Dieser Beitrag schildert eine Posse in 5 Akten aus dem Lande Schleswig-Holstein: Hauptrollen spielen eine Solarfähre und ein Meister aus Deutschland: Der Wahnsinn.
Erster Akt: die Erschaffung von Bedarf
Der Ortsname von Missunde soll auf den Begriff schmaler Sund oder Fährsund zurückgehen. Die Schlei ist hier etwa 100 Meter breit, und seit 1471 kann man hier mittels einer Fähre übersetzen. Das hat ein paar Jahrhunderte nahezu reibungslos funktioniert. Bis die schwarzgrünen Weltverbesserer kamen, davon kündete kürzlich eine Meldung des NDR.
Seit 16 Jahren sorgte die seilgeführte simple Dieselfähre Missunde II zuverlässig dafür, das PKWs, Fahrräder und Fußgänger trockenen Fußes von Missunde (Kreis Rendsburg-Eckernförde) nach Brodersby-Goltoft (Kreis Schleswig-Flensburg) oder zurück gelangen konnten. Eine Fähre mit Dieselmotor. Sowas geht im Schwarzgrün/Grüngrün geführten Schleswig-Holstein natürlich gar nicht.
Eine Studie für 106.000 Euro sollte den Zustand der 16 Jahre alten Missunde II sowie die Rahmenbedingungen für einen möglichen Fährneubau klären. Dunkle Wolken zogen über diesem idyllischen Teil der Schlei auf, weil diese Studie von einer Firma erstellt wurde, die später auch den Auftrag für die Planung der Missunde III vornehmen wollte.
Wie abzusehen, ergab die Studie, dass die gute alte Missunde II in schlechtem Instandhaltungszustand sei, modernisiert und klimaneutral für 1,7 Millionen Euro nachgerüstet werden müsse. Der Autor möchte an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber anmerken, dass seine holländische eiserne Segelskutsje bald ihren 120. Geburtstag begeht.
Zweiter Akt: Größer, leiser, emissionsfrei
Schleswig-Holsteins Landesbetrieb für Küstenschutz, das Wirtschaftsministerium und das Ministerium für Energiewende befanden, dass eine Missunde III her müsse, die "leiser, emissionsfrei und deutlich größer" zu sein habe. Niemand hörte auf den Fährpächter, der meinte, dass eine viel größere Fähre eigentlich gar nicht gebraucht würde. Also bekam eine Werft in Sachsen-Anhalt den Auftrag, eine neue Solar-Fähre für 3,3 Millionen Euro zu bauen, die im Herbst 2022 fertig sein sollte.
Ab Mitte 2022 fiel der Fährbetrieb für die Anwohner aus, da die Rampen für die neue Fähre umgebaut werden mussten. Die Bauarbeiten verzögerten sich durch „Schlechtwetter“. Auch die Werft kam langsamer voran, "aufgrund der Nicht-Lieferbarkeit elektrischer Komponenten infolge des Ukraine-Krieges. Dann verhinderte Niedrigwasser den Transport der neuen Fähre von Sachsen-Anhalt an die Schlei. So ein Pech aber auch. Die alte Fähre tuckerte mit behördlich verminderter Tragfähigkeit weiter hin und her.
Dritter Akt: Ein ganz schlechtes Omen
Anfang Januar 2024 wurde die Solarfähre Missunde III getestet, und man stellte fest, dass die Anleger noch weiter verbreitert werden müssen, da die neue Fähre ab Windstärke drei nicht sicher anlanden konnte. Seltsam, ist doch auch die Misunde III seilgeführt. Ob das etwas mit dem großen Solardach zu tun hatte? Trotzdem war am 31. Januar Schiffstaufe. Die Wolken über der Schlei wurden noch dunkler, da es Staatssekretärin Julia Carstens von der schwarzgrünen Partei erst im dritten Anlauf mit einem Vorschlaghammer gelang, die Sektflasche zu zertrümmern – ein schlechtes Omen.
Doch getauft ist getauft, und die gute 16 Jahre alte Missunde II wurde zum Schrottwert von 17.000 Euro an einen Dänen verkauft, obwohl die Missunde III noch gar nicht in Dienst gestellt war. Dieses Vorgehen erinnert an die Stilllegung der deutschen Kernkraftwerke, die durch Gaskraftwerke ersetzt werden sollen. Die Dänen haben ja bekanntlich allerhand Glück im Leben.
Nicht so die Anwohner, die ohne die Fähre riesige Umwege fahren müssen. Aber immerhin wurde der CO2-Ausstoß der Misunde II eingespart. Nach Landesangaben wurden 120.000 Fahrzeuge und 50.000 Fahrräder von der Missunde II pro Jahr über die Schlei gebracht.
Vierter Akt: Sorry, konnte doch keiner ahnen
Der Landesbetrieb für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz Schleswig-Holstein (LKN.SH) sagt: "Die belastende Situation für die Region ist allen Beteiligten des Landes Schleswig-Holstein bewusst, wir bitten um Entschuldigung". Experten und der Fährpächter Rüdiger Jöns sprechen von "offensichtlichen Konstruktionsfehlern". Das Land räumt langwierige Umbauarbeiten ein. Die Anlieger fahren derweil Umwege von ca. 40 Kilometern. Bei 120.000 Fahrzeugen pro Jahr macht das Fehlen der Misunde II rund 400.000 Kilometer Umweg für die Anrainer pro Monat.
Erste Blitze zucken aus den dunklen Wolken über der Schlei. Langsam kristallisiert sich heraus, dass die Missunde III wohl erst zum Jahreswechsel 2025/26 einsatzbereit sein wird. Da liegt doch der Gedanke nahe, die alte Misunde II aus der dänischen Versenkung zu erwecken. Geht nicht aus Genehmigungsgründen, sagt die Landesregierung verschämt. Geht doch, sagt die Generaldirektion für Wasserstraßen und Schifffahrt. Lohnt nicht, da unwirtschaftlich, sagt der LNK leicht bockig. Doch 400.000 km Umweg pro Monat macht bis Ende 2025 rund sechs Millionen Umweg-Kilometer für die Anrainer.
Fünfter Akt: Glücklich sind die Dänen
Schleswig-Holstein kauft die Misunde II zum Preis von 100.000 Euro zurück. Ein Gewinn von 83.000 Euro sind ungefähr 620.000 Danish Kroner, kein schlechtes Geschäft für den Dänen im Glück. Es gibt einen Lichtblick – die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes verlängert die Betriebserlaubnis für die Misunde II bis 2028. Nun kommt das LNK auf die Idee, mal den Gutachter von 2019 gerichtlich zu fragen, was er sich bei seinem Gutachten für 100.000 Euro denn so gedacht hat. Man könnte ja sonst selbst ins schlechte Licht geraten.
"Offensichtlich war das ein Fehler, weil wir sie ja gut hätten brauchen können. Aber das hätte man damals, als man die Entscheidung getroffen hat, nicht wissen können", sagt Wirtschaftsstaatssekretär Tobias von der Heide bei einem Vor-Ort-Termin in Brodersby. Fachleute äußern erste Zweifel, ob die Missunde III überhaupt geeignet ist. Ihre Baukosten haben sich inzwischen auf rund vier Millionen Euro erhöht, die Umbaukosten noch nicht eingerechnet.
Im Wirtschaftsausschuss des Landtages übernahm Ex-Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP) die politische Verantwortung für die Missunde III Misere, verteidigte aber deren Anschaffung „in der damaligen Situation“. Die Kosten übernimmt wie stets der Steuerzahler. Und vielleicht können wir ja irgendwann einen sechsten Akt zu dieser Posse hinzufügen. Vielleicht rudert ja im Jahre 2030 wieder ein Fährmann die bis dahin autolosen Anrainer über die Schlei, und die Missunde III versorgt als festvertäutes schwimmendes Solarkraftwerk die letzten paar Glühlampen der Anrainer.
Manfred Haferburg wurde 1948 in Querfurt geboren. Er studierte an der TU Dresden Kernenergetik und machte eine Blitzkarriere im damalig größten AKW der DDR in Greifswald. Wegen des frechen Absingens von Biermannliedern sowie einiger unbedachter Äußerungen beim Karneval wurde er zum feindlich-negativen Element der DDR ernannt und verbrachte folgerichtig einige Zeit unter der Obhut der Stasi in Hohenschönhausen. Nach der Wende kümmerte er sich für eine internationale Organisation um die Sicherheitskultur von Atomkraftwerken weltweit und hat so viele AKWs von innen gesehen wie kaum ein anderer. Im KUUUK-Verlag veröffentlichte er seinen auf Tatsachen beruhenden Roman „Wohn-Haft“ mit einem Vorwort von Wolf Biermann.