Cora Stephan / 02.12.2008 / 18:56 / 0 / Seite ausdrucken

Spar Dich reich

Wirtschaftspolitik ist, wie der Name schon sagt, etwas für den Tresen. Denn nach zwei Bier ist alles ganz einfach zu erklären, was man nüchtern nicht versteht: etwa, daß die Energiekonzerne des gestiegenen Ölpreises wegen ihre Strompreise erhöhen, obwohl der Ölpreis sinkt. Und nach dem dritten Bier kommt menschliche Wärme auf. Da erklärt sich sogar das neue Erbschaftssteuergesetz ganz ohne Steuerberater.

Wirtschaftspolitik ist, wie der Name schon sagt, etwas für den Tresen. Denn nach zwei Bier ist alles ganz einfach zu erklären, was man nüchtern nicht versteht: etwa, daß die Energiekonzerne des gestiegenen Ölpreises wegen ihre Strompreise erhöhen, obwohl der Ölpreis sinkt. Und nach dem dritten Bier kommt menschliche Wärme auf. Da erklärt sich sogar das neue Erbschaftssteuergesetz ganz ohne Steuerberater.
Wirtschaftspolitik ist hierzulande etwas für die einfachen Botschaften. Die Linkspartei versteht es am besten, die Sache auf den Punkt zu bringen: Krise ist, weil Banker gierig und Aktienbesitzer Spekulanten sind und soziale Gerechtigkeit heißt: den Armen geben und den Reichen nehmen. Aber die obwaltende Regierung macht das auch nicht schlecht: Angela Merkel glättet beruhigend die Wogen, nennt Deutschland stark, die Nachrichten schlecht und rät ansonsten zum Abwarten. Vielleicht auch deshalb ist das Echo auf die Haushaltsdebatte im Bundestag lau gewesen. Die Opposition tut, was sie soll und klopft radikale Sprüche, die Regierung lobt sich selbst und ansonsten gilt, was Merkel die „praktische Vernunft“ nennt. Was damit gemeint ist? Mit Sicherheit bleibt alles ungewiß. Alles weitere klären wir nach dem vierten Bier.
Aber vielleicht klärt es ja auch der CDU-Parteitag, der heute abend beginnt. Die Kon-trahenten sind bereits in Stellung gegangen – in der CSU wetzt man die Messer. „Es wird knistern“, verspricht man dort. Warum? Im Leitantrag für den Parteitag werden, wieder einmal, umfangreiche Steuererleichterungen versprochen. Aber erst nach der Wahl. Das aber ist nicht nur den Mannen in der CSU zu spät. Angesichts der Finanzkri-se werden schließlich weltweit Steuererleichterungen geplant oder gefordert – in Eng-land senkt man gar die Mehrwertsteuer, etwas, das man auch hierzulande gut gebrau-chen könnte. In Frankreich mit seiner Neigung zum starken Staat wird die Zurückhal-tung Deutschlands bei konjunkturstützenden Maßnahmen ebenfalls nicht gern gesehen. Ist Angela Merkels Vorsicht, was populäre und oft genug populistische Aktionen be-trifft, also ein Fehler? Oder ist sie womöglich die einzige Politikerin weltweit mit weiser Voraussicht?
Am Tresen blickt man natürlich durch: der kleine Mann ist wie eh und je der Dumme. Er bezahlt mit seinen Steuergroschen die Rettungsaktionen für jene Wirtschaftsunter-nehmen, die aus eigenem Verschulden in die Krise getaumelt sind. Auf dem CDU-Parteitag wird der kleine Mann seine Verteidiger finden. „Mehr Netto vom Brutto“ ist ein Schlachtruf, den jeder versteht. Angela Merkel fährt offenbar einen riskanten Kurs. Aber was wäre der richtige?
Am runden Tisch nebenan, an dem die Weintrinker sitzen, weiß man, worum es wirk-lich geht. Nicht um die Krise. Nicht um die Konjunktur, die eine Steigerung der Kon-sumneigung brauchen könnte. Und nicht um eine der Lehren aus der derzeitigen Fi-nanzkrise: daß nämlich billige Kredite, nicht nur die Gier der Banker, den Anfang vom Ende bedeuteten. Da wäre dann auch über die Gier all der kleinen Leute in den USA zu reden, die ihr Häuschen bis zur Halskrause beliehen haben, des Konsums wegen… Was ein weiteres Argument für eine Steuersenkung wäre. Die aber kommt nur jenen zugute, die auch Steuern zahlen. Und das ist nicht die Mehrheit jener Mehrheit, die eine Partei für sich gewinnen muß, wenn sie regieren will. Und vergessen wir nicht: es herrscht Wahlkampf. Fast immer, derzeit aber besonders.
Schlußfolgerung: Wirtschaftspolitik ist vor allem eines nicht – eine ökonomische Kate-gorie. Wer bei den Regierungsparteien derzeit nach Krisenmanagement sucht, nach mu-tigen Strategien, die das laut Angela Merkel so starke Deutschland in bedrängter Lage stützen könnte, sucht vergebens. Wer indes die Zeichen deutet, die das jüngst von der Koalition beschlossene Erbschaftssteuergesetz aussendet, ein Gesetz, das soviele Unge-reimtheiten enthält, daß es den Verdacht nährt, es sei nur erfunden worden, um dem Stand der Finanz- und Steuerberater aufzuhelfen, der kommt der Wirklichkeit womög-lich näher. Es ist ein politisches Symbol, das nicht nur untergründig den Schlachtruf der Linken bedient: nehmt den Reichen, gebt den Armen.
Aber wer ist schon reich? Die meisten Steuerzahler in Deutschland sind es nicht. Und: sie sind mittlerweile in einer Position der Minderheit. Wichtiger für siegreiche Wahlen aber sind all jene, die von Staatsausgaben profitieren. Und die wählen entsprechend. Angesichts sinkender Steuereinnahmen sind Steuersenkungen daher keine Option für eine Partei, die nach Mehrheiten strebt.
Das ist Wirtschaftspolitik. Hierzulande. Nicht nur am Tresen.

Die Meinung, NDR, 30. 11. 2008

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