Markus Vahlefeld / 05.03.2018 / 06:25 / Foto: Pixabay / 35 / Seite ausdrucken

SPD wählt Hospiz

Wenn ich König von Deutschland wäre, würde ich als erstes ein Gesetz erlassen, das die Kanzlerschaft in Deutschland auf zwei Legislaturperioden begrenzt. Oder andersherum: Acht Jahre ist der Zeitraum, um an allen wichtigen Verteilerposten des Gemeinwesens Kanzler-Lakaien zu installieren, die zwar die Macht abzusichern helfen, der Demokratie und dem Parlamentarismus aber schweren Schaden zufügen.

Die große Schwäche der Deutschen – Unbehagen im demokratischen Streit und ausgeprägtes Konsensbedürfnis – nutzt dieser Kanzler-Lakaien-Apparat zum eigenen Machterhalt schamlos aus. Der Parlamentarismus ist jedoch keine Selbstverwirklichungs-Einrichtung für Kanzler, sondern lebt vom Wettstreit der Ideen und Personen, der nach acht Jahren erneuert werden muss. Die Geburtsländer der modernen Demokratie, Frankreich und die USA, halten es genau so. Warum wohl?

Im Januar dieses Jahres bin ich in die SPD eingetreten. Diese Partei entspricht zwar inhaltlich nicht meinen politischen Ansichten, aber strukturell halte ich die SPD für eine Partei mit einer ausgeprägten demokratischen Praxis. Ganz im Gegensatz zur CDU. In den beiden Volksparteien ist eine Art negative Dialektik am Werk. Während mir das Staatsgläubige der SPD so gar nicht gefällt, sehe ich in der Partei dennoch – vielleicht deswegen – einen demokratischen Instinkt am Werk, der für die Demokratie in Deutschland große Bedeutung hat. Bei der CDU ist es genau umgekehrt: Bei ihr verfolg(t)e ich den bürgerlichen Inhalt mit Wohlwollen, halte aber den Instinkt der Partei für den Sargnagel der Demokratie.

Demokratischer Schwarminstinkt der SPD

Die CDU besitzt ein parteiliches Unterwürfigkeits-Gen, das dieses Land nach jedem CDU-Kanzler in einen Krankheitszustand geführt hat. Das war nach Konrad Adenauer der Fall, das war nach Helmut Kohl der Fall – da galt Deutschland als der kranke Mann Europas –, und das ist jetzt mit Merkel ganz augenfällig wieder der Fall. Für die drei CDU-Kanzler gilt: Wäre nach acht Jahren Schluss gewesen, sie hätten weniger Schaden angerichtet.

Der Instinkt der SPD ist ein anderer. Trotz festem Glauben an einen durchdringenden Fürsorgestaat scheint das Misstrauen der SPDler in einen sklerotisierten Staat doch groß genug zu sein, dass keiner der SPD-Kanzler es geschafft hätte, die acht Jahre – was zwei Legislaturperioden entspricht – vollzumachen. Bevor ein Kanzler seine lähmenden Netzwerke installiert hat, wird er lieber von der SPD gestürzt: Willy Brandt, Helmut Schmidt, zuletzt Gerhard Schröder. Niemandem von den SPD-Kanzlern war diese Sklerotisierung der Macht – wie jetzt bei Merkel – vergönnt.

Das ist ein demokratischer Schwarminstinkt der SPD, den ich sehr zu schätzen weiß. Mit der SPD bräuchte es kein Gesetz zur Beschränkung auf zwei Amtsperioden. Das macht die Partei ganz von allein.

Aus diesem Grund fiel es mir gar nicht schwer, in die SPD einzutreten. Aber natürlich ging es mir vornehmlich darum, eine weitere Amtszeit Angela Merkels zu verhindern. Als Demokrat war die SPD-Abstimmung die letzte Möglichkeit, diese fulminant gescheiterte und beängstigend störrische Frau in die Schranken zu weisen. Es hat nicht funktioniert.

Die SPD wird sich als Volkspartei verabschieden

Mehr als 150 Tage drehte sich das Berliner Politkarussell um die Frage, wie weitere vier Jahre Merkel zu verhindern seien. Zuerst wählte das Volk und wählte die Große Koalition als eine große ab. Dann wählte die FDP den Gang von Jamaika in die Opposition und ließ Merkel nackt zurück. Und nun gab es als letzten Zwischenstopp der versuchten Merkel-Verhinderung eine eingeschobene Wahl der SPD-Mitglieder. Die Panik, nichts unversucht zu lassen, um diese Frau zu stürzen, war allenthalben gegenwärtig. Mit Hilfe ihres kadavergehorsamen Hofstaats überlebte Merkel jeden der Einschläge, die zwar ihr galten, aber in Wahrheit letzte Rettungsversuche der durch sie geschwächten Demokratie waren.

Nun ist es aus. Die SPD wird sich als Volkspartei verabschieden, und für die CDU dürfte Ähnliches vorprogrammiert sein. Auch eine Kramp-Karrenbauer oder ein Jens Spahn werden die Verwüstungen, die Merkel hinterlässt, nicht heilen können. Spätestens wenn die deutsche Wirtschaftskraft sich einzubrechen anschickt – und die Vorboten werfen bereits ihre Schatten –, werden die Löcher, die im Haushalt, in der Gesellschaft, im Zusammenhalt, in der Solidarität und im sozialen Kapital gerissen wurden, so augenfällig werden, dass wir uns mit Wehmut an so kleine Auseinandersetzungen wie jetzt an der Essener Tafel zurückerinnern werden.

Für mich ist es Zeit, wieder aus der SPD auszutreten. Ich wäre eh lieber König von Deutschland.

Am Mittwoch, dem 14. März 2018, findet der allerletzte Lese- und Diskussionsabend mit Markus Vahlefeld und seinem Bestseller "Mal eben kurz die Welt retten" statt, Ort: Stasimuseum Berlin, Ruschestr. 103, Beginn 19 Uhr. Es ist eine geschlossene Veranstaltung, aber für Achse-Leser stehen Plätze zur Verfügung, Anmeldung an: kristina.drieselmann@stasimuseum.de

Nachtrag: Die Veranastaltung ist inzwischen leider ausgebucht.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Klaus Klinner / 05.03.2018

“Mehr als 150 Tage drehte sich das Berliner Politkarussell um die Frage, wie weitere vier Jahre Merkel zu verhindern seien.” - Das stimmt natürlich so nicht. Es drehte sich ausschließlich darum, wie die Herrschaft der ewigen Kanzlerin weitere 4 Jahre zu zementieren wäre.

Steffen Fritzsche / 05.03.2018

Es ist die 3.Regierung mit der CDU.Mir fällt dazu nur das Zitat von Brecht ein “Das große Karthago führte drei Kriege. Nach dem ersten war es noch mächtig. Nach dem Zweiten war es noch bewohnbar.Nach dem dritten war es nicht mehr zu finden.”

Volker greve / 05.03.2018

Die SPD war schon immer die Partei des zweiten Gewinners. Das ist auch nicht verwunderlich , ist sie es doch die wie keine andere ( seit einiger Zeit gibt es da noch die Linke ) die Urinstinkte der Menschen anrührt , Neid , Hass , Überheblichkeit , Besserwisserei , Stolz , Feigheit , Verrat , Egoismus usw.. Sicherlich findet man das überall aber bei den “Sozen"ist es am ausgeprägtesten. Der eigene moralische Anspruch kollidiert mit der Realität doch deutlich. Da wird von “sozialer Gerechtigkeit” gefaselt , gleichzeitig der Bürger ausgezogen um an Menschen zu verteilen die sehr oft nicht Willens sind etwas zum Allgemeinwohl beizutragen . Nebenbei zweigt sich der Sozialdemokrat in diesem Prozess noch etwas ab in die eigene Tasche. Niemand ist uneigennützig und deshalb ist alles aus dem Umfeld dieser politischen Richtung verlogen,heuchlerisch und böse.

Andreas Günther / 05.03.2018

„Im Januar dieses Jahres bin ich in die SPD eingetreten.“ - Das kann doch wohl nicht wahr sein!! „Für mich ist es Zeit, wieder aus der SPD auszutreten.“ - Jetzt bin ich wieder beruhigt. Meine Beurteilung der Parteien ist eine andere: 1989/1990 erlebte ich im CDU-Lager eine ehrliche Freude (auch Freudentränen) über die Wiedervereinigung. Da wußte ich endgültig, wo ich hingehöre. Im SPD-Lager war die Freude – freundlich ausgedrückt – meist gebrochen. Man könne ein Volk auf Dauer halt nicht einsperren u.ä. war zu hören.  Die CDU stand für Beständigkeit, innere und äußere Sicherheit, Bewahrung und Verteidigung des Erreichten. Die SPD ist in ihrem Selbstverständnis eine Partei, die das Bestehende gern verändern will, ist sehr auf die Beseitigung materieller Unterschiede fokussiert (soziale Gerechtigkeit). Und ist insofern auch gern bereit, mit Systemveränderern, die eine „Transformation der Gesellschaft“ herbeisehnen, zu paktieren. 1985 zunächst in Hessen, 1998 dann im Bund. Und jetzt drängen sie alle -zumindest die, denen 87 Prozent der Wähler ihre Zustimmung gegeben haben - diesem Abgrund entgegen. Und der deutsche Michel erträgt es gelassen. Ich bin 2012 wieder aus der CDU ausgetreten. Was sollte ich in einem Kanzlerwahlverein? Aber meine schlimmsten Befürchtungen wurden seitdem weit übertroffen.

Hronek Heidi / 05.03.2018

Die triste Lage in Deutschland und somit auch Europa wird aber leider durch die Medien verschärft. Hören Sie sich doch nur den Jubel der nationalen und internationalen Presse an, dann wissen Sie, wer genau in Europa am meisten versagt. Angela Merkel könnte nicht so viel Unheil anrichten, wären die Medien nur 10% von dem Ausmaß, dass sie so gerne bei der Afd oder Trump walten lassen, kritisch gewesen. Warum werden wohl nie Autoren der Achse zu einem Runden Tisch im ÖR eingeladen.    Warum wohl wurde gestern die Abstimmung in der Schweiz zu den ÖR so bejubelt.  Das ist für mich das wirklich beängstigende für unsere Zukunft.  Merkel ist in diesem ganzen Spiel nur ein willfähriges Opfer, welche sich durch ihre DDR Sozialisierung wunderbar eignet, ein System oder eine neue Ideologie zu installieren.  Für sie ist die Diktatur so normal, dass sie sich nichts dabei denkt, diese in Deutschland schleichend einzuführen.  Es ist daher richtig, dass die wahren Verursacher die CDU- und SPD-Günstlinge sind. Wie gesagt, Medien wacht endlich auf, die Achse wird dafür zu wenig sein.

Michael Jansen / 05.03.2018

Mal sehen was in Deutschland passiert, wenn sich die gravierenden Fehlentscheidungen von Merkel im täglichen Leben stärker als bisher bemerkbar machen. Es gibt ja bereits so einige Dinge zu bewundern wie z.B. die gesellschaftlichen “Bereicherungen” durch die sogenannten Flüchtlinge oder die hohen Strompreise wegen der so erfolgreichen und weltweit bewunderten Energiewende, aber dies alles ist für die meisten unserer Mitbürger offenbar noch nicht konkret genug um daraus bei den Wahlen Konsequenzen zu ziehen (liegt vielleicht auch an den möglichen Alternativen). Da war aber die Hoffnung auf die SPD-Basis, dass sie eine GroKo verhindern würde, wohl etwas zu optimistisch und vor allem inhaltlich eher abwegig. Schließlich speiste sich die Gegnerschaft speziell in der von Kevin Kühnert propagierten Variante in keiner Weise aus der Erkenntnis, dass die SPD-Führung die Lehren der Bundestagswahl nicht verstanden und die wahren Probleme der Bevölkerung nicht erkannt hat, sondern eher aus dem Vermissen der vermeintlichen sozialdemokratischen reinen Lehre, man forderte also wie üblich mehr Staat, mehr Umverteilung, offene Grenzen und eine Stärkung Europas in Form weiterer Milliardengeschenke an die armen Opfer des Kapitalismus etwa in Griechenland. Der geneigte Beobachter war eigentlich eher verwundert, was Herrn Kühnert eigentlich noch in der SPD hält, erinnern seine Positionen doch stark an die Linke. So ist wohl zu erwarten, dass die Linken in der SPD letztlich bei der echten Linken landen und der Rest von der CDU überflüssig gemacht wird.

Dr. Wolfgang Monninger, Essen / 05.03.2018

Die SPD war in ihrer langen Geschichte eine oft verhasste, meist aber respektierte Partei, denn sie hatte eine in der Politik unverzichtbare Aufgabe: die Ballance zu erhalten gegenüber einer oft übermächtigen Gegenmacht, gebildet durch die Industrie und die konservative Elite. Es ging dabei immer um die Ballance der Macht. Nur Romantiker glaubten, dass so etwas wie “Mitleid”  mit den Unterprivilegierten die treibende Kraft sein sollte. Die Betonung des Gefühls kam erst mit den 68ern auf. Und konsequenterweise gab es gleich noch “Elendere”, als die Mitglieder der eigenen Arbeiterklasse: die Dritte Welt, die Frauen, die Homosexuellen usw, denn das Gefühl arbeitet sehr wenig trennscharf. Die Quelle dieses gefühlsmäßigen Denkens ist bei den Grünen. Für die SPD ist das grüne Denken allerdings toxisch, denn es spaltet die Partei in solche, die sich vom Gefühl leiten lassen und solche, denen die “Ballace of Power” wichtiger ist. Der Kampf für oder gegen die GroKo zeigt genau diese Verwirrung. Wenn die GroKo-Gegner sagen, die SPD müsse sich zuerst selber finden, haben sie das Problem zwar erkannt, aber dennoch wissen sie offenbar immer noch nicht, wohin ihr Kompass zeigen soll: Richtung Machtpolitik oder Mitleid. Sie haben nicht mehr viel Zeit.

Martin Landvoigt / 05.03.2018

Sehenden Auges sind wir nun Zeitzeugen der Niedergang einer Vorzeigerepublik. Demokratie? Parlamentarismus? Das ist doch bestenfalls Retro. Im Merkelismus geht es in der Regel auch nicht um Inhalte, sondern ums durchregieren. Und der anständige Deutsche ist immer dabei: Wenn schon Abgrund, dann aber bitte ordentlich!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Markus Vahlefeld / 15.03.2022 / 06:00 / 140

Merkel, Trump, Putin – Die Systemverächter

Politik läuft durch die Zentrierung auf nur eine Person Gefahr, dass der Lebensentwurf des Herrschers zum Entwurf der gesamten Nation wird, und das ist nicht…/ mehr

Markus Vahlefeld / 26.02.2022 / 06:00 / 180

Reden wir über den Westen und Frau Merkels Salat

Den von CDU und SPD unter Merkel angerichteten Salat haben wir nun. Und das auch, weil wirklich alles getan wurde, um den so wenig kriegslüsternen…/ mehr

Markus Vahlefeld / 14.10.2021 / 06:00 / 202

Der Hund, auf den der deutsche Geist gekommen ist

Auch mit 92 hält Jürgen Habermas seine Stellung als Lordsiegelbewahrer der deutschen Staatsräson. Das Diskurssystem, das er etablierte, wird vom medialen Kollektiv beherrscht, Abweichler gecancelt.…/ mehr

Markus Vahlefeld / 02.09.2021 / 06:00 / 67

Der stinkende Fisch – ein Sondervorgang

Eine für die Berliner Regierenden brisante Dokumentation über die Entfernung von Hubertus Knabe aus dem Amt als Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen wurde kurzfristig aus dem…/ mehr

Markus Vahlefeld / 19.08.2021 / 06:01 / 64

Der große Sprung durch die Hintertür

Das Virus machte es möglich: Ohne langwierige politische Debatten installierten die westlichen Politiker die Gentechnik einfach als gesellschaftliches Pflichtprogramm. Die Grünen vorne dran. Demokratien sind…/ mehr

Markus Vahlefeld / 12.08.2021 / 06:01 / 68

Das neue Neoliberal: Im Kielwasser der Moral schwimmen die Haie

Aufklärung, Wissenschaft und Fortschritt können in Diktatur umschlagen, das analysierten in ihrer Zeit in den USA während des Zweiten Weltkriegs schon Max Horkheimer und Theodor…/ mehr

Markus Vahlefeld / 04.05.2021 / 06:05 / 125

Willkommen im Überwachungs-Kapitalismus und Millionärs-Sozialismus

Was ist nur aus dem guten alten Kapitalismus der 1980er Jahre geworden, als man noch dem Glauben anhängen konnte, dass Gesellschaften, die die Gesetze von…/ mehr

Markus Vahlefeld / 23.03.2021 / 13:30 / 4

Bleiben Sie, wie Sie sind: normal

Cora Stephan gebührt großer Respekt. Sie hat die instinktsichere Fähigkeit, heiße Eisen früher anzupacken als andere. Bereits 2011, als der Merkel-Sog noch gar nicht seine…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com