Gunter Weißgerber / 10.08.2018 / 06:04 / 10 / Seite ausdrucken

SPD: Vorwärts zur Selbstaufgabe?

Die SPD will sich erneuern, was immer das bei 450.000 Mitgliedern bedeuten mag. Einen nennenswerten Austausch durch neue Mitglieder wird es wahrscheinlich nicht geben, den stetigen Verlust älterer Mitglieder schon. Doch grundsätzlich wird es keinen anderen Personen- und Ideenpool geben als bisher, und mit ihm bleibt der bekannte Wettstreit um innerparteilich mehrheitsfähige Grundlinien. Wie diese innerparteilich mehrheitsfähigen Politikansätze dann beim undankbaren Wahlvolk ankommen, scheint in der derzeitigen SPD-Führung niemand zu wissen, vielleicht auch niemanden wirklich zu interessieren. Wie sonst hätte sich diese einst mehrheitsfähige Volkspartei so sehr ins Abseits manövrieren können, dass die Genossen inzwischen schon erleichtert sind, wenn sie nicht von der AfD überholt werden?

Würden die Parteifunktionäre zwischen den kaum noch zu zählenden Neuanfängen der letzten Jahre einmal Luft holen und bei den Altvorderen nachlesen, dann könnten sie überrascht feststellen, wo sie passende Inhalte für den Weg in die neue Zeit finden. Machen wir die Probe aufs Exempel. Wir nehmen zwei Aussagen Mark Twains und Ferdinand Lassalles und klopfen das aktuelle Personal vor unserem geistigen Auge auf Nähe oder Ferne zu diesen beiden ab! Wer hier die alten Hüte trägt, wird schnell sichtbar.  

Mark Twain wusste: „Das Problem mit ‚der Linken‘ ist, daß die meisten aus Haß gegen die Reichen Kommunisten geworden sind und nicht aus Liebe zu den Armen.

Die damalig im Werden begriffene deutsche Sozialdemokratie dürfte er nicht gemeint haben. Denn die gründete sich auf Ferdinand Lassalles Satz „Was der Sozialismus will, ist nicht, Eigentum aufheben, sondern im Gegenteile individuelles Eigentum, auf die Arbeit gegründetes Eigentum erst einführen.“

Zwar kamen dann bald die „Eisenacher“ dazu, und von außen schwurbelte der unsägliche Sozialneidagitator Marx auf die Sozen ein, doch hielt das die deutsche Sozialdemokratie realiter nie davon ab, marxistisches Geschwurbel sein zu lassen und im tatsächlichem Leben nach revisionistischen und damit friedlich machbaren Lösungen zu suchen. Nicht der Sozialneid war die sozialdemokratische Triebfeder! Über Bildung den Menschen Chancen zu geben und diese die dann auch nutzen lassen – das war die SPD in ihren erfolgreichen Zeiten!

Partei des Optimismus und des Fortschrittglaubens

Immer war die SPD die Partei des „Förderns und Forderns“. Anders als die Kommunisten wusste die SPD, einfach „nur Wegnehmen“, das erfordert den Willen und die Bereitschaft zur Gewalt, zur Diktatur. Allen alles wegnehmen, macht alle arm und verjagt die Kreativen und ihre Gabe, Wohlstand und Reichtum zu schaffen. Ohne Mauer, Stacheldraht, Schießbefehl, politische Geheimpolizei, Lager und Zuchthäuser ist das nicht zu organisieren.

Ob das Marx mit seiner „Diktatur des Proletariats“ schon so wollte, ist nicht gänzlich zu klären. Ich für meinen Teil traue es ihm zu und halte es gern mit Konrad Löws „Der Mythos Marx und seine Macher“. Marxens Jünger Lenin, Stalin, Mao, Pol Pot, Ulbricht, Honecker und viele andere nahmen den Schwerenöter, versuchten sich jedenfalls allesamt nur in grauenvoller Umsetzung der Ideen des kommunistischen Urvaters.

Die SPD, das war einmal eine Partei, die mit Optimismus und Fortschrittsglauben für demokratisch kontrollierte Verantwortung im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und in der Bundesrepublik Deutschland stritt. Ihre Zielgruppen waren die Facharbeiter, Techniker, Ingenieure, Wissenschaftler, auch sozial engagierte Vermögende. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Die Bundesrepublik war 1989/90 für die meisten Ostdeutschen zu Recht der Ort, in dem sie frei und sicher leben wollten. Den Anteil der SPD daran machte ihr niemand streitig.

Die SPD von heute ist dagegen eine Partei, die den Menschen scheinbar nicht mehr das Rüstzeug auf den Weg mitgeben will, alles aus sich machen zu können. Vor nicht allzu langer Zeit noch sahen die SPD und ihre Wähler in der Zukunft eine Herausforderung, die es optimistisch anzupacken galt. Jetzt steht die SPD verzagt vor der Zukunft und wird doch immer einsamer. Ihre Wähler hat sie emsig vergrault: Erziehungsattitüden, Mitgliedschaft in der globalen Überhitzungskirche, „Energiewende“ zugunsten grüner Vermögensumverteilung, Erosion der binneneuropäischen Sicherheitsgarantie im Rahmen kontrollierter EU-Außengrenzen, unkontrolliertes Importieren außereuropäischer Konflikte infolge der noch immer propagierten unkontrollierten Zuwanderung aus vorwiegend archaischen außereuropäischen Regionen und so weiter... War die SPD über anderthalb Jahrhunderte immer auch ein lernendes System, so hat sie diese Fähigkeit auf dem Altar linker und grüner Annäherungen geopfert. Die Wähler aber begannen zu lernen: Keinesfalls die SPD!

Die apokalyptischen Reiter des „Club of Rome“ gehörten früher nicht zum Sammelsurium dieser Partei. Fortschritt und Optimismus hatten stattdessen ihren Platz. Angst vor der Zukunft, das war nicht Sache der Sozialdemokratie! Aber das war einmal. Heute erklärt die SPD zuerst, was der Mensch alles nicht darf. „Was kostet die Welt, und wie machen wir sie real besser?“ war gestern. Das angedrohte Martyrium in der Hölle ist heute. Wer soll mit dieser SPD noch mitgehen? Wird sie wieder wach?

Zu viele Marxisten, zu wenige Lassalleaner

Mark Twain würde heute wohl sagen „Das Problem mit der SPD ist, dass die meisten aus Hass gegen die Reichen Sozialisten/Kommunisten geworden sind und nicht aus Liebe zu den Armen“ und Ferdinand Lassalle würde mitsamt des ADAV wiederkehren wollen, um seinem bereits oben zitierten Grundsatz „Was der Sozialismus will, ist nicht, Eigentum aufheben, sondern im Gegenteile individuelles Eigentum, auf die Arbeit gegründetes Eigentum erst einführenerneut Geltung zu verschaffen. Wobei er sicher nach den Katstrophen nationaler und realer Sozialismus längst die Beschreibung „Soziale Marktwirtschaft“ verwenden würde.

Was heutzutage die SPD an zu vielen Marxisten in ihren Reihen hat, das fehlt ihr dramatisch an Lassalleanern. Weder Lassalle noch Twain würden heute SPD wählen. Die eindrucksvolle Karikatur zu diesem Bild lieferte jüngst die Auslöschung der Historischen Kommission der SPD.

Im Juni 2010 wurde ich vom SPD-Ortsverein Döbeln/Sachsen um ein Referat zur SPD-Geschichte gebeten. Anlass war die 140. Wiederkehr der Gründung des dortigen Ortsvereins. Ich wage zu behaupten, was 2010 in der SPD Sachsen noch, ohne auf größeres Unverständnis zu treffen, referiert werden konnte, würde 2018 vielleicht als extraterrestrisch aufgefasst werden.

Lassalle ist im Jahr 2018 SPD-flächendeckend Terra incognita, stattdessen feiert der Wiedergänger Marx fröhliche Urständ‘. Den Wettbewerb gewann demnach in Form sozialdemokratischer Selbstaufgabe mit Verspätung zwar, aber dafür umso gründlicher, die SED, nicht die SDP/SPD. Ich empfehle die Lektüre meiner damaligen Rede.

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Silas Loy / 10.08.2018

Die SPD hat mit der Agenda 2010 ihre Seele verraten und viele ihrer Wähler über die Klinge springen lassen. Auch um “Die neue Mitte” zu werden, das neue bürgerliche Establishment und hier die verblödete Union zu beerben. Wenn es in ökonomischen Fragen nur die eine unheilige Kirche des Neoliberalismus gibt, die die einzige richtige Lösung hat und wenn das die Abschaffung von “Besitzständen” (Steinbrück) von Wählern der Sozialdemokratie durch die Sozialdemokratie bedeutet, dann ist die Sozialdemokratie am Ende. Kann man einem Wähler der Sozialdemokratie erklären, dass es sozialdemokratisch ist, wenn ein sozialdemokratischer Kanzler ihn im Falle der Arbeitslosigkeit erst seine Ersparnisse wegnimmt und dann seine Lebensleistung in Qualifikation und Erfahrung für vollkommen obsolet erklärt? Nachdem Generationen von Sozialdemokraten für diese “Besitzstände” gekämpft haben? Einfach mal so per Federstrich und Basta? Nein, das kann man eben nicht. Mit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe hat sich die SPD selbst abgeschafft. Sie ist keine Alternative mehr zu Union und FDP,  sie hat keine eigenen Rezepte, sie betrügt und verrät die eigenen Wähler. Jetzt wirft sie sich dann eben den von ihr geschaffenen Doppelpassinhabern an den Hals.

Wilhelm Sacker / 10.08.2018

Treffende Analyse!  Rückblick: Bei meiner ersten BTW habe ich damals tatsächlich die SPD gewählt (Aera Brandt). Inzwischen ist diese Partei für mich völlig unwählbar geworden. Willfährige Steigbügelhalter für den Merkelismus und Anbiederung an die Grünen, alles nur, um selbst an der süßen Macht zu bleiben. Dauernd mit sich selbst beschäftigt, Neid, Irrsinn und verschwurbelte Realitätsferne. Es würde mich nicht wundern, wenn die SPD auf 12-14% abrutscht, Schadenfreude inklusive.

Robert Jankowski / 10.08.2018

Die SPD ist mittlerweile zur Partei der Beamten und Staatsangestellten geworden. Dies drückt sich auch darin aus, dass Gesetze gemacht werden, die aber Niemand durchsetzt, weil schlicht das Personal dazu fehlt. Oder aber in den geschönten Arbeitslosenstatistiken, die mittlerweile vor Ausnahmen, wer dabei mitgezählt werden darf, nur so strotzen. Ähnlich verhält es sich im Bildungswesen:  SPD geführte Bundesländer brüsten sich mit der hohen Zahl der Abiturienten, anstatt wahrzunehmen, dass sie schlichtweg die Anforderungen soweit nach unten gedrückt haben, dass mittlerweile jeder des Deutschen halbwegs mächtige sein Abi macht. Wobei das auch wiederum nur teilweise stimmt, denn die Rechtschreibfehler werden ja in den Abiklausuren gar nicht mehr berücksichtigt. Es wäre ja auch der pure Rassismus, wenn man die mangelnde Deutschkenntnisse von Menschen mit Migrationshintergrund ihnen anlasten würde. Aber Hauptsache, liebe SPD, die Zahlen stimmen. Nur: Wahlergebnisse kann man sich nur bedingt schönrechnen!

Roland Müller / 10.08.2018

Die Frau Nahles hat gesagt, wir müssen etwas machen, was funktioniert. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre es, das abzuschaffen, was nicht funktioniert. Zum Beispiel die grausige Wohnungspolitik, bei der die Genossen nur über Verschlimmerungen nachdenken. Oder die gescheiterte Flüchtlingspolitik., Oder die Abschaffung von NetzDG und DSGVO. Oder eine Steuerreform in Angriff nehmen mit verständlichen Gesetzen und erheblich weniger Bürokratie. Oder eine Entrümpelung der Sozialgesetzgebung, welche jedem Kriminellen aus aller Welt Vollversorgung bis zum Ende aller Tage garantiert. Es gäbe viel zu tun für die Genossen, aber außer Geschwafel werden sie nichts zustande bringen. Deshalb haben sie ihren Untergang auch redlich verdient.

Hartmut Laun / 10.08.2018

Die SPD will unbedingt die bessere CDU und grüner als die Grünen werden und sein. Die SPD hatte die einmalige Gelegenheit sich der Großen Koalition zur letzten Bundestagswahl zu verweigern und der Merkel-CDU eins in die Fresse zu geben. Die SPD muss sich der enormen Medienmacht widersetzen, welche die wichtigsten die Merkel-CDU als Nationale Front beschützen. Und die SPD hätte dann die einmalige Gelegenheit gehabt sich dem andauernden Zerstörungswerk Merkels zu widersetzen. Man muss immer wieder de Maizières mündliche Anordnung in Erinnerung bringen. Der hat nämlich am 13. September 2015 entschieden und dem Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums mündlich mitgeteilt, dass Maßnahmen der Zurückweisung an der Grenze mit Bezug auf um Schutz nachsuchende Drittstaatsangehörige derzeit nicht zur Anwendung kommen. Damit ist bewiesen, dass de Maizière im Einvernehmen mit der die Richtlinien der Politik bestimmenden Bundeskanzlerin Merkel, oder auf ihre Weisung hin, die nachgeordnete Grenzpolizei angewiesen hat, dauerhaft gegen das Grundgesetz und die geltenden Gesetze zu verstoßen. Solange diese mündl. Anordnung bestand hat, ist alles Werkeln nur Fassade. Ein Potpourri der Nebelkerzen sozusagen mit tätiger Kumpanei der deutschen Sozialdemokratie.

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