Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 03.09.2024 / 14:00 / Foto: Imago / 18 / Seite ausdrucken

Späterer Rückflug der Starliner-Astronauten

Am 6. Juni dieses Jahres waren Butch Wilmore und Suni Williams (siehe Foto oben) an Bord des Boeing Starliners zur ISS geflogen, um eine Woche dort zu verbringen. Jetzt verschiebt sich der Rückflug aus technischen Gründen etwas.

Man wird wohl auch ein anderes Verkehrsmittel benutzen müssen: den Crew Dragon von Boeings Erzfeind SpaceX. Neuer Termin für die Heimreise ist jetzt Februar 2025.

Das Projekt der Internationalen Raumstation ISS wurde 1998 gestartet und von da an fortlaufend aus unterschiedlichen Modulen zusammengesetzt und erweitert. Das Konstrukt hat heute eine Ausdehnung von etwa 100 Metern, wobei die riesigen Solarpanels wesentlich zu diesen Dimensionen beitragen. Dafür liefern die immerhin 100 Kilowatt, unabhängig vom Wetter, aber nicht unabhängig von Tag und Nacht. Die dauern hier oben jeweils 45 Minuten, nach anderthalb Stunden ist man also einmal um die Erde rum. Die Flughöhe beträgt 400 km, da herrscht schon fast völliges Vakuum. Zum Mond wäre es übrigens 1.000-mal so weit.

Seit anno 2000 ist die ISS permanent bewohnt. Es gibt Platz für maximal 10 Personen, allerdings nur in Ausnahmefällen, etwa beim Wechsel der Besatzung. Sauerstoff wird durch Elektrolyse von Wasser in seine Bestandteile H2 und O2 gewonnen, Strom dafür hat man ja genug. Und woher kommt das Wasser? Dafür gibt es auf der ISS einen total geschlossenen Kreislauf, kein Tropfen geht verloren. So ist das Leben im Weltraum. Hin und wieder, so alle zwei oder drei Monate, kommt auch Nachschub per Weltraumfrachter, und da ist dann auch frisches Wasser dabei; ja, und auf dem Rückflug werden dann auch die verschiedenfarbigen Müllsäcke mit zurück zur Erde gebracht.

Per „Uber“ zur ISS

Die  Versorgungsflüge sind meist unbemannt und werden nicht nur von den USA und Russland durchgeführt, sondern auch von anderen ISS-Partnerstaaten. Bemannte Flüge sind hinsichtlich Sicherheit und wegen der notwendigen Life Support Systeme wesentlich anspruchsvoller. Die Russen haben dafür ihre Sojus Vehikel im Einsatz, die Amerikaner benutzten bis 2011 das Space Shuttle. Insgesamt wurden bis heute einige hundert Flüge zur ISS durchgeführt.

2011, nach dem Ende des Shuttle Programms, hatten die USA kein eigenes Transportsystem mehr und mussten quasi „Uber“-Dienste der Russen in Anspruch nehmen. Diese Anhängigkeit war auf die Dauer nicht akzeptabel und so beauftragte die NASA 2014 die Firmen Boeing und SpaceX parallel mit der Entwicklung neuer Raumfahrzeuge. SpaceX erhielt 2,6 Milliarden US-Dollar für die Entwicklung des „Crew Dragon“ und Boeing sollte für 4,2 Milliarden den Starliner bauen. Im Mai 2020 war dann der „Crew Dragon“ von SpaceX einsatzbereit und hat seither ein Dutzend Flüge absolviert.

Die Entwicklung des Starliners, der ursprünglich 2017 zur Verfügung stehen sollte, verzögerte sich dramatisch, und auch das Budget wurde erheblich überschritten. Der erste erfolgreiche, unbemannte Flug im Orbit fand dann endlich im Mai 2022 statt.

Unbemannt zurück zur Erde

2024 war es dann so weit, dass man der Starliner-Kapsel auch menschliche Wesen anvertrauen konnte. Am 6. Juni traten die Astronauten Butch Wilmore und Suni Williams die Reise zur ISS an. Andocken und Umzug in die Station waren zwar problemlos, aber sie beobachteten während der Annäherung gewisse Anomalitäten mit den Düsen für Antrieb und Lagekontrolle. Und so kam die NASA zu dem Schluss, dass es zu riskant wäre, diesen Starliner auch für den Rückflug zu benutzen. Man würde die Kapsel unbemannt und ferngesteuert zur Erde zurückholen, und die Besatzung müsste auf den nächsten Transfer warten – der ist jetzt für Februar 2025 vorgesehen, per „Dragon“ von SpaceX.

Für Boeings Renommée ist das natürlich eine Katastrophe. Nach den diversen Unfällen mit der 737 und auch Problemen mit anderen Modellen ist das Prestige der ehemaligen Nummer Eins der Luftfahrtindustrie ohnehin schon am Boden. Und so versuchte Boeing die NASA zu überzeugen, dass der Rückflug des Starliners samt Besatzung durchaus zu verantworten wäre. Die NASA wiederum leidet immer noch unter den verheerenden Abstürzen der Shuttles Challenger und Columbia und betreibt jetzt ein möglicherweise übertriebenes Risikomanagement. Als Auftraggeber hat sich NASA natürlich durchgesetzt.

Wenn man bedenkt, dass es der NASA einst gelungen war, innerhalb von 10 Jahren das Apollo Programm mit sechs unfallfreien Mondlandungen zu verwirklichen, und dass Boeing vor zwei Generationen Flugzeuge entwickelte, deren Silhouetten noch heute fast unverändert den Himmel bevölkern, dann kann man der Frage nicht ausweichen: „Was konnten die damals, was wir heute nicht mehr können?“ Und man muss bedenken, dass die damals weder Computer zur Verfügung hatten noch Ingenieurinnen.

 

Hans Hofmann-Reinecke studierte Physik in München und arbeitete danach 15 Jahre in kernphysikalischer Forschung. In den 1980er Jahren war er für die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien als Safeguards Inspektor tätig. Er lebt heute in Kapstadt. Dieser Artikel erscheint auch im Blog des Autors Think-AgainDer Bestseller Grün und Dumm, und andere seiner Bücher, sind bei Amazon erhältlich.

Foto: Imago

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Leserpost

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M. Corvinus / 03.09.2024

Woran Boeing krankt? Sie hatten 1996 McDonnel Douglas übernommen, aber deren Manager übernahmen Boeing am Ende faktisch (damals gab es das geflügelte Wort, McDonnell Douglas habe Boeing mit Boeings Geld gekauft). Ab da stachen die Kaufleute die Techniker, das kennen wir ähnlich ja von Mercedes. Die unerfreulichen Details sind zu finden mit den Suchbegriffen “krautreporter boeing kapitalismus” (Artikel vom 15.08.2024).  +++  @ 737 MAX “„Dieses Flugzeug wurde von Clowns entworfen, die dabei von Affen überwacht wurden” (ein Mitarbeiter).

Michael Woelki / 03.09.2024

@ Dr. Thomas Dörfler / 03.09.2024 „Herr Hofmann-Reinecke, natürlich gab es auch schon damals weibliche Ingenieure und Wissenschaftler. Was es nicht gab war Ingenieurende und Wissenschaffende.“ So ist es, denn damals mussten die Ingenieurinnen aber auch noch durch Leistung überzeugen, um an solchen Projekten mitarbeiten zu dürfen. Heute reicht es, zu menstruieren

Fred Burig / 03.09.2024

@Dr. Thomas Dörfler:”... Dr. Thomas Dörfler / 03.09.2024 ....... Herr Hofmann-Reinecke, natürlich gab es auch schon damals weibliche Ingenieure und Wissenschaftler. ”  ...... Und mal nur so zur Erinnerung. Es gab damals auch Tiere ( z.B. den Affen “Albert II” und die Hündin “Laika” ) die das Risiko unzureichender Erkenntnisse in der Raumfahrt noch mit dem Leben bezahlen mussten ..... quasi als “Pioniere” und gleichsam “tragische Helden” der “bemannten” Raumfahrtgeschichte ...... MfG

Ralf Pöhling / 03.09.2024

Wenn ein System nicht nur zu kompliziert wird, weil es von immer mehr völlig verschiedenen Menschen gesteuert wird deren Bildungsgrad nicht nur nichts mehr mit der Qualität vergangener Tage zu tun hat, sondern sich auch noch aus Hörensagen und einem verfremdeten Weltwunschbild speist, geht natürlich alles den Bach runter. Die Komplexität steigert sich durch die Einbindung unzähliger Komponenten und Schritte bei Hard-/Software, die früher so gar nicht da waren. Nachlassender Bildungsgrad und verfremdetes Weltwunschbild kommen durch eine globalisierte Weltgeneration, die kulturell, propagandistisch und historisch bedingt nicht nur völlig unterschiedlich denkt, sondern sich ihr Weltbild anhand von weltfremden Hollywoodfilmen, Computerspielen und Eindrücken in ihrem ganz persönlichen direkten Umfeld zusammenreimt. Stichwort: Weltinnenpolitik. Die arbeiten dann alle gemeinsam an der selben Sache und verstehen sich gar nicht. Ich habe das Problem schon lange vor Augen: Man redet mit 10 Leuten, sagt allen 10 Leuten das selbe und alle 10 Leute tun dann was anderes, weil sie unter dem selben Wort alle etwas anderes verstehen. Multikulti tut’s einfach nicht. Das woke Umschreiben der Geschichte führt dabei nicht etwa zur Reduktion des Konfliktpotentials, sondern nur dazu, dass die unausgesprochenen Wahrheiten einzelner Kulturen im internationalen Kontext einer globalisierten Welt verloren gehen und der Fake dann zur Wahrheit wird. Dann ist 1 + a (die Variable ist hier die unausgesprochene Wahrheit) plötzlich nicht mehr 3, sondern je nach individueller kultureller Interpretation etwas anderes ist, weil keiner mehr weiß, dass ursprünglich a = 2 sein soll, man aber über das geheime Rezept eben nicht redet. Am Ende hat man ein dysfunktionales Team, was nur noch Fehler macht und sich gegenseitig dafür die Schuld zuschiebt. Anders ausgedrückt: Wenn ich eine echte und wirklich gute Pizza will, gehe ich zum Italiener und nicht zu einer internationalen Kette wie Pizza Hut.

Sabine Heinrich / 03.09.2024

Hmmm - wieso musste ich da sofort an die Deutsche Bahn denken? Hat sie übernommen?

Werner Geiselhart / 03.09.2024

Der verschmitzte Hinweis “Ingenieurinnen” soll wohl auf das Hauptproblem von Boing hinweisen, nämlich den von woken Chefs betriebene Wandel von einem technologiegetriebenen, effizienten, qualitätsbewussten Hersteller zu einer diversitatsbesessenen, antirassistischen Besserungsanstalt. Eingestellt wurde nicht mehr nach Qualität und Können, sondern nach Geschlecht und Hautfarbe, nicht die Besten kamen, sondern die auf der Wokismus-Liste ganz vorne stehenden. Man versucht gerade wieder nachzubessern, wird aber schwierig. Ich versuche derzeit, nicht mit Ryanair zu fliegen, die fliegen hauptsächlich die aufgemotzten 737er. Es ist das erste Mal, dass mir dann beim Fliegen mulmig wird.

Arnold Balzer / 03.09.2024

„Was konnten die damals, was wir heute nicht mehr können?“  Vielleicht liegt es doch daran, dass die früher Nichtgendern konnten - das können oder dürfen sie heute nicht mehr. Vielleicht liegt es doch daran, was Hadmut Danisch immer wieder bei passender Gelegenheit zitiert “Quality is a myth!”, wenn wieder einmal eine XX-chromosomale Flitzpiepe auf einen entscheidungsträchtigen Posten gehoben wurde, und dort ihren flachgeistigen Stuss absondern und den noch verbliebenen Vernunftbegabten als Maxime oktroyieren darf.

Christa Born / 03.09.2024

Was die damals hatten? Die mussten noch selber denken.

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