Solarzellen statt Schultoiletten

In Augsburg macht man gerne grüne Sprüche und baut Solardächer auf die Schule. Bei der Sanierung unzumutbarer Schultoiletten hält man sich aber bedeckt. Jetzt griffen Eltern zur Selbsthilfe. Man nennt das „Delegation unschöner Aufgaben an Leidtragende.“

Brüchige Treppen, Uringestank, kaputte Fenster“ – nein es handelte sich nicht um ein leerstehendes altes Gebäude kurz vor dem Einsturz, sondern um die Ulrichschule in Bayern. Der BR titelte: „Marode Schulen: Wenn Schüler den Uringestank nicht mehr ertragen.“ Der Gestank war so schlimm, dass viele Schüler nicht mehr die Toilette benutzen wollten.

Ich erinnere mich noch sehr gut an meine Schulzeit und daran, dass auch die Mädchen-Toilette nicht immer vorzeigbar war, undefinierbare Dinge an die Wände geschmiert wurden und Toilettenrollen entweder auf dem Boden lagen oder über mehrere Kabinen hinwegflogen. Es hätte also schöner sein können, aber insbesondere frühmorgens war dieser Zustand dank der Putzkräfte meist noch nicht eingetreten.

Im Falle der genannten Förderschule in Augsburg ist die Sachlage ein klein wenig anders. Denn angeblich fehlt es der Stadt an Geldern für eine Sanierung. Da dieser Zustand unzumutbar ist, packen jetzt Eltern und Schüler gleichermaßen an und organisierten Spender und Helfer bei der „Schwabenhilfe Augsburg“ – alles ohne die „fürsorglichen“ Hände von Vater Staat. Stattdessen wurden „alte Kloschüsseln gebürstet und poliert und so wieder für den Einbau ertüchtigt.“ SPD-Landtagsabgeordnete Simone Strohmayr gibt dem Freistaat Bayern die Schuld und erklärt, er würde sich aus der Verantwortung ziehen – aber ganz so einfach ist diese Schuldzuweisung doch nicht.

Man sollte meinen, dass die Stadtverwaltung Augsburg es auf die Reihe bekommen könnte, ihren Schülern einen angemessenen Ort bereitzustellen, der das Lernklima nicht gefährdet. Doch statt in das Lernklima investiert man lieber Geld in ein Klimawandelprojekt mit dem wohlklingenden Namen SMSA (Smartes Stadtgrün für ein klimaresilientes Augsburg). Wie man sich denken kann, ist der Spaß nicht gerade billig, „wobei die Stadt Augsburg den Zuschlag zu dem Bundesförderprogramm ,Anpassung urbaner und ländlicher Räume an den Klimawandel‘ erzielt hat. Mit dieser Unterstützung ist es der Verwaltung möglich, rund 9,5 Millionen Euro zu investieren.“

Statt ein Gebäude zu sanieren, pflanzt man einen Baum

Das Projekt besteht aus vier Teilen: Smartes Gießmanagement, Grünanlage „Zentrale Mitte“, Klima-Oasen und Baumpflanzungen in der Innenstadt. Kurz: Botanik ist wichtiger als Bildung. Statt ein Gebäude zu sanieren, pflanzt man einen Baum. Ist auch nett, vielleicht kann man ja den Unterricht nach draußen verlegen. Nur im Winter wird’s dann ungemütlich.

Und jetzt dürfen Sie raten, von wem Augsburg unter anderem regiert wird. Es ist …Trommelwirbel… die Zweite Bürgermeisterin Martina Wild (Grüne). In einem Interview des Augsburgs Journals gab sie unter anderem bekannt: „Als Referentin für Bildung machen mir natürlich die Themen Schulsanierung und ausreichend Kinderbetreuungsplätze zu schaffen. Das hat eine hohe Priorität in der Stadtpolitik und wir gehen es mit großem Elan an.“ Ähm, großer Elan? Wo? Wann? Wer?

Auf die Frage, wo die Schwerpunkte in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode liegen, antwortete Frau Wild:

Bildung ist ganz klar eine Daueraufgabe. Wir packen den Sanierungsstau an den Augsburger Schulen sukzessive an und machen unsere Schulen fit für die Zukunft mit Digitalisierung, Inklusion, aber auch Heterogenität in unserer Stadtgesellschaft. Bei den Gebäudesanierungen geht’s natürlich auch um Klimaschutz. Deswegen ist es so wichtig, dass wir auf unseren Kitas oder auf unseren Schulen, wenn wir dann ein Dach saniert haben, auch eine Solaranlage gleich mit-installieren oder den Schulhof begrünen…“

Auch Eva Weber, die Oberbürgermeisterin, meldete sich in ihrer eigenen Kolumne zum Thema zu Wort:

Unser Fokus liegt darauf, die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten. Deshalb investieren wir aktuell einen Großteil der verfügbaren Mittel in dringend notwendige Maßnahmen wie Brandschutz und die Instandsetzung von Dächern. Leider müssen dadurch andere dringende Anliegen, wie etwa die Sanierung der Toilettenanlagen, oft in den Hintergrund treten – so auch an der Ulrichschule. Dort haben der engagierte Elternbeirat und die Schwabenhilfe in Eigenregie Teile des Schulgebäudes renoviert.“

Es wirkt ein wenig, als wäre man sich innerhalb der Augsburger Stadtverwaltung nicht ganz einig, welche Prioritäten man verfolgen möchte und am Ende deswegen kein Geld mehr für die Toiletten übrig war.

Und schwupps sind 550 Millionen weg

Zugegebenermaßen, auf ihrer Instagram-Seite teilte Frau Wild vor Kurzem einen Beitrag„Update zu Schul-und Kitasanierungen“. Man scheint sich zu engagieren, aber so verheerend wie an der Ulrichschule wirken die Zustände an keiner der genannten Einrichtungen. Inklusion und Klimaschutz scheinen auf der Prioritätenliste höher zu stehen als Sauberkeit und Hygiene. Und schwupps sind 550 Millionen weg.

Im Interview fragte die Journalistin die Bürgermeisterin nämlich, ob es auch kritische Anmerkungen gäbe, und sie antwortete tatsächlich:

„Ja klar, aber das ist ja normal. Die stinkende Toilette in der Schule ist natürlich immer ein Thema, andere sind dafür glücklich über das Solardach auf ihrer Schule, für das sie so lange gekämpft haben.“ Das erklärt, wie Martina Wilds Aussage: „Wir müssen jeden Euro fünfmal umdrehen“ zustandegekommen ist.

Im letzten Bild des Instagram-Beitrags ist übrigens von Kooperationen der Stadt mit „Eltern, Elternbeiräten, Fördervereinen und anderen Beteiligten“ die Rede. Als letztes werden die „Toiletten an der Ulrichschule“ genannt. Seltsam – im Bericht des BR war von „Eigenregie“ der „Schulleiter, Lehrer und Lehrerinnen sowie Elternbeirat“ die Rede. Man fragt sich, wer jetzt nun was gemacht oder finanziert hat? Vielleicht ist Kooperation auch eine Paraphrase für: „Delegation unschöner Aufgaben an Leidtragende.“ Oder, wie mein Vater gern sagt: „Wen‘s stört, der kümmert sich.“

 

Marie Wiesner, geb. 1999 in Sachsen, ist gelernte Ergotherapeutin.

Foto: Montage achgut.com

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Leserpost

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Sam Lowry / 18.09.2024

Nur eine handvoll abgelehnter Eroberer abschieben, und schon wäre das Geld da. Will man aber nicht… unfassbar…

S.Donner / 18.09.2024

Es ist nicht der Vandalismus der Schüler. Es ist die völlige Ignoranz der Lehrer. Ich war letzte Woche in der Klasse meiner Tochter auf einem Elternabend. Dort sieht es aus wie nach einem Bombentreffer. Und warum sieht das so aus? Weil irgendeiner der Lehrer, der letzte Lehrer des Tages entschieden hat, einfach so zur Tür heraus zu gehen. Ach ja, und seit drei Jahren regnet es in dieser Klasse durch die Decke. Sowas von fertig dieses Land.

Sam Lowry / 18.09.2024

Youtube: “Breaking: Die 100 Skandal weitet sich massiv aus!” Aktien mit Kopf!

Thomin Weller / 18.09.2024

Ich frage mich ob heutige Kinder und Jugendliche inkontinenz sind oder ob die Toiletten als Rückzug- oder Pausenraum genutzt werden. In jedem Fall sind sie respektloser und kennen häufig den Unterschied mein und dein nicht mehr. “Botanik ist wichtiger als Bildung.” Für Projekte, SMSA Berufsvorbereitung?, wird weniger Geld benötigt und die Aufsicht ist auch einfacher und die Kinder lernen das Element Wasser kennen und mit der Gießkanne umzugehen, die Baumschule. Die Fördergelder können dann anderwertig genutzt werden. Ach was war 2008 noch für ein Alarm als eine Schule Harzt4 Unterricht gab weil die Lehrer erkannten das die Förderschüler in der Wirtschaft, Gesellschaft kaum eine Chance haben. In YT ist die Doku ansehbar. Die Begründung klimaresilientes Augsburg ist haarsträubend. Alles betonieren wäre da besser.

Angela Seegers / 18.09.2024

Ich bin für Hock Klos, zum einen lernen sie fremde Kulturen kennen, wo das üblich ist und zum anderen sind sie unzerstörbar, da im Boden eingelassen. Klopapier gibt’s nicht. Und nicht vergessen: Immer mit der linken Hand abputzen.

Jürgen Rhode / 18.09.2024

“Auch Eva Weber, die Oberbürgermeisterin, meldete sich in ihrer eigenen Kolumne zum Thema zu Wort: „Unser Fokus liegt darauf, die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten. Deshalb investieren wir aktuell einen Großteil der verfügbaren Mittel in dringend notwendige Maßnahmen wie Brandschutz und die Instandsetzung von Dächern. Leider müssen dadurch andere dringende Anliegen, wie etwa die Sanierung der Toilettenanlagen, oft in den Hintergrund treten – so auch an der Ulrichschule. Dort haben der engagierte Elternbeirat und die Schwabenhilfe in Eigenregie Teile des Schulgebäudes renoviert.“ Liebe Frau Oberbürgermeisterin, urinieren und defäkieren (vulgo: pissen und sche.ßen) sind biologische Grundfunktionen der Säugetiere und somit auch des Menschen. Somit sollte doch auch Ihnen bewußt sein, daß dies Vorrang vor irgendwelchen anderen Luxusprojekten genießt.

K.Schönfeld / 18.09.2024

Wir mussten ab einem gewissen Alter unser Klassenzimmer selber säubern einmal die Woche. Da bekommt man etwas Respekt vor der Arbeit anderer Leute. Das geht hier völlig ab. Schule,  Bundeswehr, Asylheime, niemals wird der eigene Dreck weggeschmissen. Die Menschen werden von Kindesbeinen zu asozialen Subjekten erzogen.

Eduard Becker / 18.09.2024

Eine Lösung des Problems könnte darin bestehen, wirklich alle Toilettenschüsseln, Waschbecken, Wände, Kabinen, Türen usw. in den Toiletten aus rostfreiem Edelstahl (glänzt silbern) zu bauen und darauf zu achten, dass sie unzerstörbar sind. Der Boden muss natürlich aus rutschfesten Fliesen bestehen. Solche Toiletten kann man dann leicht mit einem Hochdruckreiniger säubern. Oder man baut gleich eine automatische Reinigungsanlage ein.

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