Thomas Rietzschel / 08.05.2019 / 16:00 / 24 / Seite ausdrucken

Spahn kennt kein Pardon

Der Mann hat sich nicht im Griff. Seit er zum Minister aufgestiegen ist, spielt Jens Spahn den Gesundheitssheriff. Zuerst hat er ein Gesetz auf den Weg gebracht, das vorsieht, die Organe eines jeden Bürgers nach seinem Tod als Volkseigentum zu vergesellschaften. Wer das nicht will, muss rechtzeitig Widerspruch einlegen, indes der Staat per se über die Innereien seiner Bürger verfügen kann.

Diesem ersten Spahn-Streich sollte der zweite prompt folgen: der Kampf gegen die Masern. Von der Ausbreitung einer „schweren“, gar „lebensbedrohlichen“ Gefahr ist die Rede. Um sie zu bannen, die Krankheit „auszurotten“, will der Minister eine Impfpflicht gesetzlich verhängen. Für diejenigen, die ihr nicht nachkommen, sind empfindliche Strafen vorgesehen, u.a. ein Bußgeld von bis 2.500,00 Euro.

Geht es um die Volksgesundheit, wird kein Pardon gegeben. Vor das Recht auf individuelle Selbstbestimmung, rücken die Interessen der Gesellschaft, einer Gesellschaft freilich, in der sich die Spahns den Ton angeben – und sei es um den Preis einer mutwillig ausgelösten Masern-Hysterie.

Es sterben mehr Menschen an Grippe

Zwar stimmt es, dass die Gefahr einer Ausbreitung der Infektion erst gebannt ist, wenn 95 Prozent dagegen geimpft sind. Doch beträgt die Rate in Deutschland derzeit bereits 97 Prozent bei der ersten und 93 bei der zweiten Impfung gegen die Kinderkrankheit. Auch ist, anders als suggeriert, bisher kein signifikanter Anstieg der Masern im laufenden Jahr zu verzeichnen.

Bundesweit wurden bisher 300 Fälle gezählt, 20 davon zum Beispiel in Hessen. Kein Todesfall ist zu beklagen. Ohnehin fallen der Grippe wesentlich mehr Patienten zum Opfer. Im Winter 2017/18 waren es 1.665, rund fünf Prozent der statistisch erfassten Patienten. Bis zu 15.000 Menschen sterben jährlich, weil sie sich infolge mangelnder Hygiene mit Krankenhauskeimen anstecken. Bei den Masern hingegen kommt ein Todesfall auf tausend Erkrankungen, das sind 0,1 Prozent.

Nun wollen wir nicht das Eine gegen das Andere aufwiegen, so tun, als könne man die Infektion auf die leichte Schulter nehmen. Jedes verlorene Leben ist eines zu viel. Nur ist die Lage eben beileibe nicht so dramatisch, wie uns die Politik glauben machen will, der christdemkratische Minister im Einklang mit dem sozialdemokratischen Koalitionspartner. Wer stattdessen den Eindruck erweckt, es drohe eine Epidemie, Pest und Cholera stünden ins Haus, weiß nicht, wovon er redet. Womöglich schürt er sogar Ängste, um sich als Retter aufzuspielen.

Die Ärzteverbände mögen dafür handfeste Gründe haben. Ein schneller Euro ließe sich bei einer gesetzlich verordneten Fließbandbehandlung allemal machen. Die Spritzen sind ruckzuck gesetzt. Die Pharmaindustrie könnte die Produktion der Impfstoffe hochfahren. Das Verfolgen wirtschaftlicher Interessen ist weder diesen noch jenen vorzuwerfen.

Wen sollen die Kinder anstecken?

Worum aber geht es Jens Spahn, dem Politiker? Denn angesichts der bereits bestehenden Impfquote von wenigstens 93 Prozent rennt er mit seiner Gesetzesinitiative doch nur offene Scheunentore ein. Wen sollten die Kinder, deren Eltern sich bewusst gegen die Vorsorge entschieden haben, wen sollten sie anstecken? Die Überzahl derer, die geimpft sind? Dann freilich müsste man die Impfaktion überhaupt in Frage stellen. Wozu würde sie taugen, was taugte das Präparat, wenn weiterhin mit einer Infektion gerechnet werden müsste?

Das kann nicht sein. Die Versuche medizinischer Rechtfertigung hinken. Eher schon ließe sich das Ganze politisch erklären. Erstens könnte sich der Minister umso mehr rühmen, mit der Impfpflicht eine Krankheit „ausgerottet“ zu haben, je mehr er die Gefahren aufbauscht. Und zweitens macht er die Bürger damit gefügig. Je mehr sie sich ängstigen, desto bereitwilliger erdulden sie den Durchgriff der Politik bis in den privatesten Bereich. Der Gesundheitssheriff weiß, was er tut. Ob er auch weiß, wie es sich mit der Freiheit des Einzelnen, mit seinem Selbstbestimmungsrecht in der Demokratie verhalten sollte, ist eine andere Frage – nicht von Bedeutung für einen, der es noch weit bringen wird im deutschen Obrigkeitsstaat.

Die Tore, die er einrennt, stehen ihm offen.

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Leserpost

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Matthias Braun / 08.05.2019

” Zwang: Die Beredsamkeit der Macht.” ( Ambrose Gwinnett Bierce )

Werner Geiselhart / 08.05.2019

Es gibt halt bestimmte Gebiete, z.B. in Bayern bzw. Milieus, z.B. Waldorfschulen, in denen die Impfdichte wesentlich geringer ist, so zwischen 50 und 75%. Und da ist es wirklich ein Problem. Man steckt sich oft sogar bewußt gegenseitig an, die Anthroposphen, diese Idi…  glauben, ein Kind muss das durchgemacht haben, um gestärkt durchs Leben zu gehen. Was für eine Qual das für das Kind ist, habe ich selbst durchgemacht, da es damals noch keine Impfung gab. Der Vergleich mit Grippe zeigt eben, dass hier die Impfrate viel zu gering ist, speziell im höheren Alter. Da müssten es auch keine 15000 Tote geben, wenn sich Alle impfen ließen. Alles hat seine zwei Seiten, beim Impfen stehe ich ganz klar auf der einen Seite!

H. Schmidt / 08.05.2019

Eine Impfung bitte gegen diesen ausufernden Politikerwahn. Nun soll als die Gesundheit des Bürgers verstaatlicht werden. Wer nicht macht was der Staat vorgibt lebt ungesund, nachlässig gegenüber seinen Mitmenschen und ist somit ein Krimineller der bestraft werden muss. Schönes, neues Deutschland. Wer wählt solche Typen eigentlich? Wenn das so weiter geht leben alle Deutschen in Isolationshaft und werden täglich desinfiziert. Rette sich wer kann!

Thomas Schade / 08.05.2019

Für manchen wäre eine Impfung gegen Überehrgeiz empfehlenswert.

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