Wolfram Weimer / 06.06.2019 / 06:23 / Foto: Stefan Klinkigt / 49 / Seite ausdrucken

SPD: Wer will nochmal, wer will noch nicht

Keiner will den Job machen. Die SPD sucht einen Vorsitzenden, doch alle denkbaren Kandidaten winken demonstrativ ab – und vertiefen so die Krise der Partei. Bis zur Wahl der neuen Führung soll die SPD nun von einem Not-Trio aus Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel geführt werden. Alle honorig, aber keiner der drei steht danach für den Parteivorsitz zur Verfügung. Die Verweigerung der drei soll demonstrieren, dass hier keiner eigene Karriereinteressen verfolgt. Doch in Wahrheit schadet das der SPD weiter. Die Partei ist von den vielen Intrigen und Königsmorden so traumatisiert, dass jede Führungsbereitschaft schon ein Makel sein könnte. Und also mimen alle jetzt die Eunuchen der Macht.

Dabei könnten sich viele SPD-Mitglieder Malu Dreyer als eine neue Vorsitzende gut vorstellen. Dreyer ist beliebte Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz, sie kann Mehrheiten selbst gegen die CDU mobilisieren, sie ist abwägend wie konziliant und verfügt über ein politisches Kapital besonderer Güte – sie gilt wie Angela Merkel als uneigennützig und uneitel. Dreyer ist das Gegenteil einer Spalterin, sie könnte die tief verwundete Partei versöhnen und ihr neues Selbstbewusstsein einhauchen. Doch ist Dreyer an Multipler Sklerose erkrankt, das Gehen fällt ihr zusehends schwer, sie braucht immer wieder einen Rollstuhl, und der Spitzenjob mit vielen Reisen ist da womöglich zu viel. “Das ist tragisch, denn sie ist die Wunschkandidatin der Mehrheit”, sagt ein Präsidiumsmitglied in Berlin.

Während Thorsten Schäfer-Gümbel aus der Politik ausscheidet und im Herbst einen hoch dotierten Job als Arbeitsdirektor bei der bundeseigenen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit antritt (bequemerweise muss er dafür nicht einmal aus Hessen wegziehen), wundert sich mancher in Berlin, dass Manuela Schwesig ebenfalls keine Ambitionen auf den Parteivorsitz anmeldet. Ihr Platz sei in Mecklenburg-Vorpommern, lässt sie verbreiten.

Nachfolger auf dem falschen Fuß erwischt

Schwesigs Absage hat womöglich – wie bei manch anderem Kandidaten – einen taktischen Grund. Im Herbst stehen in Ostdeutschland wichtige Landtagswahlen an (Thüringen, Sachsen und Brandenburg). Überall werden der SPD desaströse Wahlergebnisse vorhergesagt. Niemand möchte dafür die Verantwortung übernehmen. Eigentlich war es der Plan der Nahles-Gegner, ihr diese Niederlagen noch anzuhängen und sie erst hernach zu stürzen. Nun hat Andrea Nahles dieses Kalkül zunichtegemacht und damit ihre potenziellen Nachfolger auf dem falschen Fuß erwischt.

Das gilt auch für die die beiden männlichen Favoriten: Stephan Weil und Olaf Scholz. Auch sie haben bereits abgesagt. Für den Ministerpräsidenten von Niedersachsen ist das kein Problem, er spielt noch nicht in der Berliner Liga, kann warten und muss derzeit kein unnötiges Risiko eingehen. Bei Scholz sieht das anders aus. Er ist Vizekanzler und Finanzminister und bereits gefühlter SPD-Kanzlerkandidat. Wenn er nun im Moment der größten Krise seiner Partei leise pfeifend zur Seite tänzelt, anstatt Verantwortung zu übernehmen und sich als Krisenmanager zu bewähren, wird er nie Kanzler. Scholz nimmt durch die Abstinenz als Einziger in der SPD-Führungsriege richtig Schaden.

Damit entsteht die groteske Situation, dass sich in der SPD verwegene Optionen Bahn brechen könnten – vom Comeback eines Martin Schulz bis zur Verzweiflungsverjüngung Kevin Kühnert.

Die Angst der SPD vor einer völligen Enteignung

Da das Machtvakuum mit jeder Stunde, da niemand Vorsitzender werden will, die SPD weiter beschädigt, werden nun allerlei Kollektivlösungen diskutiert – vom Trio bis zur Doppelspitze. Die Angst der SPD vor einer völligen Enteignung durch die Grünen scheint so groß, dass man sogar deren Führungsmodell als kopierenswert ansieht.

Prominentester Befürworter ist SPD-Außenminister Heiko Maas, der sich zugleich für eine Urwahl aussprach: “Die Zeit der Hinterzimmer muss endlich vorbei sein”, sagte Maas. “Wir brauchen eine neue Parteispitze, die eine möglichst breite Unterstützung unserer Mitglieder hat.”

Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller plädierte für eine Doppelspitze. “Das ist etwas, womit die anderen offensichtlich ganz gut arbeiten können”, sagte Müller am Rande der Vorstandssitzung. Die SPD müsse über ein Team nachdenken. “Nur zu glauben, ein neuer Kopf wird es schon richten, ist offensichtlich eine fatale Fehlentscheidung.” Ebenso brachte der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig eine Doppelspitze ins Spiel, “wenn es mehr Kandidierende gibt, gerne auch mit einer Urwahl”. Die SPD könne “gerne ein bisschen lebendiger werden”, sagte Dulig.

Sollte es tatsächlich zu einer Urwahl kommen, hätte Sigmar Gabriel plötzlich lebhafte Chancen auf ein Comeback – als eine Art Friedrich Merz der SPD. Beide sind rhetorisch stark, beide verkörpern die gute, alte Volksparteiensstärke und ein angriffslustiges Profil. Und sie schätzen einander sogar. Vielleicht treten am Ende sogar beide bei der nächsten Bundestagswahl gegeneinander an.

Dieser Beitrag erschien zuerst hier auf The European.

Foto: Stefan Klinkigt

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Leserpost

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Marion Sönnichsen / 06.06.2019

Ich glaube nicht, dass Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz noch beliebt ist. Sie ist genauso wie Schwesig eine, die gerne die Diffamierungskeule gegen Regierungskritiker schwingt (siehe Kandel). Die SPD hat den demokratischen Kurs verlassen (Keine klare Abgrenzung gegen Linksextremismus, man sollte schon sagen gegen Linksfaschismus, keine klare Abgrenzung gegen die ukrainische Swoboda-Faschisten, also keine klare Abgrenzung zum Rechtsextremismus, Positionierung als Zensur-Partei (Netzwerkdurchsetzungsgesetz, Artikel 13 …), mangelhaftes Bekenntnis zum Rechtsstaat (Juso Beschluss Abtreibung bis zum 9. Monat gestützt, Scharia-Unterwerfung, Aufgabe der Sicherung Deutschlands Grenzen vor illegaler Massenzuwanderung, ja sie fördert illegale Migration noch, offene „Vetternwirtschaft“ wie jüngst in MV in Bezug auf Schwesig zu sehen, diktatorischeVolkserziehungsmaßnahmen, für die Schwesig Millionen verpulvert …). Wer den demokratischen Kurs verlässt, für den ist in Deutschlands Parteienlandschaft langfristig kein Platz.

Martin Stumpp / 06.06.2019

@Jürgen Suess Guter Kommentar, sehe ich genauso. Nur dass diese Chaoten Truppe noch über 10 % liegt wundert mich nicht. Zum einen sind die Hauptmedien zum großen Teil durch Links-Grüne Haltungsjournalisten unterwandert. Objektive Informationen bekommen sie dort nur noch selten. Und zum anderen, wen sollen die Leute wählen? Etwa die Linke, die nicht mehr ist als eine leicht maskierte SED, die den Osten dieses Landes konsequent herunter gewirtschaftet hat? Vielleicht die Grünen, die Melonenpartei außen Grün innen rot, dort aber so verfault, dass sich große braune Flecken gebildet haben? Oder doch die Merkel-CDU, die den ganzen Mist verantwortet und jeder idiotischen Idee der Grünen hinterher läuft und umsetzt? Bliebe noch die FDP, eine Klientelpartei, bei der man verlassen ist, wenn man sich auf sie verlässt und die sich zwischenzeitlich ebenfalls dem grünen Zeitgeist unterwirft. Was bleibt ist nicht wählen, Kleinpartei wählen oder die AfD. Letztere im Bundestag zwar mit einigen ausgezeichneten Leuten vertreten, aber mit schlechter Reputation, teils selbstverschuldet zum großen Teil aber auch Opfer einer unfairen Propaganda der Rot-Grünen Journalisten-Riege.

Kay R. Ströhmer / 06.06.2019

Der Ansatz ist schon falsch. Herr Weimer scheint die SPD für erhaltenswert zu halten. Aber wieso sollte die SPD überhaupt vor dem endgültigen Verfall gerettet werden müssen? Das linke Politikspektrum wird durch Union, Grüne und Linke komplett abgedeckt. Es gibt keine Position, die die SPD authentischer vertreten könnte, als eine dieser drei Parteien. Die SPD ist überflüssig. Das wissen die Wähler, das weiß die Parteispitze. Und deswegen will es auch keiner machen.

J. Wanner / 06.06.2019

Armin Reichert Ich kann Sie beruhigen: Sie sind nicht der Einzige!

Heide Junge / 06.06.2019

Wie es jemand hier schon treffend formulierte : es ist egal wer als ” Insolvenzverwalter” den SPD Vorsitz übernimmt , es ist auch egal ob es die SPD überhaupt noch geben soll, eine Volkspartei mit Umfragewerten um 12-13 % ist diese schon lange nicht mehr. Der linksangehauchte Flügel der SPD`ler kann bei den ” Linken” eintreten, die Ökos bei den ” Grünen” und schon ist die Daseinberechtigung und Diätenversorgung beim Bundenstag gesichert, Wer brauch schon die SPD ? ich jedenfalls nicht! Ätschi Bätschi Frau Nahles , das haben Sie selbst alles zu verantworten. Sie selbst sind als “Konigsmörderin” bekannt und kein Kind von Traurigkeit gewesen ,erwarten nun aber Respekt und Mitleid.

S. v. Belino / 06.06.2019

Tja, ist es vielleicht doch so, dass auch die Ära einer über lange Zeit großen und wichtigen Partei einmal zu Ende gehen könnte? Alleine die Tatsache, dass dies neu und ungewohnt erscheint, sollte nicht zu irrigen Schlüssen verleiten. Das noch nie zuvor - oder vielleicht auch nur lange nicht mehr? - beobachtete Phänomen einer “totalen Verweigerung aller” lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass die Tage der ehemals so wichtigen und immer zumindest mit staatstragenden, SPD wirklich gezählt sein könnten. So tragisch dies auch wäre, Weltuntergang wäre es nicht. Die diversen, einem letzten Aufbäumen gleichenden, Notlösungen, die jetzt hektisch gesucht und vielleicht doch nie gefunden werden, helfen da auch nicht recht weiter. Kevin Kühnert - Herr Weimer, ich bitte Sie! - Wenn Olaf Scholz, gegenwärtig wohl der einzige Hoffnungsträger der Partei, sich nun vor der Verantwortung drückt, lässt dies tief blicken. Mit seiner Verweigerung wird er gewiss Millionen treuer SPD-Wähler bitter enttäuschen, ja brüskieren. Wenn auch Scholz sich in der finstersten Stunde “seiner” Partei verweigert, könnte sich der Deckel endgültig schließen. - Irgendwie erinnert die Lage der Partei an ein Schiff, das sich aus einer verzweifelten Schieflage wohl nicht mehr befreien kann. Die Besatzung erkennt, dass sie dem Untergang geweiht ist, wenn, ja wenn nicht doch noch ein Wunder geschieht. - Mit persönlich tut es wirklich leid um die große, alte SPD. Aber wenn einer Partei peu à peu ihr markantes politisches Profil abhanden kommt, und wenn letztlich das Personal fehlt, welches imstande ist, dies zu erkennen und seriös wie überzeugend für Ersatz zu sorgen, bedeutet das, was sich gerade vor unser aller Augen abspielt, nur eine logische Konsequenz. - Als letzte Hoffnung böte sich die von Maas vorgeschlagene Urwahl an. Versuchen sollte man es unbedingt. Hat man doch ohnehin kaum noch etwas zu verlieren. - Langweilig sind die Zeiten nicht.

Rainer Niersberger / 06.06.2019

Ein in jeder Hinsicht „ bemerkenswerter“ Artikel, der zu Recht auch bereits die zutreffende Resonanz gefunden hat. Abgesehen davon, dass das Problem vielleicht an der „ Politik“ der SPD selbst liegen könnte, na sowas, genügt mir die erstaunlich positive Einschätzung der diversen „ KandidatInnen“ bis hin zum „ honorig“ für die 3 Aushilfskräfte. Mit Verlaub und selbst bei allerbestem Willen, aber die Beurteilung der Personalqualität dürfte dem Autor warum auch immer arg „ verrutscht“ sein. Zumindest scheint Herr Weimer die bisherigen „Leistungen“ der Drei an konkret nicht Feststellbarem festzumachen. Nebenbei : „ Küstenbarbie“ ist doch die, welche ihren Nachwuchs auf Privatschulen schickt und vor allem kräftig Nepotismus ( landläufig Vetterleswirtschaft genannt )betreiben soll.  Wenn das kein Qualitätsmerkmal ist, was dann ?  Fazit : Dem Autor würde ich keine Personalauswahl übertragen.

Petra Wilhelmi / 06.06.2019

Sehr geehrter Herr Weimer, wenn Typen wie Schwesig, Dreyer und Schäfer-Gümpel honorig sein sollen, habe ich von honorig sein eine völlig andere Vorstellung als Sie. Der Duden sagt zu honorig: ehrenhaft und durch sein Wesen vertrauenswürdig, Respekt verdienend und von einer solchen Art zeugend. Synonyme sind: edel,  nobel, vornehm und sinnverwandte Worte sind z.B. kostbar, wertvoll und hochherzig. Dabei möchte ich es belassen. Jeder kann selbst diese Worte versuchen auf das Trio anzuwenden.

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