Will es der Fraktionsvize, anders als seine Parteivorsitzende, jetzt wirklich mit einem Kurswechsel versuchen?
Die in Dänemark regierenden Sozialdemokraten praktizieren eine Migrationspolitik, die die deutschen Genossen bislang - zumindest offiziell - rigoros ablehnten. Der Abbau von Pull-Faktoren - Asylbewerber bekommen weniger Geld und meist Sachleistungen - ist dabei ein entscheidender Punkt. Auch müssen sich Asylbewerber mit Besitz von Wertsachen an den Aufwendungen für Kost und Logis beteiligen, der Familiennachzug wurde erschwert und es sollen nicht mehr als 30 Prozent "nicht-westliche Ausländer" in einem Stadtteil leben. Das klingt hierzulande eher nach AfD als nach SPD. Insofern ist es bemerkenswert, dass sich der stellvertrende Fraktionsvoraitzende der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, plötzlich in einem Tagesspiegel-Interview für das dänische Modell erwärmt.
Nicht alles dort sei eins zu eins in Deutschland umsetzbar oder wünschenswert. "Aber die Sozialdemokratie dort hat gerade in der Migrationspolitik einen Kurs eingeschlagen, der dazu geführt hat, dass sie wieder Wahlerfolge hat und vor allem, dass sie radikale Parteien klein gehalten hat", sagte Wiese in einem Interview mit dem Tagesspiegel.
"Wir müssen in der SPD ohne Scheuklappen darüber sprechen und von diesen Erfahrungen profitieren". Das sei für ihn selbstverständlich. Zugleich kritisierte er Aussagen des Juso-Vorsitzenden Philipp Türmer nach der Wahl. "Wir können nicht, wie der Juso-Chef jetzt vorschlägt, Probleme verschweigen, um bloß nicht rechten Narrativen hinterherzulaufen", mahnte Wiese. Das sei die völlig falsche Schlussfolgerung aus dieser Wahl.
Wiese kritisierte auch die bisherige Aufarbeitung des Wahlergebnisses. "Wir können jetzt nach der Europawahl nicht sagen, das schlechte Wahlergebnis lag nur an schlechter Kommunikation", sagte Wiese. "Wir müssen wieder viel stärker die berufstätige Familie in den Blick nehmen, diejenigen, die jeden Morgen aufstehen und das Land mit am Laufen halten." Die Partei nehme die Sorgen der Menschen im Bereich Zuwanderung sehr ernst. Die meisten Menschen seien für Zuwanderung, wollten aber, dass der Rechtsstaat durchgesetzt werde, so Wiese.
"Sie haben die berechtigte Erwartungshaltung, dass diejenigen, die sich nicht an die Regeln halten oder keinen Asylgrund haben, das Land wieder verlassen müssen." Das müsse die SPD künftig klarer benennen. Zudem forderte er mehr Migrationsabkommen, um die Zahl der Abschiebungen weiter zu erhöhen, und ein Ende des grundsätzlichen Abschiebestopps nach Afghanistan.
(Quelle: Dts- Nachrichten)