Walter Krämer / 14.05.2020 / 17:00 / Foto: Walter Kraemer / 17 / Seite ausdrucken

Sparen auch am höchsten Gut?

Gesundheit ist das höchste Gut; zur Rettung Corona-bedrohter Menschenleben sind keine Kosten zu scheuen:

„Oberstes Gebot muss einfach der Schutz der Menschenleben haben" (Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer). „Die Funktionsfähigkeit wieder herzustellen unter Inkaufnahme von vielen Toten oder auch Kranken, die geheilt werden, aber bleibende Schäden haben, scheidet für mich aus" (Innenminister Seehofer). „Ich wende mich gegen jede dieser zynischen Erwägungen, dass man den Tod von Menschen in Kauf nehmen muss, damit die Wirtschaft läuft. Solche Abwägungen halte ich für unerträglich“ (Wirtschaftsminister Olaf Scholz).

„Menschenleben vor Shoppingtouren" (Ministerpräsident Markus Söder).

Und so weiter.

Diese Mantras sind verlogen, falsch und das Ergebnis eines vor allem in Deutschland durchgesetzten rigorosen Denkverbots. Denn natürlich ist Gesundheit nicht unser höchstes Gut (in dem Sinn, dass alles andere hintanzustellen ist) und haben Menschenleben in einem weiter unten definierten Sinn durchaus einen Preis. Aber wer, wie der arme Boris Palmer, dergleichen Trivialitäten auszusprechen wagt, wird stante pede von einer riesigen, gut dressierten Gutmenschmeute flachgekläfft.

Dass Gesundheit nur eines von vielen Menschen-Zielen ist, beweisen wir durch unser eigenes Verhalten Tag für Tag. Niemand zwingt uns zum Tiefseetauchen, Drachensegeln oder Fallschirmspringen oder drängt einem jungen Mann die Karriere eines Formel-I-Piloten auf. Wir essen zu viel (im Durchschnitt 500 Kalorien mehr am Tag als optimal), trinken im Übermaß, nehmen wegen einer satten Urlaubsbräune auch Hautkrebs in Kauf oder verursachen durch Leichtsinn Unfälle aller Art. Fettsüchtige stellen drei Viertel aller Bluthochdruckpatienten und erleiden mehr als die Hälfte aller Herzinfarkte in unserem Land, und so mancher Arzt, der eben noch das Leichentuch über einen Lungenkrebstoten gebreitet hat, steckt sich auf dem Flur die nächste Zigarette an.

Und das ist zu allem Überfluss auch noch durchaus rational. Denn unser Glück und unsere Zufriedenheit mit dem Leben hängen von vielen Dingen ab. Nicht wenige Kollegen des Autors dieser Zeilen würden gerne den Rest ihres Lebens hinken oder mit einem Bein herumlaufen, wenn sie dafür den Nobelpreis in Nationalökonomie bekämen. Andere tauschen ihre Bandscheiben gegen einen Olympiasieg, ihren Meniskus gegen die deutsche Fußballmeisterschaft oder ihr Gehör gegen fröhliche Abende in der Diskothek.

Geld für erhöhtes Unfallrisiko

Es ist schon richtig: Auch der ehrgeizigste Sportler würde vermutlich auf die Goldmedaille verzichten, wenn er hinterher tot vom Siegertreppchen fiele (und das vorher weiß). Aber ein bisschen Gesundheit opfert er schon. Die Ökonomen unterscheiden hier zwischen Nutzen und Grenznutzen. Und der Grenznutzen von etwas mehr Gesundheit oder einem Jahr mehr Leben hat durchaus einen Preis.

In Deutschland beträgt letzterer im Durchschnitt rund anderthalb Millionen Euro. Wenn man die Leute fragt: „Wie viel mehr an Lohn oder Gehalt muss ich dir anbieten, damit du ein erhöhtes Unfallrisiko mit Todesfolge akzeptierst?“, dann landet man im Durchschnitt bei 15.000 Euro für einen Prozentpunkt mehr. Im Fachjargon der Ökonomen heißt das auch „kompensierendes Lohndifferential“. Ein bekanntes Lehrbuchbeispiel sind die Elefantenpfleger im Zoo von Philadelphia; die erhalten mit dem Hinweis, Elefanten seien gefährlicher als Enten oder Papageien, pro Jahr 1.000 Dollar mehr. Zurück in Deutschland akzeptieren also 100 Arbeitnehmer für 1,5 Millionen Euro einen Todesfall.

Ungefähr die gleichen Zahlen erhält man bei der umgekehrten Frage: Wieviel wärst du bereit zu zahlen, damit dein Todesrisiko um x Prozent abnimmt? Auch dieser sogenannte „willingness-to-pay“-Ansatz liefert, auf 100 Prozent und damit ein komplettes Menschenleben hochgerechnet, einen Preis zwischen einer und zwei Millionen Euro.

Genau in diesem Sinn sind also auch Todesfälle durch Corona (solange es nur um Wahrscheinlichkeiten geht und niemand konkret gemeint ist) gegen andere Lasten aufzurechnen. Ich hoffe sehr, dass auch unsere Politiker das wissen und die Eingangszitate nicht über Verbeugungen vor dem Gesslerhut der herrschenden Gutmeinenden hinausgehen. Zumindest Wolfgang Schäuble hat ja gezeigt, dass rationales Denken durchaus mit politischen Ämtern hierzulande kompatibel ist: „Nicht alles muss vor dem Schutz von Leben zurücktreten“, hat er kürzlich in der Welt gesagt. Wie wahr. Und doch wie gefährlich, es auszusprechen.

Foto: Walter Krämer CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

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Rolf Lindner / 14.05.2020

Obwohl wir es schon seit längerem selber dachten, haben wir es sogar auf bundesinnenministerialen Kopfbögen schwarz auf weiß, dass die Covid19-Infektionsschutzmaßnahmen wahrscheinlich mehr Menschenleben gefordert haben als durch die Maßnahmen gerettet wurden. Alle die Kramp-Karrenbauer, Seehofer, Scholz, Söder und Konsorten - ich nenne sie der Einfachheit halber die Kohnpapierleugner - wissen das auch und verstecken die Unfähigkeit zum Eingeständnis ihrer Fehler hinter verlogenen Phrasen. Das ist verständlich, denn mit so einem Eingeständnis würde der Entzug vom höchsten Gut des Menschen drohen, den Glücksgefühlen des Rauschs, für den die meisten Menschen bereit sind ihre Gesundheit und sogar nicht nur ihr eigenes Leben, sondern wie auch in diesem Fall das vieler anderer zu opfern, egal ob er durch Drogen, Applaus, Sport, Macht oder Besitz erzeugt wird. Randbemerkung: Die Aufnahme von nur durchschnittlich 500 Kalorien mehr am Tag als optimal (der Energie von etwa ein Gramm Schokolade), würden das Gesundheitswesen optimal entlasten.

Andi Nöhren / 14.05.2020

Wir haben eine falsches Bild von „unseren“ Politikern, wenn wir glauben der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung spiele für sie eine wichtige Rolle bei dieser Corona-Epidemie. Stattdessen geht es diesen Leuten allein um Macht, Macht über Menschen, die sie zu Untertanen degradieren und um Macht über Wirtschaftsunternehmen. Die Corona-Zeit ist für diese Leute eine Zeit der Hochgefühle. Noch nie, seit dem letzten Weltkrieg, hatten die deutschen Politiker eine solche hervorragende Möglichkeit Macht auszuüben, ohne Rücksicht auf demokratische Regeln. Das Coronavirus bringt sind einen großen Schritt weiter ihren Traum zu realisieren, den Traum von einem politischen System, wie es China hat. Dort habe ich es zum Beispiel erlebt, dass die Regierung bzw. die Bezirksobersten einfach von heute auf morgen, wegen unbedeutenden Ursachen, riesige Fabriken mit einigen tausend Mitarbeiter schließen. Dass dann mehrere tausend Arbeiter von einem Tag auf den andern ohne Einkommen sind, dass spielt keine Rolle. Das erinnert mich in diesen Tagen doch sehr an die Aktivitäten „unserer“ Politiker in dieser Coronazeit.

Frances Johnson / 14.05.2020

Scholz hat nichts davon, denn die SPD hat andere Wähler, wie man sieht. Der CDU/CSU darf man nicht nur Einseitigkeit unterstellen, sondern auch Kalkül. Sie sind zusammen letztlich die Rentnerpartei und gewinnen einige Weggelaufene (Hüpfende Omas und vor Migranten Verängstigte)  jetzt von Grün und AfD zurück. Dass es jemals um etwas anderes gegangen wäre als Selbsterhalt, könnte ich schlecht glauben. Bei mir allerdings, älter, aber noch nicht ganz so alt, verloren sie in dem Moment, als sie Alt und Jung trennten und verordeneten, dass der/die Sterbende im KH einsam an einer Maschine eingeht. Damit bin ich weg. Für immer, denn so etwas vergesse ich nicht. So wie mir immer die Patienten menschlich wichtig waren, war es auch die Familie. Daher ist es eine Politik der Kälte, die dem Menschen nicht selbst überlässt, ob er sich schützen möchte und wie, die eine Erweiterung erfährt durch Tracking oder eventuellen Impfzwang. Und die Grünen von früher sind offenbar nicht mehr präsent.

F. Auerbacher / 14.05.2020

Tja, lieber sehr geschätzter Herr Prof. Krämer. Sie sind leider dem naturalistischen Fehlschluss zum Opfer gefallen. Salopp formuliert (Hume’sche Variante) kann aus dem, was ist - empirisch feststellbar - nicht darauf geschlossen werden, was sein soll - moralisch geboten ist. Ebenso wenig, wie aus der Tatsache, dass Menschen lügen, stehlen, morden etc. geschlossen werden kann, dass das Gebot nicht zu lügen, stehlen, morden etc. falsch ist, kann aus der Tatsache, dass Menschen offensichtlich dem Leben einen Preis zurechnen geschlossen werden, dass das Gebot, menschliches Leben nicht gegen Geld abzuwägen falsch ist.

Franz Klar / 14.05.2020

Es gibt eine ganz einfache Verbindung zwischen den Megathemen unserer Zeit : ” Wir bleiben zu Hause und sterben an Langeweile ” .  Kombiniert Mobilitätsrückwende mit gefühlt unendlichem Leben .... .

Daniel Kirchner / 14.05.2020

Feuerwehrleute, Soldaten und auch Polizisten haben ein bekanntes Risiko, vorzeitig plötzlich zu sterben. Es gibt aber bisher niemanden,  der ihnen den Beruf verbietet oder ihre Tätigkeit für unmoralisch hält. Es gab vor gar nicht so langer Zeit die “Ehre” zu sterben.

Dr. Klaus Rocholl / 14.05.2020

„Oberstes Gebot muss einfach der Schutz der Menschenleben haben“ ... diese Behauptung ist in jeglicher Hinsicht so was von verlogen, daß man nur noch ko….. möchte! Was ist denn mit den unbehandelten Krebserkrankungen? ... mit den unentdeckten Herzinfarkten / Schlaganfällen, die nach Aussage der AOK-Untersuchung NICHT die Krankenhäuser aufsuchen? Kosten die etwa KEINE LEBEN ??? Was ist mit dem absehbaren wirtschaftlichen Ruin zahlloser Menschen? ... mit den Insolvenzen? Mit den vernichteten Lebensplanungen? ... den verlorenen Ersparnissen? ... den absehbaren Selbstmorden wg. Verlusts der Perspektive und Aussichtslosigkeit? SIND DAS KEINE TOTEN??? SIND DIE WENIGER WERT ALS JEMAND, DER AN / MIT CORONA STIRBT ??? Wie verlogen sind diese Witzfiguren, die sich anmaßen, uns Vorschriften zu machen??? !

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