Eine recht brauchbare Definition von Glück ist folgende: Finde heraus, was im Leben dir richtig Spaß macht und finde dann jemanden, der einen für diese Tätigkeit gut bezahlt. Im Moment hat man an so mancher Stelle den Eindruck, der wirtschaftliche Lockdown käme manchem ganz gelegen. Zu Hause sitzen und den Staat die Rechnungen zahlen zu lassen, das hat schon einen gewissen Charme. Wenn jetzt noch Restaurants, Kinos und Fußballstadien aufmachen würden und man reisen dürfte, wäre es eigentlich erträglich …
Das sind Einzelfälle, gewiss! Den meisten Menschen, mit denen ich spreche, wird ganz anders bei dem Gedanken, wie wir uns von dieser erzwungenen Vollbremsung jemals wieder erholen sollen. Aber es ist eben ein Unterschied, ob man einen Gastronomie- oder Handwerksbetrieb hat, dem der Umsatz wegbricht und staatliche Kredite nur die Aussicht auf eine etwas spätere Beerdigung versprechen, oder ob man als Bundestagsabgeordneter bei vollen Diäten die Welt im Homeoffice retten muss. Linke und andere Etatisten haben eine gute Zeit, denn es gilt, die Quarantäne zu „gestalten”. So gesehen, müssen Politiker die glücklichsten Menschen überhaupt sein, denn deren Verstiegenheiten und fixe Ideen bezahlt ja der Staat.
Aktuell ordnet der Staat an und duldet keinen Widerspruch. Und wenn die Anordnung von heute der von gestern oder der morgigen oder der im Nachbarland widerspricht, wen kümmert’s? Irren ist staatlich, gehorchen menschlich. Doch so mancher Politiker wacht morgens hoffentlich schweißnass auf, wenn er daran denkt, wie viele Prozesse er heute wieder steuern und lenken muss. Prozesse, von denen er früher nicht mal wusste, dass es sie gab, weil sie sich selbst regelten und das Tagwerk darin bestand, Reden zu halten, Gesetze zu erlassen und Steuern zu erheben.
Egal, wie sehr man es versuchte, nie schaffte man es, gerade wirtschaftliche Prozesse vollständig abzuwürgen. Jede überflüssige Regulierung und jede Steuererhöhung steckte die Wirtschaft weg wie ein Preisboxer die Schläge pubertierender Jahrmarktflegel. Das ist vorbei. Sicher, Unternehmen aller Größen sind zu allen Zeiten untergegangen. Aber um eine ganze Volkswirtschaft gegen die Wand zu fahren, bedarf es der aktiven Rolle des Staates und seiner Politiker. Krisenwirtschaft ist Staatswirtschaft.
Zur Not kann man seine Klientel auch erfinden
Beinahe jede definierbare Gruppe hart von der Krise Betroffener hat sich inzwischen zu Wort gemeldet und ihre Für‑, Laut- und Parteisprecher in Position gebracht. Selbst die Grünen melden sich schon wieder laut zu Wort und wollen die Pandemie zusammen mit dem Klimawandel besiegen. Die Linken jedoch haben das Problem, dass sie als Anhänger einer auf Zentralismus, Hierarchie und institutionalisierter Wissensanmaßung aufgebauten Ideologie den aktuellen Operationsmodus zwar sehr mögen, es ihnen aber (noch) an Macht mangelt, davon inhaltlich zu profitieren. Man muss also den unbequemen Weg weiter mitgehen, sich Interessengruppen zu suchen, in deren Namen man Forderungen stellen kann. Zur Not kann man diese Klientel aber auch erfinden. Was die Forderungen taugen, prüft am Ende ohnehin niemand nach. Falls Sie gerade einen Gedanken mit den Worten „Aber die kritische Presse muss doch…” beginnen wollten, liebe Leser…vergessen sie es! Wer Kritik übt, ist Coronaleugner und Öffnungsdiskussionsorgiast, also Nazi.
In einem offenen Brief an Merkel und Seehofer fordern Bundestagsabgeordnete der Linken – darunter Parteichef Bernd Riexinger, Ulla Jelpke und Anke Domscheit-Berg – so einiges. In gestelztem Genderdeutsch verlangt man „Corona-Amnestie und Soforthilfen für Menschen ohne Papiere jetzt!“ Der Tagesspiegel lobt das Pamphlet sogar zur versuchten „Rettung aus der Coronakrise“ hoch. Und haben sich Impfungen mit Bargeld nicht in der Tat stets als sehr stimmungsaufhellend erwiesen? Solange es das Geld anderer Leute ist, versteht sich!
Wer bei „Menschen ohne Papiere“ an den landesweiten Mangel an Toilettenpapier denkt, ist zu praktisch veranlagt. Die Autoren des Briefes meinen nämlich die „schätzungsweise zwischen 200.000 bis 600.000 Menschen“, die ohne Status und in jeder Weise illegal in Deutschland leben.
Erste Frage: So viele? Doch diese Frage kann niemand wirklich beantworten, was in der Natur der Sache liegt. Denn niemand zählt die, die nicht gezählt werden. Zweite Frage: Was bedeutet eigentlich „ohne Status und illegal“? Bei dieser Frage hilft uns die NGO „Pro Asyl“ weiter, die nicht gerade in dem Ruf steht, gegenüber den noch nicht so lange hier Lebenden besonders kritisch und ausgrenzend zu sein. Auf der Seite „Was ist eigentlich eine Duldung?“ gibt Pro Asyl Auskunft: „Eine Person mit Duldung ist eigentlich ausreisepflichtig, kann aber aktuell nicht abgeschoben werden.[…] Solange eine Abschiebung nicht erfolgt, hat die Person einen Rechtsanspruch auf die Duldung. Diese wird von der Ausländerbehörde ausgestellt. Eine geduldete Person ist also nicht »illegal« in Deutschland.“
Geht’s nicht etwas weniger durchgeknallt?
„Menschen ohne Papiere“ sind also weder Asylbewerber, die haben ja einen Status, noch abgelehnte Asylbewerber, die sind laut Gesetz auch nicht illegal hier, weil sie ja mit „Duldung“ auf eine Abschiebung warten, die natürlich nie kommt, weil unter anderem meist mit den Papieren etwas nicht stimmt. Anerkannte Flüchtlinge haben einen temporären Status, die fallen auch nicht unter die Definition der Linken. Von wem in Herrgottsnamen ist denn nun die Rede?
Die neue Päppelklientel der Linken ist laut Brief „…aus unterschiedlichen Gründen in der rechtlichen Illegalität…“, welche Gründe das sind, will die Linke offenbar nicht so genau wissen. Mir würden da einige Gründe einfallen, und keiner davon scheint mir geeignet, dafür pro „rechtlich illegaler“ Nase pauschal Staatsknete auszuzahlen, wie die Linke dies fordert.
Sonst stets bemüht, jeden der absoluten Gleichheit der Ergebnisse im Weg stehenden Euro den „Reichen” wegzusteuern und umzuverteilen, sorgt sich die Linke nicht darum, dass die angeblich hunderttausenden Illegalen, die hier illegalen Geschäften (welchen denn auch sonst) nachgehen, vom Staat zu wenig zur Kasse gebeten zu werden könnten. Diese Illegalen haben vielmehr „…aus Sorge vor Aufdeckung de facto keinen Zugang zu staatlichen Hilfen, zum Gesundheitssystem, zum Schutz durch Arbeits- und Sozialrecht.“
Und weiter: „In Folge des Shutdowns sind Zehntausende, die ihren Lebensunterhalt in Gastromonie, Hotelgewerbe, auf Baustellen, in Privathaushalten verdienen, aus der informellen Schattenwirtschaft ohne Absicherung nach Hause geschickt worden.“ Kann man gleichzeitig Mindestlöhne fordern und Lohndumping anprangern, während man gleichzeitig den Möglichkeiten zur Schwarzarbeit nachtrauert? Geht’s nicht etwas weniger durchgeknallt? Welche Sozialkasse ist eigentlich zuständig für die staatliche Absicherung der informellen Schattenwirtschaft?
„Wegen erhöhter Polizeipräsenz auf den Straßen trauen sich Menschen ohne Papiere kaum noch aus der Wohnung…“
Auf Münchener Parkbänken ein Buch lesen
Man weiß zwar nicht genau, wie viele Illegale in Deutschland wo leben und wovon, dass und warum sich viele jedoch nicht aus ihren Wohnungen trauen, weiß die Linke! Wieviele Illegale wohl versuchen, auf Münchner Parkbänken ein Buch zu lesen oder verbotenerweise bei Stade auf die Elbe sehen wollen? Die Polizei hat wohl noch nicht mitbekommen, dass sie vor allem Illegale daran hindern soll, ihre Wohnungen zu verlassen.
„…was ihre gesellschaftliche Marginalisierung weiter verstärkt.“ Das ist nur noch einen doppelten Grappa von der Forderung entfernt, Illegale gehörten „in die Mitte“ der Gesellschaft.
„Mangels statistischer Erfassung seitens der Bundesregierung über die Zahl der Menschen in der Illegalität wissen wir nicht, wieviel Leid und Not bei diesen Menschen in unserem Land durch die derzeitige Situation entsteht.“ Was genau wird hier eigentlich kritisiert? Soll die Bundesregierung Illegale statistisch erfassen? Wie, wenn ich fragen darf? Ich dachte, wegen der Polizei trauen die sich nicht mal mehr vor die Tür? Die Art der Argumentation ist übrigens bei Verschwörungstheoretikern und esoterischen Spinnern aller Sorten weit verbreitet. Motto: Wenn man etwas nicht kennt, nicht sieht oder nicht messen kann, heißt das nicht, dass es das nicht gibt! So wie Drachen, Chemtrails, unbekanntes Leid, Einhörner oder Miasmen.
„Wir sind der vollen Überzeugung und halten es aus humanitären Gründen für dringend notwendig, dass auch diesen Menschen die vollständige staatliche Hilfe zugesichert werden muss. Auf dem Integrationsgipfel am 2. März 2020 haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, völlig zu Recht festgestellt: "Jeder Mensch, der in diesem Lande lebt, muss sich sicher fühlen können und muss in seiner Würde akzeptiert werden. Das gibt uns auch das Grundgesetz auf. Sicherheit ist die Voraussetzung dafür, dass man in seiner Würde überhaupt akzeptiert wird."
Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand Merkels sprachliche Unbeschenktheit gegen sie wendet, indem man sie einfach wörtlich versteht. Nur zur Erinnerung: Merkel unterscheidet generell nicht nach Staatsangehörigkeit, sondern nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit.
„Auch Menschen ohne Papiere sind Teil der deutschen Bevölkerung.“ Wer Merkels hilfloses Formulierungswirrwarr als Rechtfertigung benutzt, muss dann aber auch dabei bleiben. Aus „jeder Mensch, der in diesem Lande lebt“ wird eben nicht einfach so ein „Teil der deutschen Bevölkerung“. Ich möchte wetten, auch der US-Botschafter, griechische Gastprofessoren oder der Kultur-Attaché von Kasachstan hätten durchaus etwas dagegen, zur deutschen Bevölkerung gerechnet zu werden, nur weil sie in diesem Land und noch dazu in Berlin leben müssen.
Die Forderungen der Linken
Die für die neuen Mündel der Linken verlangten staatlichen Segnungen fallen zumindest höchst bescheiden aus. Man fordert:
- Sofort 1.500 Euro für jeden Papierlosen. Bitte die Quittung gut aufheben, nicht dass jemand versehentlich doppelt kassiert. Das macht – glaubt man den Zahlen der Linken – für den Anfang (denn einmal ist keinmal) zwischen 300 und 900 Millionen Euro.
- Eine „Generalamnestie“ und eine sofortige Legalisierung aller Illegalen. Ich schlage vor, aus buchhalterischen Gründen Punkt 1 erst anschließend umzusetzen. Das ist allemal billiger als zu riskieren, dass sich die lichten Reihen der 200.000 – 600.000 durch Gerade-erst-Papierlose auffüllen.
- Keine Abschiebungen mehr. Das ist natürlich Kokolores, denn ohne Papiere kann man zwar jederzeit nach Deutschland kommen, aber das Land verlassen kann man als Papierloser nun gerade nicht. Schon gar nicht per Abschiebung. Und wenn Punkt zwei erst mal erfüllt wurde…warum sollte man jemanden abschieben, der dann legal im Land ist?
- Während die Bundesregierung es kaum erwarten kann, allen (legalen) Bürger per Handy-Tracker hinterherzuschnüffeln, fordern linke Politiker in ihrem Brief die Abschaffung der Übermittlungspflicht (§ 87 AufenthG) bezüglich der sich illegal aufhaltenden Nichtbürger. Doch bevor wir zu Punkt 4 kommen, trat ja schon Punkt 2 in Kraft. § 87 AufenthG ist dann ohnehin obsolet, weil alle Illegalen nun legal sind.
Fazit: In Pandemiezeiten in Logik-Quarantäne
Viele Linke befinden sich nicht erst in Pandemiezeiten in Logik-Quarantäne, sondern spätestens seit der Arbeitswerttheorie von Karl Marx. Aber ich will das Prämienmodell von Jelpke, Riexinger und Genossen nicht pauschal verurteilen. Nur sollten wir vielleicht die Ziele etwas anders gewichten. Wir könnten eine Prämie von 1.500 Euro für jene ausloben, die ihre Papiere wiederfinden (Stichtag beachten). Über eine Amnestie des illegalen Aufenthalts lässt sich dann dank expedierbarer Heimatadresse reden. Für jede papiergewordene und nun gestrichene erfundene Identität gibt’s 500 Euro oben drauf. Aber viel wird da nicht zusammenkommen, keine Angst. Das bisschen kann die Linke locker aus der in die Illegalität abgetauchten SED-Parteikasse zahlen. Deal?
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.