Archi W. Bechlenberg / 17.07.2016 / 06:00 / Foto: Emmanuel Eslava / 20 / Seite ausdrucken

Sorry, heute kein Antidepressivum zum Sonntag

Als ich Freitagmorgen wach wurde, aber noch nicht sofort aufstehen musste, dachte ich darüber nach, welchem Thema ich das heutige Antidepressivum widmen könnte. Drei Bücher kamen in Frage, drei amüsante bis witzige Neuerscheinungen; keines von ihnen so gewichtig, dass ich einen epischen Text darüber schreiben könnte, aber die drei gemeinsam vorzustellen würde für ein paar Minuten Lesezeit sorgen. Und dann liefen über das Display meines Telefons die Breaking News , und darin ging es um Nizza und um das, was dort passiert war, während ich geschlafen hatte.

Ich kenne die Promenade des Anglais in Nizza, sie ist eine ganz besonders prächtige unter den Prachtstraßen dieser Welt, im Süden glitzert das Meer und auf der Nordseite stehen die eindrucksvollen Bauten von heute und damals, so wie das Hotel Negresco und das Casino. Man sieht es auf Fotos im Hintergrund des gestoppten Terrorfahrzeugs.

Wie soll ich dagegen anschreiben, gegen diesen neuen Terrorangriff auf unschuldige Menschen und unsere freiheitlichen Gesellschaften? Wie soll ich da zur geplanten Vorstellung von drei spaßigen Büchern umschalten? Mir gelingt das nicht, jetzt am Freitagnachmittag, und wohl auch morgen nicht, und so entschuldige ich mich hier dafür, dass ich Ihnen diesen Text, der ganz gewiss kein Antidepressivum wird, am Sonntag zumute. Ich habe heute Mittag das Foto eines toten Kindes gesehen, das auf der Straße unter einer Decke liegt, davor seine Puppe.

Ich habe heute zum ersten Mal seit sehr vielen Jahren geweint, als ich dieses Bild sah, und ich bin wirklich nicht nahe am Wasser gebaut. Und ich spüre eine große Wut in mir. Wut gegen den Mörder und seinen ideologischen Hintergrund, den Islam. Und gegen alle die, welche selbst heute, wenige Stunden nach Nizza, schon wieder mit Relativierungen und Verharmlosungen daher kommen. Man solle mal mit einheimischen Türken sprechen, welchem Rassismus die ausgesetzt seien, dann wisse man, warum Leute so etwas tun. Was will man so jemandem noch antworten? Dass es ihrerseits purer Rassismus ist, Moslems zu unterstellen, sie könnten sich alleine durch Terrorismus gegen tatsächlichen oder vermeintlichen Rassismus wehren?

Es fallen mir keine moderaten Worte zu diesen Taten ein

Ich gebe zu, ich bin unendlich wütend im Moment, und vorhin habe ich einen wirklich langjährigen Freund aus meinen Facebook-Kontakten entfernt, denn es fallen mir keine moderaten Worte zu diesen Taten ein, und wer wie er versucht zu relativieren bekommt das deutlicher als je zuvor von mir zu hören. Ich habe eben ein von einem Passanten in Nizza aufgenommenes Video gesehen, die Menschen darauf sind noch nicht einmal mit Planen abgedeckt, so blutig frisch ist der Clip. Diese Menschen haben gestern um diese Zeit noch gelebt, sind in der Sonne und unter strahlendem Himmel die prachtvolle Strandpromenade entlang spaziert oder haben Pläne fürs Wochenende gemacht; sie waren Einheimische und Touristen, Erwachsene und Kinder, sie haben sich auf ein spektakuläres Feuerwerk über dem nächtlichen Mittelmeer gefreut, so wie die Konzertbesucher in Paris auf Musik und die Reisenden in Brüssel auf ihren Urlaub und auch wie die Opfer des Islams in Istanbul und in Ankara und in Tel Aviv und Jerusalem und Tunesien …bestimmt habe ich etwas vergessen.

Wir werden uns bald Listen machen müssen, um die jeweils letzten Taten im Namen Allahs noch im Überblick zu behalten; es sind ja nicht alleine die Massenmorde, die das Treiben der Terroristen ausmachen. Da werden ein französischer Polizist und seine Frau in ihrem Haus umgebracht, ein britischer Soldat auf offener Straße, ein Handwerker, der von seinem Angestellten den Kopf abgeschnitten bekommt, damit dieser in ein Chemieunternehmen bei Lyon eindringen kann... Und was fällt unseren guten Menschen dazu ein? So etwas: „Mir wird ganz flau im Magen, was die Menschen mit Migrationshintergrund sich den ganzen Tag für einen Scheiß anhören müssen. Da wunderts mich nicht, dass n paar davon steil gehen.“ Wer bitte hört sich denn  „Scheiß“ an? Doch wohl derjenige, der damit nichts anderes tut als einen Rechtfertigungsversuch für das Ungeheuerliche zu unternehmen! Der unbedacht und ohne Nachzudenken übernimmt, was ihm Menschen mit Migrationshintergrund erzählen. Wenn ich Frösche frage, werden die mir auch nur erzählen, wie schrecklich sie die Lebensbedingungen in ihren Teich finden und dass die Reiher so gar keinen Respekt vor ihnen zeigen.

Von hundert Zuwanderern sei „höchstens einer ein potenzieller Terrorist“, soll sagen: Ihr nehmt hundert in Generalverdacht wegen einer einzigen Nase. Ja, das genau müssen wir. Was ein einzelner ausrichten kann haben wir ja soeben wieder erleben müssen. Macht es niemanden stutzig, dass der Massenmörder weder den Sicherheitsbehörden noch seinem Umfeld als Anhänger des radikalen Islams bekannt war? War das nicht auch so bei dem Attentäter, der in Tunesien am Strand Dutzende Menschen erschoss? Und bei dem Kopfabschneider von Lyon? Es ist schrecklich, das sagen zu müssen, aber ich lasse mich lieber als Rassist diffamieren, als die nötige Vorsicht gegenüber bestimmten ethnischen Gruppen zu vernachlässigen.

Wen bitte meint Roth mit „wir“?

Im Internet diskutieren Frauen allen Ernstes darüber, ob sie sich rassistisch verhalten, wenn sie einer Gruppe fremdländischer Männer auf der Straße ausweichen, schließlich wüssten sie ja nicht, ob es nicht Rassismus sei, sich so zu verhalten. Ich fasse mich bei solchen hochdramatischen Gewissenskonflikten wirklich mit beiden Händen an den Kopf. Und so geht es munter in „den Netzen“ weiter, während zugleich die toten und lebenden Opfer des Tunesiers von ihren Freunden und ihrer Familie beweint werden. Man muss schon einen voluminösen Kübel neben sich stehen haben, wenn man tatsächlich lesen möchte, was Appeaser wie Claudia Roth zu Nizza ablaichen. „Die richtige Antwort auf diese Gewalt kann deswegen nur unser unbedingter Wille zu einem friedlichen Zusammenleben, zu inklusiven und solidarischen Gesellschaften, zur Freiheit, zur Toleranz, zum Respekt und zur Vielfalt sein.“ Wen bitte meint Roth mit „wir“? Auch derzeitige und anstehende Terroristen? Die werden sich einen Dreck um das scheren, was eine schrille Figur in Deutschland anmahnt. Und daher sind solche Aufrufe für die Islamterroristen höchstens einen rauen Lacher wert. Ja, seid ihr mal weiter so tolerant. Wir machen das Beste daraus!

Natürlich ist in Deutschland, wo man sich mehr Sorgen über Chlorhühnchen und Glyphosat als über Islam intra muros macht, die Palette der Dummheiten so grenzenlos wie das Land inzwischen selber. Der Anschlag von Nizza habe nichts mit dem Islam zu tun, wahre Muslime würden andere Menschen achten und lieben, Terror habe keine Religion, wir seien doch selber mitschuld, so wie der Westen mit den Moslems umgehe, die Christen hätten damals auch getötet, und wie war das mit den Kreuzfahrern und später den Kolonisatoren, und das Schlimmste wäre doch, jetzt würden die  Rechten das nur wieder instrumentalisieren. Man dürfe auf gar keinen Fall den Kampf gegen diejenigen vernachlässigen, die ein „völkisches Deutschland“ wollten. Man solle sich fragen, „Was bitte hat den Attentäter dazu bewegt, Unschuldige zu ermorden, statt gegen die Urheber (Was ist damit gemeint? Die Leute, die ihn beim Boulespielen nicht mitmachen ließen?) vor zu gehen?“ Besonders kreativ fand ich auch dies: „Den schlimmsten Anschlag der jüngeren Geschichte in Frankreich hat kein Moslem verübt. Sondern ein Deutscher. Andreas Lubitz.“  Ach, ich kann es nicht mehr hören und lesen! Dümmeres mag vielleicht schon früher einmal gesagt worden sein, aber es gibt für diese Annahme keine zuverlässige Quelle.

Ich war vorhin einige Stunden im Wald

Bei Phoenix dauerte es erwartungsgemäß Freitagmorgen nicht lange, bis zum ersten (und wahrscheinlich nicht letzten Mal) das Wort „Islamophobie“ erklang. Ich habe mich danach den Medien als Zuhörer und -schauer über den Tag verweigert; der Ekel hätte mich wohl sonst gänzlich überkommen. Nun weiß ich leider nicht, ob Frau Kässmann schon für den Mörder gebetet hat. Und ich weiß nicht, welche hohlen Phrasen unsere Verantwortlichen, begleitet von Krokodilstränen, wieder von sich gegeben haben. Hat Justizminster Maas schon weitere Maasgaben gegen Rechts angekündigt? Macht IM Victoria jetzt zusätzliche Nachtschichten, tatkräftig unterstützt von ihrer Adlatin Julia Schramm, die bei Facebook schrieb, Deutschland müsse „abgeschafft“ werden und „getötet“? Und hoffentlich hat Herr Mazyek heute daran gedacht, in seiner Erklärung Datum und Ort der Mordtat richtig zu nennen.

Ich war vorhin einige Stunden im Wald, zwischen Hasen und Vögeln und untergehender Sonne und Dreiviertelmond, das entspannte ein wenig, aber nun ist die Wirkung wieder verflogen. Klaus Kelle schrieb mir derweil im Focus aus der Seele: „Ich höre schon die ersten Beschwichtiger, die jetzt sagen werden: Ja, die müssten raus, aaaaaber…. ihre Heimatländer nehmen sie ja nicht zurück. Und in ihren Heimatländern sind die Menschenrechte nicht gewahrt. Wissen Sie was? Es ist mir scheißegal. Schafft sie meinetwegen an den Nordpol. Ich bin es leid, immer wieder diese Bilder zu sehen, Blut auf dem Straßenpflaster, zerfetzte Körper, zugedeckt mit dunkelblauen Tüchern, ein totes Kind mit einer Puppe neben sich.“

Ja, die Beschwichtiger. Sie sind für mich mitschuldiger als jeder, der den türkischen oder maghrebinischen Migranten „nicht den nötigen Respekt“ entgegen bringt. Sie sind mitverantwortlich dafür, dass auch bei uns in Deutschland, vom dem Maas bis an die Merkel, niemand mehr sicher ist und dass es schon so weit ist, dass Volksfeste und Großveranstaltungen mit Panzern (!) gesichert werden müssen. Sie sind für das mitverantwortlich, was noch alles kommen wird. Ihr naiver Traum von einer bunten, friedlichen Multikultigesellschaft zusammen mit Millionen von weiteren Muslimen ist eine Schimäre, ein Woelkikuckucksheim und eine tödliche Gefahr für den Fortbestand der westlichen Demokratien. Allen voran Deutschland. Wie ach zu oft.

P.S.: Lesen Sie die Bücher von Hamed Abdel-Samad über den Islam und Mohammed. Lesen Sie Broder. Und hören Sie Musik. Adagio for Strings von Samuel Barber oder Malena von Ennio Morricone oder Wise One und Lonnie´s Lament  von John Coltrane. Falls Ihnen danach ist, auch „Always look at the bright side of live“ von Monty Python. Sie finden alles auf Youtube. Und bitte sehen Sie mir nach, dass mir an diesem Wochenende nicht nach Jux zumute ist. Danke.

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Leserpost

netiquette:

John Farson / 17.07.2016

Es reicht! Wir alle sehen es… und tun nichts… Die Straßen müssten voll sein. Voll von Protest. Stattdessen liegen unsere Kinder tot auf der Straße und Medien und Politik erklären uns, warum das was wir alle wissen, ganz anders ist.

Peter Helling / 17.07.2016

Sehr geehrter Herr Bechlenberg, Sie sind nicht allein! Ich hab’ auch geheult. LG Peter Helling

Judith Jannach / 17.07.2016

stimme zu ..aber was tun?

Torsten Foelsch / 17.07.2016

Alles gesagt. Mir geht es seit Monaten genau so!

Wolfgang Kaufmann / 17.07.2016

Mars Attacks kann ich auch empfehlen. „Wir kommen in Frieden“ (gnääk gnääk hihihi hihi gnäck).

Mensik / 17.07.2016

Gottseidank gibt es in D noch Menschen wie Sie…Ihr Beitrag spricht mir und vielen meiner Bekannten aus der Seele! Wir fragen uns staendig was denn los sei in D…woher kommt diese selbstzerstoerende Refugee-Welcome-Kultur…?Es ist fuer uns in Tschechien unfassbar was aus der ehemaligen echten Demokratie D gerade ensteht: Meinungsfreiheit abgeschafft, jede Menge naive Gutmenschen, kriminelle Asylanten die niemand mehr aus dem Land bekommt, eine ohnmaechtige und hilflose Polizei…ich hoere hier auf mit einer weiteren Auflistung der massiven Probleme… Bekommt das bitte in den Griff oder ein freies Europa ist Vergangenheit… Pavel Mensik

Thomas Krefeld / 17.07.2016

Ich kann Sie gut verstehen. Leider stehen 90% Ihrer Kollegen auf der falschen Seite.

Heinrich Maetzke / 17.07.2016

“Sie sind für das mitverantwortlich, was noch kommen wird”, schreiben Sie sehr richtig über Merkel und Maas. Als Geschichtslehrer denkt man daran, wie wir heute über diejenigen urteilen, die vor achtzig Jahren sehen konnten, was kommen würde - und es geschehen ließen, nichts unternahmen, nicht einmal 1940, 1941 oder 1942 als die Katastrophe für jedermann sichtbar voll im Gange war. Sie ließen der Katastrophe freien Lauf bis zum bitteren Ende. Und wir? Auch wir wissen, wie es weitergeht, was kommen wird. Und unternehmen nichts, lassen es geschehen. 50 Jahre lang soviele Sonntagsreden über unsere jüngste Geschichte, aber gelernt haben wir nichts. “Das ist das Ende”, hat vor genau 75 Jahren mein Großvater - ein Arzt in Görlitz - gesagt am 22. Juni, nach dem Überfall auf Russland. Seit mein Vater mir das erzählte, frage ich mich: Was muss das für ein Gefühl sein, das Ende, die vollständige Katastrophe auf sich zukommen sehen - und ausgeliefert zu sein, wissen, dass man nicht entweichen und nichts unternehmen kann. Jahrelang. Ich fange an, es zu ahnen. Nur: So genau wollte ich es eigentlich gar nicht wissen, so konkret wollte ich Geschichte gar nicht lernen. Mein Pech, unser Pech.

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