Gastautor / 04.12.2010 / 22:00 / 0 / Seite ausdrucken

Später Sieg für Enoch Powell

Erich Wiedemann

Der britische Altkonservative Enoch Powell ahnte, was auf Europa zukam. In seiner berühmten Rede am 20. April 1968 bezeichnete er die permissive Einwanderungspolitik seiner Regierung als tödliche Gefahr. Um Kultur und Gesellschaft vor schwerem Schaden zu bewahren, müsse man Dämme bauen.

Obwohl er breite Rückendeckung im Volk hatte, wurde „her majestie´s first racist“, wie ihn der„Guardian“ nannte, für seine Rede durch den Verlust seiner Parteiämter und des Verteidigungsressort im Schattenkabinett von Edward Heath abgestraft. Wobei die Strafe vielleicht nicht so hart ausgefallen wäre, wenn Powell die Rede nicht - ohne sich dessen bewußt zu sein - ausgerechnet an Führers Geburtstag gehalten hätte.

Die konservative Regierung von Großbritannien hat jetzt, 42 Jahre später, ein Gesetz beschlossen, das den Zuzug von Ausländern an die wirtschaftlichen Bedürfnisse Großbritannien koppeln und die jährliche Einwanderungsquote drastisch zurückfahren soll. Die Bevölkerung soll nicht über die 70-Millionen-Marge steigen.

Auch der Kontinent braucht Dämme. Die übernächste Generation wird in einigen Ländern Europas Gesellschaften erleben, in denen Einwanderer und ihre Nachfahren die Bevölkerungsmehrheit stellen. In Turin sind schon heute ein Viertel, in Paris ein Drittel und in London die Hälfte der Neugeborenen Kinder von Migranten.

Weil türkische Frauen besonders gebärfreudig und deutsche Frauen besonders gebärmüde sind, vollzieht sich der demografische Wandel in Deutschland am schnellsten. Der Reiseunternehmer und Ex-Europaabgeordnete Vural Öger hat der Istanbuler Zeitung „Hürryet“ in einem Interview erzählt, bis zum Jahr 2100 werde es in Deutschland 35 Millionen Türken und zwanzig Millionen Deutsche geben. „Das, was Kamuni Sultan Süleyman 1529 mit der Belagerung Wiens begonnen hat“, so sagte er, „werden wir über die Einwohner, mit unseren kräftigen Männern und gesunden Frauen verwirklichen.“ Kurzum, in knapp hundert Jahren wären dann nicht mehr die Eingewanderten, sondern die Einheimischen die Parallelgesellschaft.

Öger hat seine Bemerkung später mit Bedauern zurückgenommen. Aber selbst wenn er recht behalten würde, gäbe es keinen Grund zur Panik. Die türkischen Einwanderer in Deutschland sind - im Vergleich zu den arabischen in Frankreich und den pakistanischen in Großbritannien - relativ friedlich. Rassenkrawalle sind nicht zu befürchten. Und die Bombenleger kommen von anderswo.

Es gibt auch kein Anlaß, sich um reines Blut und Leitkultur zu sorgen. Wer nicht will, muß sich nicht vermischen. Und das Hofbräuhaus wird auch keine Kebab-Kaschemme.

Die neue Welt erlebt eine ähnlich dramatische Völkerwanderung wie die alte. Jedoch, im Melting Pot Nordamerika koexistieren Europiden, Schwarze, Hispanics und Asiaten seit Jahrzehnten ganz leidlich miteinander. Vielleicht auch weil die Amerikaner kein großes Gewusel um die Integration machen. Wer sich in die Gemeinschaft einbringen will, ist willkommen. Wer es nicht will, läßt es bleiben. Er braucht sich bloß zu den kulturellen demokratischen Grundwerten zu bekennen. Der Rest ist Privatsache. “Diversity within Unity” heißt das, Vielfalt in der Einheit.

Weil die - legalen, nicht die illegalen - Einwanderer meßbar qualifizierter und fleißiger sind als die Einheimischen, ist in Nordamerika die große Rochade nicht zum Nachteil, sondern eher zum Vorteil der Volkswirtschaft. Japaner, Koreaner und Chinesen, die nur vier Prozent der US-Bevölkerung ausmachen, stellen 30 Prozent der Software-Ingenieure. Der Anteil der Hochschulabsolventen ist bei ihnen fast doppelt so hoch wie bei den weißen Amerikanern.

In Kanada und den USA, dem Geltungsbereich des Leistungsprinzips, wo jeder für seinen Lebensunterhalt arbeiten muß, können Einwanderer nicht von Transferleistungen leben. Staatliche Hilfe ist karg und wird auch erst nach langen Übergangszeiten gewährt.

Anders EU-Europa. Die üppig ausgestatteten europäischen Sozialsysteme üben eine fatale Sogwirkung auf das Präkariat im EU-nahen Ausland, vor allem in der Türkei, aus. Für die Gastgeber ist das ein schlechtes Geschäft. Weil die eingewanderten Türken der Solidargemeinschaft auf der Tasche liegen.

Etwa die Hälfte der jungen Türken, die sich in der Union niederlassen, hat keine Berufsausbildung. Sie sind auch in der Türkei schwer vermittelbar. Weil die Sozialhilfesätze im Kernland der EU weit höher liegen als das Durchschnittseinkommen in der Türkei, bemühen sich viele in Europa auch gar nicht erst ernsthaft um einen Job. Deshalb sind Muslime, statistisch gesehen, auch dreimal so häufig arbeitslos, wie es ihrem Bevölkerungsanteil entspricht.

In Deutschland stieg die Zahl der Ausländer, die meisten von ihnen Türken, zwischen 1970 und 2003 von drei auf siebeneinhalb Millionen. Die Zahl der versicherungspflichtigen Erwerbstätigen unter ihnen dagegen blieb bei 1,8 Millionen stehen.

Die Möglichkeiten zur Schadensbegrenzung liegen auf der Hand. Die wichtigste: Einwanderungspolitik nach Maß, ganz gleich, ob mit oder ohne Punktesystem. Also: Mehr Anreize für Leistungsträger, weniger Anreize für Leistungsverweigerer. Aber wer so ein Programm erörtern öffentlich will, muß die Rassismuskeule fürchten - oder, wenn er prominentes Mitglied einer Volkspartei ist, den Parteiausschluß. Deshalb wird das Problem in Deutschland weiterhin konsequent unter den Teppich gekehrt.

Großbritannien hat mit der Einführung der Zuzugsquote immerhin einen ersten Damm gebaut. Posthum ein Sieg für Enoch Powell. Doch die Einsicht der politischen Klasse kommt spät. Vielleicht zu spät. Birmingham, wo Powell seine Rede hielt, ist heute die erste britische Großstadt, in der die Briten in der Minderheit sind.

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