Vera Lengsfeld / 28.03.2021 / 14:00 / 12 / Seite ausdrucken

Sonntagslektüre: „Auf der Suche nach dem verlorenen Deutschland“

„Auf der Suche nach dem verlorenen Deutschland“, das neue Buch von Max Otte, ist sein persönlichstes und sein bestes. Es ist durchzogen von Melancholie und macht dennoch Hoffnung, weil es zeigt, worauf Menschen in unsicheren Zeiten bauen müssen: auf ihre Wurzeln. Die hat jeder, aber manchen sind sie verdorrt, weil sie den Kontakt zur Erde verloren haben, die sie nährt. Aber auch verdorrte Wurzeln können revitalisiert werden, wenn sie den richtigen Nährboden finden.

Otte, der gesteht, in seinen fast 60 Jahren vier Leben gelebt zu haben, ist zu seinem ersten zurückgekehrt und hat Wurzeln geschlagen.

Sein Bericht vermittelt Orientierung, die viele Mitbürger verzweifelt vermissen und bisher erfolglos gesucht haben. Wer Ottes Buch gelesen hat, weiß am Ende, was uns stärkt und wie wir diese Umbruchszeit nicht nur überstehen, sondern ein erfülltes Leben führen können.

Nützliche Grundlagen für die Zukunft

Otte ist zu jung, um die Doors, besonders ihren Frontmann Jim Morrison, noch direkt erlebt zu haben, aber noch nahe genug, um in dem charismatischen, philosophisch gebildeten Nietzsche-Anhänger Morrison eine Leitfigur zu entdecken. Die zweite Prägung erfuhr er durch die Lektüre des Mega-Bestsellers „Die Nebel von Avalon“ von Marion Zimmer Bradley, in dem der Zauberer Merlin versucht, die alte Welt der Druiden zurückzuholen, die mit der Insel Avalon unaufhaltsam im Nebel verschwindet.

Otte sagt, er fühle sich selbst ein wenig wie Merlin, denn er versucht, das entschwindende Deutschland, das gegenwärtig vom Zeitgeist zersetzt wird, wenigstens in der Erinnerung zu konservieren. Seine Hoffnung ist, dass, wenn es gelingt, die Erinnerung daran, was Deutschland in seinen besten Traditionen ausmachte, zu bewahren, nützliche Grundlagen für die Zukunft erhalten bleiben.

Otte, der mit 16 Jahren beschloss, dass ihm Deutschland zu eng ist und nach Amerika auszuwandern sich vornahm, erfüllte sich diesen Wunsch schon im frühen Erwachsenenalter. Er legte eine bewundernswerte Karriere hin, trotz einiger Pleiten und Rückfälle, studierte an einer Elite-Universität und arbeitet für angesehene Institutionen.

Trotzdem kehrte er nach Deutschland zurück, weil ihn mit unserem Land mehr verband, als er anfangs selbst geahnt hatte.

Ängstlichkeit hilft nicht bei Zukunftssorgen

Wir leben in einer Umbruchszeit, in der entschieden wird, ob dieser Umbruch als „Great Reset“ von einer multinationalen „Elite“ von Konzernchefs und den ihnen hörigen Politikern und Medien oktroyiert oder von den Bürgern selbstbestimmt gestaltet wird. Ersteres wird unweigerlich in einer neuen totalitären, diesmal globalen Diktatur enden, Zweiteres die Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie im Wandel bewahren.

Otte streitet als Aktivist und Philantroph für den zweiten Weg. In seinen früheren Büchern hat Otte die Fehler analysiert, die in den Weltsystemcrash führen. In seinem neuen Buch zeigt er uns das Deutschland, das er liebt und bewahren will.

Als Börsianer ist Otte erfolgreich, weil er sich intensiv mit der Vergangenheit von Unternehmen beschäftigt, um sich einen unverstellten Blick über die Realität zu verschaffen, die man ohne Kenntnis der Historie nicht richtig verstehen kann.

Wer sich um seine Zukunft sorgt, dem ist mit Ängstlichkeit nicht geholfen, aber mit einer gründlichen Revision der Vergangenheit, um zu finden, was Menschen stark und erfolgreich gemacht hat. Man sollte nicht auf Regierungen und ihre Politik hoffen, sondern nur sich selbst vertrauen und sich aktiv in die Gestaltung der Gesellschaft einbringen. Otte tut das seit Jahren. Als Wanderer bringt er seinen Kameraden die Schönheiten der deutschen Landschaften und ihre Gefährdung nahe, er betrachtet Geschichte als lebendige Anregung für die vita activa. Er pflegt den reichen Liederschatz als mitreißender Sänger, und er liest die Klassiker, um von ihrer wunderbaren Sprache und tiefen Weisheit zu lernen.

Abschaffung des Eigentums bis 2030

Die amerikanische Historikerin Barbara Tuchman hat in ihrem Buch „Die Torheit der Regierenden“ an vielen Beispielen belegt, dass die sogenannte Regierungskunst weit hinter den sonstigen Errungenschaften der Menschheit zurückbleibt. Wir erleben gegenwärtig ein globales Beispiel dieser Torheit. Ein Virus soll den Vorwand bieten für die angebliche Notwendigkeit, die Welt mittels eines „Great Reset“ auf die Bedürfnisse globaler Konzerne zuzurichten. Das Mittel, mit dem das erreicht werden soll, ist der Staat, der allein in der Lage sein soll, richtige Entscheidungen zu treffen.

Damit haben die globalen „Eliten“ nicht nur nichts aus der katastrophalen Erfahrung des letzten Jahrhunderts gelernt, in dem Staaten aller Couleur Millionen Tote verursachten, sondern sie setzen aktiv auf eine bereits mehrfach gescheiterte Doktrin, dass die Abschaffung (Umverteilung) von Eigentum der Weg zur Glückseligkeit aller sei. Tatsächlich behauptet die „Agenda 2030“ des Weltwirtschaftsforums, in dem die größten Wirtschaftsbosse der Welt sich zusammengeschlossen haben, dass es in selbigem Jahr kein Eigentum mehr gäbe, sondern die Menschen alles, was sie brauchten, teilen oder mieten. Man ist geneigt, das Marxsche Aperçu zu zitieren, dass sich alles in der Geschichte zweimal ereigne, als Tragödie und als Farce, wenn nicht die reale Gefahr bestünde, dass die Farce wieder eine Hölle gebiert.

Der Staat, dem die führende Rolle in der „Großen Transformation“ zugewiesen wird, versagt in der Corona-Krise vor aller Augen auf geradezu groteske Weise. Ob Masken- oder Impfstoffbeschaffung, Impfkampagne oder Infektionsnachverfolgung, Corona-Hilfen für die abgeschalteten Unternehmen – wirklich nichts funktioniert mehr im einst für seine Effektivität bewunderten Deutschland. Intakt geblieben ist nur die Großmannssucht, der verfluchte deutsche Überlegenheitswahn, der uns so viel Unglück gebracht hat. Zwar wollen unsere Politiker die Welt nicht mehr militärisch erobern, aber sie wollen die moralische Weltherrschaft, genannt Vorbild für die Welt. Möglich ist das nur, weil die mediale Propaganda, nach dem Muster ihrer unseligen Vorbilder, flächendeckend funktioniert.

Was erinnert wird, kann wiederbelebt werden

Otte beschreibt die Gegenmittel, mit denen man sich in dieser moralinsauren Welt behaupten kann: ein offenes Auge für unsere Landschaften mit ihrer (noch) biologischen und historischen Vielfalt, Engagement für die Gemeinde, Bewahrung überkommener handwerklicher Fähigkeiten, Pflege eines Gartens, eine intakte Familie, Beschäftigung mit Kunst, Literatur und Musik, stabile soziale Beziehungen. Auch wenn das Deutschland, in dem Otte und ich Kinder waren, vor unseren Augen verschwindet, ist es nicht verloren, solange wir es in unserem Gedächtnis bewahren. Was erinnert wird, kann wiederbelebt werden.

Ich habe das nach dem Zerfall des Sozialismus selbst erlebt. In der DDR war auch die Geschichte unter einer grauen Schicht aus Zerfall und Flugasche fast verschwunden. Im wunderbaren Aufbaujahrzehnt des letzten Jahrhunderts machten sich -zigtausende Menschen daran, den Zerfall zu stoppen und rückgängig zu machen. Aus dem Schutt tauchen die Feininger-Kirchen im Weimarer Land wieder auf, entstand die Straße der Romanik in Sachsen-Anhalt, erhielten Klöster, Schlösser und Gutshöfe neues Leben. Es war, als hätte man ein Schatzkästlein geöffnet, das vierzig Jahre unbeachtet in der Ecke verstaubte. Dieses Wunder kann sich jederzeit wiederholen. Statt zu verzagen, sollten alle Leser der Anregung Ottes folgen, ihre Familiengeschichte recherchieren, sich aktiv um das zu kümmern, was sie als erhaltenswert ansehen. Allein schon das verhilft zu einem erfüllteren Leben, als es die „Eliten“ für uns vorsehen.

Vor allem demonstrieren wir damit, dass wir keine Verfügungsmasse für die Torheit der Politiker sind. Die Geschichte lehrt, dass die Menschheit die Rückschläge, die durch politische Torheit verursacht wurden, stets überwunden hat. Warum sollte uns das nicht gelingen?

„Auf der Suche nach dem verlorenen Deutschland“ von Max Otte, 2021, München: FinanzBuch Verlag. Hier bestellbar.

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giesemann gerhard / 28.03.2021

Vielleicht ist die wichtigste Botschaft von Max Otte: Mach dein eigenes Ding, scher dich nicht um das dumme Zeug ringsum. Und sieh zu, dass du nicht erpressbar wirst. Weder materiell noch mental. So gut es eben geht, einfach ist das bestimmt nicht. But who says it’s easy?

Hjalmar Kreutzer / 28.03.2021

Verehrte Frau Lengsfeld, besten Dank für den Lesetipp. Angesichts der Agenda 2030 fällt mir eine Liedzeile aus den 80ern in der DDR ein: „Leben heißt, schränk‘ Dich ein, damit Du wirklich frei bist.“ Schon damals witzelten wir: „Aha, ein Auftragswerk des Ministeriums für Handel und Versorgung!“ Wie wir von Wandlitz und Örtlichkeiten am Ostufer der Müritz usw. wissen, dürfte die eigentumslose Glückseligkeit wie immer für den Pöbel vorgesehen sein, dem „die Eliten“ zumessen, was er zur Befriedigung der Grundbedürfnisse zu benötigen hat, während man selbst auf seinem Schloss heimlich Wein säuft. Unter anderem fällt mir dazu „angemessener Wohnraum“ ein. Nichts spricht ja gegen eine vernünftige Lebensweise, bei der der Mensch nicht von einer Vielzahl von Dingen beherrscht wird, um deren materielle Substanz er sich kümmern muss; ich selbst wohne in einer Mietwohnung und bin froh, dass sich der Hausmeister um die meisten Dinge kümmert. Es käme mir aber nicht in den Sinn, anderen Leuten ihr Eigenheim zu vermiesen, ihr Heimwerken, Haus, Garten, Hund usw. Schon gar nicht kann es angehen, den eigentümergeführten Handwerksbetrieb, Dienstleister, Freiberufler durch immer mehr Auflagen kaputt zu machen, die sich eigentlich nur ein Großbetrieb leisten kann und dafür einseitig große online-Händler zu hofieren, die dem Kunden zusätzlich ungefragt ihre Weltanschauung aufzwingen. Ja, es muss einfach möglich sein, dass der „ganz normale Bürger“ (Lob des Normalen) diesen ganzen Irrsinn noch aufhalten kann. Einen schönen Sonntag!

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