Solidarisches Werbeverbot im Saarland – Das Unfassbare

Ich bin ein ausgesprochener Fan der Sendung X-Factor – Das Unfassbare. Hierbei handelt es sich nicht um die gleichnamige (mehr oder weniger-) Talentshow, in der die Performance mancher Kandidaten zwar unfassbar vorkommen mag, aber nein. In der Show, die ich meine, dreht sich alles um Geschichten von vermeintlich übernatürlichen Dingen, die geschehen sind, oder eben nicht. Ab Staffel zwei moderierte Jonathan Frakes die Sendung, der stets am Ende der Episode auflöst, welche Inszenierung sich in der Realität abgespielt haben soll und welche nicht. Nicht selten wählt er in diesem, für mich als Knirps bei der Oma vor dem Fernseher magischen Moment Worte wie diese: „Ist diese Geschichte wahr, oder haben wir Sie auf den Arm genommen?“

Auch die Politik produziert Unfassbarkeiten, die kaum mehr zu glauben sind, aber dennoch geschehen. Ja. Nicht immer, aber immer öfter fühle ich mich wie Johnathan Frakes, der die alles entscheidende Auflösung zu präsentieren vermag. Auch in dem Fall der merkwürdigen Wirtschaftsministerin des kleinsten Bundeslandes dieses Deutschlands spielt sich eine Unfassbarkeit ab, die real ist.

Die Moderation von Frakes ginge nach dem Clip in Spielfilm-Manier dann so: „Ja, diese Geschichte ist wahr. Im Februar 2021 beschloss ein Landstrich namens Saarland, dass in seinem Bezirk ein Werbeverbot für Produkte gilt, die nicht dem täglichen Bedarf oder der Grundversorgung dienen.“ Da muss selbst der routinierte X-Factor Moderator durchatmen. Das sind die harten Momente im TV-Geschäft. 

Nun wissen wir spätestens seit Familie Heinz Becker, dass sich im Saarland Menschen mit ausgeprägtem Hang zu kruden Ideen reihen wie einst wie die Pins beim Bowling. Erich Honecker, Oskar Lafontaine, Heiko Maas, Helge Braun. Annegret Kramp-Karrenbauer, wobei Letztere fast noch positiv heraussticht. Einziger wirkliche Lichtblick: Français Boch und Nicolas Villeroy gründeten vor rund 270 Jahren im Saarland ihre Porzellanfaktorie Villeroy & Boch, die uns bis heute formidable Pissoirs und Donnerbalken kredenzen. Immerhin. 

Ist Notdurft systemrelevant?

Als neuestes Mitglied der Liga der Leuchtgranaten von der Saar inszeniert sich nun die Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger. Für die ist dies auch „eine Frage der Solidarität". Es soll allen gleich schlecht gehen, sonst könnte sich jemand bevorzugt vorkommen. Während weite Teile des Einzelhandels auf Lockerungen hoffen, grätscht die Sozialdemokratin dazwischen. Im Lockdown sollen Warenhäuser bestraft werden, die Produkte bewerben, die nicht für den „täglichen Bedarf“ bestimmt sind. In der wohl härtesten Krise für den Einzelhandel seit Gründung dieser Republik, geht die Saar-SPD den Weg, den sie spätestens seit Lafontaine eingeschlagen haben: Die Wirtschaft ist der Feind und muss an die Kandare genommen werden. Unnötig, zu behaupten, dass diese Unternehmen mit Hilfe ihrer Mitarbeiter, wenn sie denn nicht gerade von einem Berufsverbot daran gehindert werden, die Jobs ihrer Politiker finanzieren. Zusätzlich dürfen jetzt auch noch Werbetexter, Grafiker, Fotografen, Drucker und Prospektausträger solidarisch spazieren gehen.

Nun konnte mir bisher keiner sagen, welche Produkte genau gemeint sind, wenn Frau Rehlinger von „Produkten des täglichen Bedarfs“ spricht. Bücher für den Vielleser? Gesellschaftsspiele für die Familie im Lockdown? MacBooks für den Journalisten? Wieder einmal sieht die Reglementierungswut der Politiker rot und schlägt mit dem Hammer unverdrossen zu. Wieder einmal ist sich eine Regierung sicher, welche Bedürfnisse ihr Volk hat, und wieder einmal setzt sie den Rotstift – hier den Verbotstift – an. Bei Zuwiderhandlung darf sich das Geschäft auf eine Geldstrafe in Höhe von bis zu 10.000 Euro einstellen. 

Immerhin: Wenn ein Kaufhaus eine Kloschüssel von Villeroy & Boch anbietet, kann sich der Marktleiter auf das sichere Bedürfnis der Menschen verlassen. Die kann die Politik dann doch nicht abschaffen. Oder? Ist Notdurft systemrelevant?

Dystopien von früher sind heute Realität

Wir leben in einer Zeit, in der X-Factor – das Unfassbare, zur Realität geworden ist. Mit dem kleinen, aber entscheidenden Unterschied, dass alle Geschichten wahr sind. Ausgangssperre ab 21 Uhr? „Diese Geschichte ist wahr!“ Der Gesundheitsminister paktiert mit Google, um die eigenen Inhalte in der Suchmaschine nach oben zu pushen? „Da haben wir Sie nicht auf den Arm genommen!“ Hotels, Kneipen, Restaurants sind seit November geschlossen? „Auch hier handelt es sich um einen Fall, der wirklich passiert ist!“ 

Dystopien von früher sind nun Alltag. Undenkbares im Jahre 2019 wird heute, 24 Monate später, gar nicht mehr diskutiert. Wir haben uns an den Ausnahmezustand gewöhnt. Er ist zur neuen, gräßlichen Realität geworden. Johnathan Frakes wäre mit X-Factor im Jahre 2021 arbeitslos. Kann er uns doch keine Lügengeschichte mehr als womöglich wahre Gegebenheiten verkaufen. Sie sind alle zur Realität geworden. Der Wahnsinn hat Struktur und System. Mehr noch: Realität und Wahnsinn sind zu Synonymen verschmolzen. 

Die Wirtschaftsministerin aus dem Saarland ist hierbei ein kleines, hartes, zutiefst illiberales Puzzleteil in einem Tausend-Teile-Puzzle des angewandten Wahnsinns.

Dieser Beitrag erscheint auch auf Neomarius.

Foto: sophie & amp Flickr CC BY-SA 2.0 Link">via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Peter Meyer / 14.02.2021

Die Lehre aus der Farm der Tiere: „Die Schweine sind gleicher.“

Sigrid Leonhard / 14.02.2021

@Paul Mittelsdorf, Sie haben völlig recht. Absolut. Habe ich leider erst ganz klar seit ca. einem halben Jahr erkannt.

Karla Kuhn / 14.02.2021

Sabine Heinrich, “....sie könnte auch etwas für die Gleichstellung tun und sich bei der Müllabfuhr, dem Gerüstbau oder - ganz solidarisch mit den oft ziemlich mies behandelten Saisonarbeitern - bei der Erdbeer-, Wein- und sonstiger Ernte engagieren. Die Arbeit (nur als Aushilfe für begrenzte Zeit) in einem Schlachthof oder auch nur als “Mädchen für alles” in einem gastronomischen Betrieb soll auch recht hilfreich sein, um einen Bezug zur Realität zu bekommen.”  Liebe Frau Heinrich, da bin ich ABSOLUT bei Ihnen aber bitte nicht bei den vielen alten Menschen, die seit über einem Jahr in den ALtenheimen dahinvegetieren müssen, wegen einer “PLANDEMIE” , für die Seehofer auch noch “WISSENSCHAFTLER” engagieren mußte, um sie “glaubhaft” verkaufen zu können !  Auch mein Kind würde ich niemals so einer Person weder im KIGA noch in der Schule anvertrauen ! MÜLLABFUHR, Schlachthof aber für längre Zeit wäre auch QUOTENMÄßIG DRINGEND zu empfehlen !

Dietmar Blum / 14.02.2021

@ Claire Müller / 14.02.2021: Fragen Sie einmal einen Nachbarn der Saarländer, einen “Pälzer”, was er von den “Muffelländer” hält. “Nicht viel”, wäre gestrunzt.

Sabine Heinrich / 14.02.2021

Wie wär’s, wenn die junge (aus meiner Perspektive) Frau R. einer “systemrelevanten” Beschäftigung nachginge und sich z.B. in einem Alters-, Pflegeheim, einem Kindergarten oder als Aushilfslehrerin engagieren würde? Hm - da bedarf es allerdings der Einsatzbereitschaft und Empathie. Nun - sie könnte auch etwas für die Gleichstellung tun und sich bei der Müllabfuhr, dem Gerüstbau oder - ganz solidarisch mit den oft ziemlich mies behandelten Saisonarbeitern - bei der Erdbeer-, Wein- und sonstiger Ernte engagieren. Die Arbeit (nur als Aushilfe für begrenzte Zeit) in einem Schlachthof oder auch nur als “Mädchen für alles” in einem gastronomischen Betrieb soll auch recht hilfreich sein, um einen Bezug zur Realität zu bekommen. Eine Frage, die ich mir seit vielen Jahren in abgewandelter Form immer wieder stelle: Warum versetzt niemand solchen Nieten einen schmerzhaften Tritt vor’s Schienbein, damit sie endlich wach werden und sich ihrer Aufgaben und ihrer Verantwortung bewusst werden? - Völlig desillusioniert von meinen Landsleuten - aus welchem Bundesland auch immer - gehe ich davon aus, dass Frau R. - wenn sie denn zur Wahl stehen sollte - mit stehendem Applaus und ausgerolltem roten Teppich bejubelt /geehrt würde. Warum darf eigentlich schon seit Ewigkeiten nicht für Pistolen, Sprühgas, Damenmesser und Elektroschocker geworben werden? Jeder xxx ohne (echte) Papiere hat leicht Zugang dazu - nur wir unbedarften Landsleute nicht, die wir mehr und mehr das Geühl haben, uns selbst helfen zu müssen, weil die Polizei keine Zeit mehr hat.

Peter Wohlmann / 14.02.2021

Allen gleich schlecht? Dann geben die Politiker und Journalisten also auch jene 6-12 Monatseinkünfte ab, welche viele Selbständige durch die Coronamaßnahmen verlieren?

Johannes Schuster / 14.02.2021

Ein Werbeverbot für nicht lebenswichtige Güter: Cool, keine Pissvisagen auf Wahlplakaten, Gut, weiter so. Statt dessen sollten sich die Politiker bücken und man sollte neben der Rosette eine Rolle Klopapier abbilden, die ist systemrelevant. Die einzige Pandemie, die sich sehe ist eine Ausbruch von Psychosen in einem Maßstab, der langsam ein messianisches Zeitalter offeriert. Kann man das mal aussprechen wie es ist: 80% dieser Republik sind akut psychiatrisch und haben nicht mehr alle Tassen im Schrank, allen voran irgendwelche Leute mit Mysophobie und das ganze Fliegenpulk von Geltungssüchtigen hinterher. In dieser Irrenanstalt haben die Patienten den letzten Psychiater gelyncht und jetzt steht das Pack mit der Maske auf dem Dach der Anstalt und winkt der Welt mit Schniedel und voller Windel entgegen. Unten steht die Presse, lauter Relotius Rhinozeros - Remutanten und Geifern mit einem Restgeruch von Tavor an den Lefzen. Vergesst Hieronymus Bosch, es gibt das Jahr 2021. Ich will noch einmal im Jahr 1986 ganz in Ruhe eine Pommes herunterfressen: Merkel ist drüben, zwischen uns ist Stacheldraht, wir haben die D- Mark und können verbleit tanken, einfach daliegen, auf einer Wiese und das Gefühl in sich haben: “Die Welt ist gut”. Es fliegt ein F104G vorbei, die Ruhe zerknallt und wir wissen: Das ist die gute Nato, die uns die Einfalt beschert, sicher zu sein mit Träumen, Reitstunden, schnellen Autos und einem Gefühl die Sterne zu erobern. Dann ging die Mauer auf: Und die Welt / wurde Bitterfeld.

A. Kaltenhauser / 14.02.2021

Es gibt eine Tee-Werbung im TV die war schon selbständig konform. Man beachte die Reihenfolge der aufgelisteten Vorzüge eines Genußmittels: 100 % bio, fair (trade?) und lecker! Spricht mich jetzt nicht so unbedingt an ....

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