiger begann und nach einem ziemlich verbaerbockten Wahlkampf inklusive frisiertem Lebenslauf und plagiierten Passagen in ihrem Buch als Bettvorleger beendete, dafür aber immerhin mit einem prestigeträchtigen Ressort belohnt wurde. Ohne jede diplomatische Ausbildung fliegt sie seither um den Globus, ringt verzweifelt um Lösungen wie um nahezu jeden Satz. Ihr Konzept der „feministischen Außenpolitik“ erklärte sie unter anderem damit, beim Bau und Standort von Sanitäranlagen in einem nigerianischen Dorf an die Bedürfnisse von Kindern und Frauen zu denken, als müsste man im Jahr 2023 den Eingeborenen erklären, wo sie am besten ihre Notdurft verrichten. Eine ähnlich herablassende Attitüde legten ja schon ihre Parteifreunde Habeck und Özdemir an den Tag, als sie sich bei brasilianischen Indianern, die gerade mal 60 Kilometer von der Millionenstadt Manaus entfernt leben, als „Häuptlinge“ vorstellten.
Außenpolitisch will Annalena Baerbock also das Rad neu erfinden, der olle Bismarck stört da nur, weshalb sie das nach ihm benannte Zimmer im Auswärtigen Amt umbenennen ließ. Für den höheren diplomatischen Dienst, bei dem qualifizierte Anwärter zusätzlich eine hauseigene zwölfmonatige Ausbildung durchlaufen müssen, die es in sich hat, die aber eben auch dafür sorgt, dass hochqualifizierte Leute im Ministerium und den Botschaften arbeiten, hat Baerbock die hohen Anforderungen gesenkt: Der gefürchtete Allgemeinbildungstest sowie der psychologische Eignungstest wurden zumindest vorübergehend abgeschafft, der institutionalisierte Dilettantismus hält nun langsam auch in einem Bollwerk der einstmals hohen Ansprüche Einzug.
Wenn an der Spitze eine unbedarfte Ministerin thront, die schon mal Kobolde und Grundlasthühner beschwört, sich im Kriegszustand mit Russland wähnt und von Putin eine „Wende um 360 Grad“ fordert, dürfen die in den nachgeordneten Reihen natürlich nicht glänzen. Außerdem eröffnet ein weniger strenges Auswahlverfahren auch solchen Bewerbern Chancen, die vielleicht nicht viel auf dem Kasten haben, aber ideologisch auf Linie sind.
Eben hat die Chefin ihre 103. Dienstreise in allerlei Länder, die mitunter „hunderttausende Kilometer entfernt“ sind, beendet. Aus der im Februar 2022 großspurig angekündigten Absicht, um den CO2-Ausstoß möglichst gering zu halten, künftig in der Regel Linie zu fliegen, was der stern sogleich als „umweltbewusste Reisepolitik“ pries, wurde nichts: Gut ein Jahr später wurde auf eine Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Viktor Perli hin bekannt, dass Baerbock bei 67 Dienstreisen Maschinen der Flugbereitschaft und nur bei zwei Reisen Linienflüge genutzt hatte.
Großzügig im Ausland verteilte Steuermilliarden
Womit macht man sich als deutscher Außenminister im Ausland beliebt? Indem man deutsche Steuergelder verschenkt. Natürlich ist Scheckbuchdiplomatie keine Erfindung Baerbocks, aber sie scheint die Millionen, ja Milliarden besonders großzügig zu verteilen: 340 Millionen für die Palästinenser, von denen ein erklecklicher Teil bei den Familien von Terroristen landet, die Mordanschläge auf Israelis verüben, 200 Millionen für Afghanistan, wer will noch mal, wer hat noch nicht? Hier, 120 Millionen für den Jemen, zusätzlich zu den etwa 1,4 Milliarden Euro, die in den letzten vier Jahren zur Verfügung gestellt wurden, mehr auch für den Niger und seine Nachbarländer, die Hilfen für den Irak summieren sich auch schon auf 3,4 Milliarden, und für viele andere, dann freut sich der globale Süden, wenn die deutsche Außenministerin mit dem Füllhorn im Gepäckraum des Regierungsfliegers ankommt und großzügig weitere Hilfen verspricht.
Oder auch nicht. Obgleich Baerbock durchaus grundsätzlich nicht unrecht haben mag, wenn sie Menschenrechtsverletzungen in manchen Staaten anprangert, so agiert sie doch nicht mit dem nötigen Fingerspitzengefühl. Zu oft kommen ihre Statements als nassforsche Belehrungen daher. Und so muss sie sich in Peking sagen lassen, man brauche keinen Lehrmeister aus dem Westen, in Brasilien haben weder Staatspräsident Lula noch Außenminister Viera Zeit für sie, und der nigerianische Prinz Okpame-Edward Oronsaye sagt über sie:
„Es tut mir leid, aber Ihre Außenministerin ist zu jung. Sie hat keine Erfahrung, und manchmal merkt man das, wenn sie spricht“.
Für Südafrikas grüne Energiewende hat Baerbock auch noch 1,1 Milliarden übrig, und trotzdem war eben ein Zusammentreffen mit dem südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa zunächst von diesem nicht gewünscht, wie die FR berichtete:
„Baerbock gilt in Pretoria als unerfahren. Außerdem ist die Regierung Südafrikas der Ansicht, Baerbock sei von nicht mehr zeitgemäßen Vorstellungen geprägt, nämlich davon, dass die Werte der westlichen Minderheit der Maßstab für die Mehrheit der Welt sein sollen.“
„Ich will die Krisen dieser Welt lösen“
Auch im westafrikanischen Nigeria nimmt man die deutsche Außenministerin nicht ernst. Erst Ende 2022 war Baerbock mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth dort aufgeschlagen, um medienwirksam 20 Benin-Bronzen „zurückzugeben“; geplant war, diese in einem – ebenfalls mit deutschen Steuermillionen – finanzierten neuen Museum auszustellen, aber am Ende riss sich ein Mitglied der Königsfamilie einfach die Artefakte unter den Nagel, und in dessen Privatbesitz werden sie nun wohl auch verbleiben. Das ist jetzt echt blöd gelaufen.
Vor wenigen Tagen war Plapperlena noch in Südafrika, wo sie die Gastgeber nachhaltig amüsierte, als sie vom Speck der Hoffnung („bacon of hope“) statt vom „Leuchtfeuer der Hoffnung“ („beacon of hope“) sprach. Aktuell befindet sie sich in der mongolischen Hauptstadt Ulan Bator bzw. Ulaanbaatar, um mit Außenministerinnen aus Asien, Afrika und Europa über „feministische Außenpolitik“ zu sprechen. Neben der mongolischen Außenministerin Batmunkh Battsetseg und der französischen Amtskollegin Catherine Colonna ist sie dort Gastgeberin der Konferenz. Drei Themen hat Baerbock vorgeschlagen: die Rolle von Frauen in der Förderung von Frieden und Sicherheit, Klimawandel und Nahrungsmittelsicherheit. Sie setze darauf, dass künftig mehr Frauen bei Missionen zur internationalen Krisenbewältigung dabei sind. Schließlich hat sie sich nicht weniger vorgenommen, als höchstselbst „die Krisen dieser Welt zu lösen“.
Und wer wäre besser dafür geeignet als eine Frau, die sich sogar Gedanken über den Standort von öffentlichen Toiletten in nigerianischen Dörfern macht? Um es mit ihr zu sagen: ebend!
Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.