Selbst bei der Urteilsverkündung präsentierte sich der Solinger Messer-Attentäter Issa al-H. grinsend. Dennoch hofft der Richter auf Islamwissenschaftler, die al-H. „den gemäßigten und gewaltlosen Islam vermitteln".
Der 27-jährige Syrer Issa al-H. wurde am Mittwoch vom 5. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts (OLG) wegen mehrfachen Mordes und versuchten Mordes, schwerer sowie gefährlicher Körperverletzung und mitgliedschaftlicher Beteiligung an der Terror-Organisation Islamischer Staat (IS) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Außerdem hat der Strafsenat die besondere Schwere der Schuld festgestellt und eine anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet.
Damit entsprach des OLG den Forderungen der Bundesanwaltschaft sowie der Nebenkläger. Die Verteidigung von Issa al-H. hatte in ihrem Plädoyer die lebenslange Haftstrafe akzeptiert, sich aber gegen eine Sicherungsverwahrung ausgesprochen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Daniel Sprafke, einer der Verteidiger von al-H., sprach nach der Urteilsverkündung davon, dass sich sein Mandant nun überlegen werde, entsprechende Rechtsmittel einzulegen.
Issa al-H. hatte bereits zum Prozessbeginn Ende Mai zugegeben, am 23. August 2024 beim „Festival der Vielfalt" auf dem Fronhof in Solingen auf Menschen eingestochen zu haben. Dabei wurden die 56-jährige Apothekerin Ines W., der 67-jährige Stefan S. sowie der 56-jährige Florian H. getötet. Zehn weitere Besucher des Stadtfestes wurden schwer verletzt. In entsprechenden Videos, an deren Produktion al-H. beteiligt war, hatte sich der IS zwei Tage später zu dem Anschlag bekannt. Dennoch hatte der 27-Jährige nach seiner Inhaftierung bestritten, IS-Gedankengut zu vertreten. Zuletzt hatte er seine Tat mit deutscher Unterstützung für Israel sowie dem angeblichen Sterben palästinensischer Kinder in Gaza gerechtfertigt.
Das aber glaubte ihm das Gericht nicht: „Teilweise hat er gelogen", ordnete der Senatsvorsitzende Winfried van der Grinten gleich zu Beginn der Urteilsbegründung Issa al-H.s eigene Darstellungen ein. So sei etwa seine Darstellung, er sei nach der Machtergreifung des IS in seiner syrischen Heimatregion zu den Kurden geflohen, durch die Beweisaufnahme widerlegt. „Er hat sich den neuen Machthabern gegenüber zumindest loyal gezeigt", schilderte van der Grinten die Überzeugung des Gerichts. Hinweise dafür, dass er schon damals IS-Mitglied war, sehe das Gericht jedoch nicht. Erwiesen sei lediglich, dass sich al-H. Jahre später im Internet islamistisch-jihadistisch radikalisiert habe.
Würdigung von Robert K.
„Auch seinen Einlassungen zu Gaza ist der Senat nur teilweise gefolgt", fuhr der Richter fort. So habe Issa al-H. zwar im April 2024 versucht, sich im Internet Informationen über die israelische Botschaft in Berlin zu beschaffen. Dennoch habe es sich dabei nur um „begleitende Umstände" gehandelt: „Seine Motivation geht weiter als der Gaza-Konflikt. Er wollte die Schlagkraft des IS in Europa steigern." Die Anordnung der Sicherungsverwahrung begründete van der Grinten damit, dass bei Issa al-H. ein „Hang zur Begehung erheblicher Straftaten" in Form „schwerster Gewalttaten zum Nachteil sogenannter Ungläubiger" festzustellen sei. Auch sei bei dem 27-Jährigen „keine Abkehr von der IS-Ideologie" zu erkennen. „Da hat er uns Lügen aufgetischt", resümierte der Richter.
Das Mordmerkmal der Heimtücke begründete das Gericht damit, dass alle Opfer mit Ausnahme von Robert K., der das 19 Zentimeter lange Tranchiermesser in Issa al-H.s rechter Hand bemerkt hatte, arg- und wehrlos waren. „Trotz seiner Allahu-Akbar-Rufe hatten sie nicht mit einem Angriff gerechnet", stellte van der Grinten fest. So habe al-H. „innerhalb von Sekundenbruchteilen" auf Florian H. und Stefan S. eingestochen. Als der Richter an das Schicksal von Ines W. erinnerte, die in den Armen ihres schwer verletzten Ehemannes Michael sofort verblutete, wurde es still im Saal.
Ebenso still war es, als van der Grinten die zusammen mit ihrer Tochter Lea im Saal sitzende 63-jährige Bärbel V. direkt ansprach. Beide hatten den Anschlag dank schneller Hilfe knapp überlebt, können aber ihre Berufe seitdem nicht mehr ausüben. Bärbel V. kann wegen ihrer durch den Messerstich zerfetzten Stimmbänder seitdem nur noch leise sprechen. Da ihr rechter Arm aufgrund ebenfalls zerfetzter Nervenstränge seit dem Anschlag gelähmt ist, sind ihr ganz normale Alltagshandlungen nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich.
Als van der Grinten auf den „wehrhaften Konzertbesucher" Robert K. einging, hob der Vorsitzende Richter hervor, dass es K. zu verdanken ist, dass es bei dem Anschlag auf dem Fronhof nicht zu weiteren Opfern gekommen sei. Um seine Freundin zu verteidigen, hatte der 49-Jährige mit Issa al-H. gekämpft und versucht, den Syrer mit Tritten abzuwehren. Mehrere Zeugenaussagen hatten ergeben, dass al-H. daraufhin seinen Angriff abbrach und flüchtete.
"Vom radikalen Glauben befreien"?
Am Ende seiner rund 90-minütigen Urteilsbegründung sprach Winfried van der Grinten davon, dass Issa al-H. in der Haft „sozialtherapeutische Begleitung" brauchen werde, um einen „gemäßigten und gewaltlosen Islam" vermittelt zu bekommen. „Er braucht Islamwissenschaftler, die ihn von seinem radikalen Glauben befreien", sagte der Richter und forderte al-H. in direkter Ansprache auf, in der Haft entsprechende Angebote wahrzunehmen. Dann lobte van der Grinten die Solinger Bevölkerung dafür, nach dem Anschlag „Zusammenhalt" gezeigt zu haben. So sei es auch nicht „zu Angriffen auf Flüchtlinge oder Muslime" gekommen, hob der Richter hervor.
Issa al-H. verfolgte van der Grintens Ausführungen mit demselben Grinsen, das er auch in den letzten Wochen vor dem Urteil immer wieder gezeigt hatte. Auch beim Verlassen des Saals grinste er. Das aber rief den Unmut der im Saal sitzenden Opfer hervor. Bis zuletzt hatten die Überlebenden und Hinterbliebenen des Anschlags davon abgesehen, dem Syrer Vorwürfe zu machen. Unmittelbar nach dem Urteil aber trat Lea V. vor die Presse und sprach davon, dass es für die im Saal sitzenden Opfer „natürlich nicht schön" gewesen sei, in dem Prozess immer wieder sein Lachen sehen zu müssen. Für sie und andere Überlebende sei sein „stolzes und selbstbewusstes Auftreten" vor Gericht nur schwer zu ertragen gewesen. „Das macht einen wütend, wenn jemand darüber immer noch so lachen kann", sagte die 26-Jährige.
Daniel Sprafke hingegen verteidigte das Verhalten seines Mandanten: Issa al-H. sei „als Subjekt der Berichterstattung" vor einer so hohen Anzahl von Fotografen verunsichert gewesen, sagte der Anwalt. In diesem Zusammenhang sei auch sein Nichtaufstehen beim Eintreten des Gerichts zu sehen, behauptete Sprafke und verwies darauf, dass der Syrer ja aufgestanden sei, nachdem die Fotografen den Saal wieder verlassen hatten. Dazu, dass sein Mandant in Badelatschen zum Urteil erschienen war, konnte Sprafke aber nicht befragt werden. Grund war, dass sich dies erst nach der Pressekonferenz herausgestellt hatte, als die Pressefotografen die Gelegenheit hatten, ihre zuvor erstellten Bilder in Großaufnahme zu begutachten und ihnen dieses Detail dabei auffiel.
Die unterschiedlichen Stellungnahmen nach dem Urteil offenbarten aber auch, dass Anklage und Nebenkläger bis heute unterschiedliche Blickwinkel auf den Anschlag haben: So stellte Oberstaatsanwalt Jochen Weingarten schnell auf die IS-Ideologie des Verurteilten ab, die „den Jihad in unsere Städte zu tragen versuche". Dies werde die Bundesanwaltschaft aber auch „weiter bekämpfen", versicherte Weingarten.
Lea V. hingegen sagte auch weiterhin nichts zum ideologischen Hintergrund von Issa al-H.s Tat. „Hass ist keine Antwort", betonte die 26-Jährige stattdessen. Damit blieb es ihrem Anwalt Athanasios Antonakis vorbehalten, die offenbar bis heute bestehende Diskrepanz zwischen der Sichtweise in Karlsruhe und der in Solingen auf den Punkt zu bringen: „Auch unsere Mandanten wollten die Hintergründe dieser Tat so erstmal nicht wahrnehmen", sagte Antonakis. „Wir sehen so etwas von unserer Sozialisation aus. Und dazu gehört, Menschen erst einmal nicht als Feinde wahrzunehmen."
Peter Hemmelrath, Jahrgang 1963, arbeitet seit 2013 als Journalist und Gerichtsreporter. Seine Schwerpunkte dabei sind Islamismus, Antisemitismus sowie die Berichterstattung über staatsschutzrelevante Gerichtsverfahren.
Redaktioneller Korrekturvermerk:
In einer ersten Fassung dieses Artikels wurde eine Formulierung verwendet, die offenbar so verstanden wurde, als sei die Tatsache, dass Issa al-H. in Badelatschen zur Urteilsverkündung erschienen war, Thema auf der anschließenden Pressekonferenz gewesen und Daniel Sprafke habe Fragen dazu nicht beantwortet. Tatsächlich war das zum Zeitpunkt der Pressekonferenz noch gar nicht bekannt, da sich dies erst durch später ausgewertete Pressebilder ergeben hatte. Wir haben die entsprechende Textstelle neu gefasst und bitten die ursprünglich verwendete missverständliche Formulierung zu entschuldigen.
Lesen Sie weitere Berichte zum Solingen-Prozess:
Solingen-Attentäter: Schuld sind immer die anderen
Die Plädoyers im Solingen-Prozess: Weder Reue noch Mitgefühl
Solingen-Prozess: Warnung vor Wiederholungsgefahr
Solinger Attentat: Durch tanzende Menschen „provoziert“
Solingen-Prozess: Das Grinsen und Lachen des Issa al-H.
Bevorstehender Prozess zum Attentat von Solingen
Solingen-Attentäter mit Schuldunfähigkeits-Simulation?
Solingen-Prozess: Die Aussagen der Überlebenden
Das zweite Telefon des Solingen-Attentäters
Solingen-Prozess: Weitere Überlebende reden
Solingen-Prozess: Wollte Issa al H. erschossen werden?
Solingen-Prozess: Wie 1001 Nacht
Solingen-Prozess: Was wusste die Diakonie?

Die Naivität deutscher Richter ist beachtlich. Die Abwesenheit vom realen Leben merkt man den Ausführungen des Vorsitzenden Richters in diesem Verfahren an. Die Lektüre dieser juristischen Volkspädagogen sind erkennbar ZEIT SPIEGEL und vergleichbare deutsche Qualitätsmedien. So artikulieren sich solche Leute dann auch bei der Urteilsverkündung volkspädagogisch indem sie im Hinblick auf das Verhalten der Bevölkerung von Solingen nach der Tat Lob aussprechen. Gehört zweifelsfrei nicht zur Aufklärung und Bewertung des Sachverhalts und des Tatgeschehens. Aber so sind sie, die juristischen Volkspädagogen im Richterdienst. Im übrigen ist abschließend dem Autor des Artikels für seine umfangreiche, sachbezogene und objektive Berichterstattung über den Prozess zu danken. In den Qualitätsmedien findet man sowas so gut wie überhaupt nicht mehr. Interessenten von Gerichtsreportagen sei an dieser Stelle der österreichische DER STANDARD GERICHTSREPORTAGEN empfohlen. Die sind sehr gut, teilweise mit österreichischen Sarkasmus, Zynismus und Witz geschrieben und sind immer auch publizistische Höhepunkte.
Diese psychopathische Wahnvorstellung die ist so verbohrt und krank, ich glaube es verhält sich wie bei den fanatischen Japanern vor 1945: Es hilft nur noch die Atombombe und ein EMP um diese Krankheit zu behandeln. Die deutsche Industrie muß weg: Sie ist der Energielieferant für den narzisstischen Umsatz: Stirbt die Batterie, der Generator stirbt der Wahnsinn, weil er nicht mehr bezahlbar ist. Die Diktatur über die Maßnahmen des Gegenteils wird sich ihr Recht auf dem Zerfallsprozess verlangen, das war 1925 ff so und es wird sich abbilden 100 Jahre danach.
Hier in meiner Wahlheimat haben wir für solche Leute die Todesstrafe ! Die bekommen keine Möglichkeit zu einer Wiederholung !
“...sozialtherapeutische Begleitung brauchen werde, um einen „gemäßigten und gewaltlosen Islam vermittelt zu bekommen…“ Kein Wunder, dass der Mörder grinst.
Einen gemäßigten und harmlosen Islam gibt es nicht. Das zeigt die 1400jährige Geschichte des Islam mit 270 Millionen Toten. Die mekkanischen, harmlosen Verse werden durch die aggressiven medinischen Verse aufgehoben und gelten nicht mehr. Das ist auch die offizielle Lehre des Islam. Die Hauptschuld an dieser Lüge tragen die Journalisten, die den einen Islam in Islam und Islamismus einteilen. Diese Unterscheidung ist die größte Lüge.